Archäologen auf den Spuren des Dreißigjährigen Krieges

Neue Einblicke durch systematische Prospektion

Die Schlacht von Lützen markiert einen Wendepunkt des Dreißgjährigen Krieges. 6.500 Soldaten fielen in dieser Schlacht am 16. November 1632 und auch der Schwedenkönig Gustav II. Adolf fand den Tod. Fast 400 Jahre danach versuchen Archäologen, ein objektives Bild der Ereignisse zu zeichnen. Dazu untersuchten sie seit Ende 2009 etwa ein Drittel des damaligen Schlachtfeldes mit Metallsonden. Die Verteilung der bisher mehr als 10.000 Funde ermöglicht detaillierte Einblicke in den Verlauf der Schlacht.

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Löwenköpfchen vom Lützener Schlachtfeld
Das Löwenköpfchen mit der Schlange im Maul, das auf dem Schlachtfeld von Lützen gefunden wurde. Gehörte es Gustav Adolf? Foto © LDA Sachsen-Anhalt

Am 16. November des Jahres 1632 standen sich östlich von Lützen die Truppen des schwedischen Königs Gustav II. Adolf und das kaiserlich-katholische Heer des legendären Generals und Söldnerführers Graf Albrecht von Wallenstein und damit die beiden berühmtesten und fähigsten Feldherren des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) gegenüber. Etwa 40.000 Mann kämpften wohl in dieser Schlacht, die mit insgesamt 6500 Gefallenen für beide Seiten zum Desaster wurde und als das verlustreichste Gefecht des ersten großen europäischen Krieges in die Geschichte einging. Auch der Kämpfer für die protestantische Glaubensfreiheit, König Gustav II. Adolf, der aufgrund einer alten Wunde in der Schulter keine Rüstung trug, fand vor Lützen den Tod. Damit fiel die Galionsfigur der Protestanten und die protestantische Allianz zerbrach. Aber auch Wallenstein war geschwächt und dazu gezwungen, sich nach Böhmen zurückzuziehen,wo er 1634 ermordet wurde.

Um eine überzeugende Darstellung der Schlacht von Lützen bemüht sich die historische Forschung seit inzwischen fast 150 Jahren. Aufgrund der vielen Widersprüche in den Berichten der Augenzeugen ist eine solche bis heute nicht gelungen – ist doch die Berichterstattung zu kriegerischen Auseinandersetzungen stets tendenziös, persönlichen Erfahrungen und politischen Zwängen unterworfen.

Die objektive Wahrheit dagegen blieb in dem Schlachtfeld selbst erhalten, das in den vergangenen Jahrhunderten landwirtschaftlich genutzt, aber nicht überbaut wurde. Noch heute enthält der Oberboden jene Zeugnisse der Schlacht, die nach der Plünderung der Gefallenen durch die von den Kriegsgeschehnissen gebeutelte Bevölkerung sowie ihrer Verscharrung in Massengräbern übrig geblieben waren und in der Folgezeit durch die landwirtschaftliche Tätigkeit in den Pflughorizont eingearbeitet wurden: Gewehrkugeln, Uniformteile, Ausrüstungsgegenstände, Münzen, Bleikugeln von Musketen und Pistolen, Haubitzenkugeln. Sie ans Licht zu holen und aus ihnen objektive Erkenntnisse über den Hergang der Schlacht zu gewinnen, ist das Ziel des internationalen Forschungsprojekts »Schlachtfeldarchäologie Lützen«, das im Herbst 2009 begann. Erstmals in der noch jungen Teildisziplin Schlachtfeldarchäologie werden hier große, zusammenhängende Flächen vollständig untersucht.

Da es im Zuge des Schlachtgeschehens kaum zu Bodeneingriffen kam, beinhaltet moderne Schlachtfeldarchäologie zunächst die minutiöse Untersuchung des Oberbodens mit Hilfe von Metallsonden. Ihr systematischer Einsatz erlaubt die Lokalisierung von Kleinfunden, die anschließend geborgen und exakt kartiert werden. Die Verteilung der Kleinfunde – Projektile, Ausrüstungsgegenstände etc. – ermöglicht es, die Truppenaufstellung und -stärke sowie den Verlauf der Schlacht zu rekonstruieren. So ließ sich archäologisch belegen, dass die Flügel der Armee Wallensteins bei Beginn der Schlacht um 45° nach hinten abgewinkelt waren. Auch ließ sich die Lücke im Zentrum des schwedischen Angriffs nachweisen, die durch die Bewegung der schwedischen Kavallerie nach außen verursacht worden war. Ihr folgte die Infanterie Gustav II. Adolfs, so dass die gegnerische, kaiserliche Kavalleriereserve in die entstehende Lücke stoßen und die schwedische Infanterie von der Flanke angreifen konnte – mit verheerenden Folgen. 1.300 schwedische Soldaten verloren ihr Leben und mit ihnen ihr König: Gustav II. Adolf kam seiner Infanterie zur Hilfe, geriet in die vorderste Kampflinie, wurde im dichten Nebel von einer Kugel in den linken Arm getroffen, im Nahkampf verwundet und nach einem Sturz vom Pferd von einem kaiserlichen Reiter durch Kopfschuss getötet.

