"Bereit zu teilen?": Zweite Fishbowl-Diskussion im Museum für Antike Schiffahrt des RGZM

Unter diesem Motto folgten acht Expert(inn)en der Einladung vom Mainzer Zentrum für Digitalität in den geistes- und Kulturwissenschaften (mainzed) ins Museum für Antike Schiffahrt des RGZM und äußerten sich zum Thema digitalisierte Kulturgüter im Netz.

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Prof. Dr. Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der JGU, begrüßt die Anwesenden im Museum für Antike Schiffahrt des RGZM
Prof. Dr. Mechthild Dreyer, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der JGU, begrüßt die Anwesenden im Museum für Antike Schiffahrt des RGZM (Foto: Sarah Pittroff)

Ende Januar lud mainzed gemeinsam mit der Sammlungskoordination der Johannes Gutenberg-Universität (JGU) zu einer Diskussion ins Museum für Antike Schiffahrt des RGZM ein. Unter dem Motto "Bereit zu teilen?" wurde über das Für und Wider der offenen Bereitstellung digitalisierter Kulturgüter im Netz diskutiert.

"Was nicht im Netz ist, ist auch nicht verfügbar" - Diese Zuspitzung durch Dr. Ellen Euler von der Deutschen Digitalen Bibliothek fasst zusammen, worin sich alle acht Teilnehmenden der hochrangig besetzten Runde einig waren: Kulturgüter müssen aus konservatorischen und wissenschaftlichen Gründen digitalisiert und im Netz verfügbar gemacht werden. Ebenso klar wurde bei der Veranstaltung im Museum für Antike Schiffahrt aber auch, dass einfaches Teilen nicht ausreicht. Das Ziel muss vielmehr sein, durch die Offenlegung von Inhalten inklusive Forschungs- und Metadaten jeden in die Lage zu versetzen, kreativer digitaler Nutzer zu werden.

Innovation bedarf jedoch unter anderem juristischer Grundlagen oder, so Euler, "die rechtlichen Gegebenheiten müssen so angepasst werden, dass sie ermöglichen, was möglich sein muss." Auch technologisch sind noch viele Fragen offen, Beispiel Behörden: "Wir wollen hin zur elektronischen Verwaltung, Stichwort eGovernment und hin zur E-Akte, wissen aber nicht, ob wir die Inhalte in zwanzig Jahren noch lesen können", mahnte Dr. Kai-Michael Sprenger vom Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur an, der in der Diskussion Staatsekretär Dr. Salvatore Barbaro vertrat. Die Frage der Langzeitarchivierung brennt natürlich auch den Beteiligten der Diskussion aus dem Kulturbereich unter den Nägeln.

Ebenso wichtig: Neue Forschungsfragen bedürfen auch neuer Strategien. "Aber", so deutlich wollte es Dr. Cornelia Weber, Leiterin der Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen in Deutschland, sagen, "die infrastrukturelle Situation ist ein Desaster." Natürlich benötigt jede der über tausend wissenschaftlichen Universitätssammlungen eine eigene Strategie bei der Digitalisierung ihrer Bestände, welche regionale und thematische Besonderheiten berücksichtigt. Dennoch werden gemeinsame Qualitätskriterien und Metadatenstandards benötigt. Damit aber richtete sie den Blick auf die bisherige Förderpolitik. "Wir wollen", so Weber, "weg von der Projektförderung und hin zur Strukturförderung". Dr. Ursula Warnke, Direktorin des Deutschen Schiffahrtsmuseums in Bremerhaven ergänzte: "Datenleichen wurden bisher in Projekten produziert, nicht in Netzwerken." Auch Katrin Kessen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstrich die Bedeutung gemeinsamer Strategien: "Gefördert wird das, was vernetzt, nicht der Einzelne". Alle drei Expertinnen betonten damit die Bedeutung von standardisierten Daten und offenen Schnittstellen als Voraussetzung für Vernetzung.

