Römischer Brunnen in Grenzach-Wyhlen freigelegt

Steinbrunnen über 11 m tief erhalten

Im Ortsteil Wyhlen, gleich gegenüber der auf der schweizerischen Seite des Rheins gelegenen römischen Kolonie Augusta Raurica (Augst), soll ein neues Wohngebiet entstehen. Bei archäologischen Ausgrabungen im Vorfeld der Erschließungsarbeiten wurden dort Fundamente mehrerer römischer Gebäude, ein Keller und ein gut erhaltener steinerner Brunnen freigelegt, dessen Inhalt Informationen zum Leben der römischen Siedler preisgibt.

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Freilegung des römischen Brunnens
Für die Freilegung der Brunnenfüllung mussten ein Spezialgerüst und aufwendige Sicherungsgeräte mit Personen- und Lastenwinden aufgebaut werden. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart

Von Juni 2021 bis April dieses Jahres dokumentierte die beauftragte Grabungsfirma ArchaeoTask zahlreiche römische Gebäudefundamente und Keller im künftigen Wohngebiet im Ortsteil Wyhlen. Dabei wurde auch der Brunnen bis zu einer Tiefe von fast acht Metern unter der aktuellen Geländeoberfläche mit Hilfe eines Baggers durch die Grabungsfirma ausgegraben und dokumentiert. Nach Prüfung der Standfestigkeit des aus trocken gesetzten Steinlagen bestehenden Schachts übernahm ab dieser Tiefe das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) die Bergung der Brunnenverfüllung. Dazu wurden ein Spezialgerüst und aufwendige Sicherungsgeräte mit Personen- und Lastenwinden aufgebaut, um in dem Schacht von nur etwa 90 Zentimetern Durchmesser arbeiten zu können.

Alle Mitarbeitenden im Einsatz waren vorab in Höhensicherung und Rettungstechnik ausgebildet worden. Die Arbeitsschritte sind aufwendig: Eine Person ist ununterbrochen für die Sicherung zuständig, eine zweite Person wird abgeseilt und befüllt den herabgelassenen Eimer. Nach dem Hochziehen birgt eine dritte Person aus dem Eimer alle Funde. Eimer für Eimer wird die Brunnenverfüllung schließlich geborgen. Nach jeweils eineinhalb Metern »Auslöffeln« und Dokumentieren muss der römische Brunnenschacht aus Sicherheitsgründen gefestigt werden. Die Fugen und Hohlräume werden mit Mörtel ausgepresst – ein zeitaufwendiger und körperlich anstrengender Arbeitsschritt, bei dem eine Tonne Mörtel für drei Meter Schacht benötigt wird.
Nachdem der obere Bereich der Brunnenverfüllung hauptsächlich römische Dachziegelfragmente enthielt, bergen die Archäologen des LAD aktuell eimerweise Tierknochenreste.

»Durch archäozoologische Bestimmungen und Untersuchungen der vorhandenen Tierarten und ihrem jeweiligen Sterbe- beziehungsweise Schlachtalters können unter anderem Aussagen zu Zucht und Haltungsweise der Haustiere in der Römerzeit ermittelt werden. Hack- und Schnittspuren ermöglichen Einblicke in die Zerlegungsweise und die Verarbeitung der geschlachteten Tiere und insofern auch in einen Teil des Speiseplans der Römer«, sagte Dr. Gertrud Kuhnle, die zuständige Gebietsreferentin des LAD, am Freitag bei einem gemeinsamen Pressetermin mit Bürgermeister Dr. Tobias Benz. Bis Jahresende werde Dr. Simon Trixl, Referent für Archäozoologie beim LAD, erste Ergebnisse liefern können. Die wissenschaftlich detaillierte Auswertung werde allerdings weit über ein Jahr in Anspruch nehmen. Kuhnle zeigte auch die geborgenen Keramikscherben und erklärte, dass sie in die erste Hälfte und Mitte des 3. Jahrhunderts nach Chr. datieren.

Ende letzter Woche war der Brunnen auf insgesamt 11,5 Meter Tiefe ausgegraben. Wann die Brunnensohle erreicht sein wird, lässt sich aktuell noch nicht sagen. Das Team sei zuversichtlich, in größerer Tiefe weitere aussagekräftige Funde zu bergen, sagte Kuhnle. Die zu erwartende Feuchtigkeit in größerer Tiefe konserviere auch Gegenstände aus organischen Materialien und insbesondere botanische Rückstände oft für sehr lange Zeit.

Blick in den Brunnenschacht
Blick in den Brunnenschacht. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
Brunnenfunde
Ziegelbruchstücke und Tierknochen aus dem römischen Brunnen. Foto: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
Ausgrabungsfläche
Blick über die Grabungsfläche im Neubaugebiet »Kapellenbach-Ost«. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Bild: ArchaeoTask