Auf dem Lützener Schlachtfeld wurden bisher etwa 500 km mit der Metallsonde abgelaufen, was etwa 100 Hektar oder auch einer Million Quadratmetern untersuchter Fläche und damit etwa einem Drittel des überlieferten Schlachtfeldes entspricht. Damit ist das Projekt »Schlachtfeldarchäologie Lützen« das größte Projekt zur Schlachtfeldarchäologie in Europa. Unter den mehr als 10.000 Funden, die bisher detektiert wurden und bei denen es sich in der Mehrzahl um Geschosskugeln unterschiedlichster Art, aber auch um Schnallen, Knöpfe, Rüstungsbeschläge und Pferdegeschirrteile handelt, ragen einige besonders bedeutende Objekte hervor. Dazu gehört insbesondere die Darstellung eines Löwenkopfes aus Kupfer, in dessen Maul sich eine Schlange windet, ein Stück von propagandistischem Aussagegehalt, wurde doch Gustav II. Adolf entsprechend einer protestantischen Prophezeiung aus dem 16. Jahrhundert, die einen »Löwen aus Mitternacht«, aus dem Norden also, ankündigte, als Löwe, seine katholischen Feinde aber als Schlangen dargestellt. Zudem wurde das Stück nahe jener Stelle des Schlachtfeldes entdeckt, an der der König vermutlich seinen Tod fand. Finder war der schwedische Schlachtfeldarchäologe Dr. Bo Knarrström, der das Team Schlachtfeldarchäologie am Swedish National Heritage Board in Lund leitet und ebenso wie Timothy Sutherland MSc BSc (Bradford/Glasgow, UK), Dr. Glenn Foard (Huddersfield, UK) und Dr. Tony Pollard (Glasgow, UK) dem internationalen Spezialistenteam angehört, das an der Erforschung des Lützener Schlachtfeldes beteiligt ist und in regelmäßigen Abständen zum Austausch über methodische Fragen und Ansätze in Lützen zusammenkommt. Zu den außergewöhnlichen Funden vom Schlachtfeld zählen daneben zwei figürliche Hakenverschlüsse aus Bronze, bei denen es sich um Zeugnisse Nürnberger Rotschmiedearbeit handelt. Die zwei Figuren stellen eine Frau mit Kopftuch und langem Kleid sowie einen Mann in Hose und Wams dar. Diese Stücke lassen sich möglicherweise mit einem früheren Abschnitt des Dreißigjährigen Krieges in Verbindung bringen: Wenige Monate vor der Schlacht von Lützen standen sich Wallenstein und Gustav II. Adolf mit ihren Truppen erstmals gegenüber, als sie sich vor Nürnberg von verschanzten Lagern aus wochenlang gegenseitig belauerten. Wurden die beiden Rotschmiedearbeiten dort erworben oder geraubt? Wie kaum ein anderes Denkmal in Sachsen-Anhalt verdeutlicht das Schlachtfeld von Lützen als Schauplatz einer historischen Zäsur den Stellenwert, den die Region als ein Kerngebiet europäischer Geschichte einnimmt. Seine weitere Erforschung verspricht bedeutende Aufschlüsse über den Hergang eines Ereignisses, das bis heute in Schweden Gegenstand einer ausgeprägten Gedenkkultur ist und die Gegend um Lützen zu einer überregional bedeutenden Region macht. Seine Erforschung im Projekt »Schlachtfeldarchäologie Lützen« wird durch das finanzielle Engagement der Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft mbH (MIBRAG) in großzügiger Weise unterstützt und in Kooperation mit der Stadt Lützen und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt.

Geschosskugeln vom Schlachtfeld
Geschosskugeln aus der Schlacht von Lützen. Foto © LDA Sachsen-Anhalt
Nürnberger Rotschmiedearbeit vom Schlachtfeld
Nürnberger Rotschmiedearbeit vom Schlachtfeld. Foto © LDA Sachsen-Anhalt
Schlachtfeldarchäologe bei der Prospektion
Schlachtfeldarchäologe bei der Prospektion. Foto © LDA Sachsen-Anhalt