Prof. Dr. Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, plädierte ebenfalls für gemeinsame Grundlagen, damit der Austausch zwischen den Sammlungen und Archiven funktionieren kann. Im Bereich der kommerziellen Nutzung sollten Museen jedoch weiterhin die Rechte an ihren eigenen Werken behalten, "denn ein Museum arbeitet für die Gesellschaft und nicht für Gesellschaften wie Google." Das sieht Warnke anders. "Wir haben in Zusammenarbeit mit Google das ganze Museum digitalisiert. Davon versprechen wir uns eine größere Reichweite." Und natürlich gibt es auch unterschiedliche Auffassungen zum Thema Bildrechte. In Anspielung auf den Rechtsstreit mit Wikimedia, infolge dessen das Landgericht Berlin im August 2016 Reproduktionsfotografien gemeinfreier Gemälde für urheberrechtlich geschützt erklärte, ergänzte Wieczorek: "Wer etwas frei verfügbar macht, muss auch dafür sorgen, dass es frei bleibt". Einen deutlich anderen Standpunkt in der Diskussion vertraten Euler und Oliver Rack. Letzterer, Gründungsmitglied von Open Data Rhein-Neckar, führte am Beispiel der Verknüpfung von offenen Geodaten mit Datenbeständen der Denkmalpflege vor, wie innovative kommerzielle Nutzungen entstehen könnten, indem etwa touristische Hinweise mit Fahrplänen des Nahverkehrs für eine App kombiniert werden. Das Potenzial gemeinfreier Daten liege darin, sie miteinander zu neuen Nutzungen zu verknüpfen und damit gesellschaftliche wie wirtschaftliche Innovationen anzuregen. Auch Euler wies daraufhin, dass der Nutzen frei verfügbarer Bilder für Museen und Archive größer sei, als der Schaden, der durch eventuellen Missbrauch derselben entstehen könne. Beleg hierfür seien die positiven Erfahrungen der Museen und Archive, die bereits eine konsequente Strategie der digitalen Öffnung umsetzen.

Aber schaufeln sich Museen und Sammlungen nicht ihr eigenes Grab, wenn sie ihre Bestände im Netz veröffentlichen? "Unser Erfahrungen sind andere" so Dr. Chantal Eschenfelder, Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung im Städel Museum Frankfurt, "wir erreichen mit unseren Angeboten Menschen, die sonst nichts von uns wüssten." Über Besucherrückgang könne das Städel nicht klagen, so Eschenfelder, denn die Faszination des Originals lässt sich durch ein digitales Angebot nicht ersetzen. Das Städelmuseum erntet seit 2015 durch seine innovativen digitalen Formate viel Aufmerksamkeit. Der Schuh drücke, so Eschenfelder, an einer anderen Stelle: Der Etat des Museums müsse steigen, damit die ganze Arbeit rund um einen sauberen Digitalisierungsprozess geleistet werden könne.

Zunächst aber, das unterstrichen alle acht Expertinnen und Experten, gehe es nicht um Fragen des Rechts oder der Haushalte einzelner Museen und Archive. Vielmehr müsse die Politik die Konzeption umfassender infrastruktureller Grundlagen ermöglichen und entsprechend die Zukunft gestalten. Die Politik, dies unterstrich Rack mehrfach, gebe die Rahmenbedingungen für Innovationen mit Open Data vor. Daran entwickeln sich gesetzgeberische Maßnahmen, die Strategien der Förderer und die Umsetzung der Öffnung des digitalisierten Kulturerbes für die Gesellschaft. Die Politik müsse also, so Rack, das Thema Digitalisierung in seiner ganzen Vielfalt anpacken und es nicht auf die Frage der technischen Infrastruktur reduzieren: Die Zeit des "Breitband-Gejammers" sei vorüber.

Hochzufrieden mit den Ergebnissen der lebhaften Diskussion war der Direktor des mainzed, Prof. Dr. Kai-Christian Bruhn, denn Open Data und Open Access gehören zu den zentralen Herausforderungen auch der Verbundpartner im mainzed. "Mit der jährlichen Veranstaltung des mainzed wollen wir dazu beitragen, Akteure aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft miteinander ins Gespräch zu bringen und unsere Themen in die Region zu tragen. Beides ist uns gelungen."