Weitere Fragmente des Löwenmenschen entdeckt

Archäologen des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart haben bei Ausgrabungen in der Stadelhöhle am Hohlenstein bei Asselfingen im Alb-Donau-Kreis bei Ulm weitere Fragmente des eiszeitlichen Löwenmenschen entdeckt und gestern zusammen mit der Originalstatuette der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Löwenmensch
Der Löwenmensch aus dem Lonetal

Die rund 40.000 Jahre alte und rund 30 cm hohe bislang nur fragmentarisch erhaltene Elfenbein-Statuette eines Mischwesens aus Höhlenlöwe und Mensch gehört zu den ältesten Kunstwerken der Menschheit. Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl betonte: „Eines der ältesten und geheimnisvollsten Kunstwerke der Menschheit aus Baden-Württemberg verändert aufgrund der neuen Funde sein Aussehen. Damit steht zu erwarten, dass diese geheimnisumwitterte Figur eines Mischwesens aus Höhlenlöwe und Mensch bald mehr oder weniger vollständig sein wird“, zeigte sich Schmalzl von der mühevollen und bislang erfolgreichen, wenn auch noch lange nicht beendeten Puzzlearbeit der Archäologen angetan.

Seit 2008 führt das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart archäologische Ausgrabungen in der Stadelhöhle am Hohlenstein im Lonetal bei der Gemeinde Asselfingen im Alb-Donau-Kreis durch. Die Stadelhöhle am Hohlenstein ist die Fundstelle des Löwenmenschen, der in zahlreichen Bruchstücken bei Ausgrabungen vor über 70 Jahren entdeckt worden war und im Ulmer Museum seine Heimat gefunden hat. Im vergangen Jahr gelang den Archäologen dann auch eine herausragende Entdeckung: Sie bargen Bruchstücke, die sich an die Statuette des „Löwenmenschen“ wieder anpassen ließen. Am gestrigen Donnerstag, den 14. April 2011, präsentierte Regierungspräsident Johannes Schmalzl gemeinsam mit dem Tübinger Regierungspräsidenten Hermann Strampfer und Dr. Claus Wolf und Ausgrabungsleiter Prof. Dr. Claus-Joachim Kind vom Landesamt für Denkmalpflege im Rathaus von Asselfingen die neuen Funde gemeinsam mit dem bisherigen Original und erläuterten ihre Bedeutung für die Erforschung der Eiszeitkunst. Oberbürgermeister Ivo Gönner und der derzeitige Museumsleiter Kurt Wehrberger M.A. hatten dankenswerterweise das Original zur Präsentation mitgebracht.

Dr. Claus Wolf, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, und Ausgrabungsleiter Prof. Dr. Claus-Joachim Kind, Steinzeitarchäologie und Paläontologe, erläuterten die näheren Fundumstände und die fachlichen Hintergründe. Bei der Stadelhöhle am Hohlenstein im Lonetal handelt sich um einen von mehreren Fundplätzen der Altsteinzeit in Höhlen der Schwäbischen Alb. In vier von ihnen - neben der Stadelhöhle am Hohlenstein noch die Vogelherd-Höhle im Lonetal sowie die Geißenklösterle-Höhle und der Hohle Fels im Achtal zwischen Blaubeuren und Schelklingen - wurden die ältesten Kunstwerke der Menschheit entdeckt, kleine, aus Mammutelfenbein geschnitzte Tier- und Menschenfiguren, entstanden während der letzten Eiszeit vor rund 35.000 bis 40 000 Jahren.

Prof. Kind betonte in seinen Ausführungen, dass der Löwenmensch wahrscheinlich die spannendste und mit einer Höhe von 30 cm auch die größte dieser Figuren sei: „Sie stellt ein geheimnisvolles Mischwesen dar. Der Kopf gehört zu einem Höhlenlöwen, dem größten und gefährlichsten Raubtier der letzten Eiszeit. Andere Teile des Körpers wirken dagegen eindeutig menschlich. Wir Archäologen glauben, dass die Statuette Einblicke in die okkulten Vorstellungen eines schamanistischen Weltbildes gewährt, in dem für unsere steinzeitlichen Vorfahren die Grenzen zwischen verschiedenen Lebewesen verschwommen sind. Leider ist die Figur bisher nicht vollständig. Besonders auf der rechten Körperhälfte klafft ein breites Loch. Mit unseren aktuellen Ausgrabungen wollen wir die Frage beantworten, ob in der Stadelhöhle im Hohlenstein noch fundführende Erdschichten vorhanden sind.“

Und tatsächlich entdeckten die Ausgräber 2010 an einer Stelle etwa 25 m vom Höhleneingang entfernt die alte Ausgrabungsfläche von 1939 wieder. Sie war am letzten Tag der damaligen Arbeiten mit Grabungsabraum verfüllt worden. In diesem Abraum fanden sich zahlreiche Fundobjekte, die 1939 übersehen worden sind, darunter hunderte kleinerer und größerer Bruchstücke aus Mammutelfenbein. Prof. Kind: „Schnell wurde uns klar, dass sie zum Löwenmenschen gehören müssen. Bei Arbeiten im Labor gelang es dann, einige dieser neuen Fragmente an die unvollständige Figur des Löwenmenschen wieder anzusetzen. Sie ergänzen teilweise die große Lücke an der rechten Körperhälfte. Hierbei zeigte es sich auch, dass die Statuette wohl um einige Zentimeter größer war. Mit diesem herausragenden Fund hat einer der wichtigsten archäologischen Belege für die älteste Kunst der Menschheit sein Aussehen verändert!“

Allerdings ist die Arbeit damit nicht beendet. Die Archäologen vom Landesamt für Denkmalpflege hoffen, die Statuette des Löwenmenschen noch weiter ergänzen zu können. Dazu muss zuerst einmal im Sommer dieses Jahres der restliche Abraum in der Höhle auf weitere Elfenbeinfragmente durchsucht werden. Dann wird im Jahr 2012 in den Werkstätten des Landesamtes eine erneute Restaurierung der Figur erfolgen. Diese Arbeit wird sehr zeitaufwändig und kompliziert sein, da hunderte von zum Teil sehr kleinen Bruchstücken in einem Puzzlespiel wieder zusammengesetzt werden müssen.

Abschließend betonten Dr. Wolf und Prof. Kind: „Es steht zu hoffen, dass am Ende dieser Arbeiten eine tatsächlich mehr oder weniger vollständige Statuette des Löwenmenschen stehen wird. Dann wird uns eines der geheimnisvollsten Kunstwerke aus Baden-Württemberg in seinem ursprünglichen Erscheinungsbild gegenüber treten.“