Räume für die Kunst: Wie Forschende das Kulturerbe behüten

Für den Schutz und die Pflege von Denkmälern verwenden die öffentlichen Haushalte in Deutschland pro Jahr rd. 500 Millionen Euro. Hinzu kommen die Ausgaben von etwa 1,9 Mrd. Euro für Museen und Sammlungen. Wie Geld für den Schutz und die Präsentation von Kulturgut angelegt ist, zeigen erfolgreiche Projekte aus den Reihen der Zuse-Gemeinschaft, die Forschungsergebnisse auf historische Räume ebenso wie auf neue Bauten oder auf Erdblöcke anwenden.

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Anastasia Bayer am großen CT-Gerät des fem in Schwäbisch-Gmünd. Bildquelle: fem

Ein spektakulärer Bau für Kunst und Kultur lässt sich ab September mit der Eröffnung des Humboldt Forums im wieder errichteten Stadtschloss in Berlin betreten. Damit weder Besucher noch Kunstschätze ins Schwitzen oder Frieren kommen, hat das Institut für Luft- und Kältetechnik (ILK) aus Dresden schon seit 2010 die Luftbewegungen im Schloss simuliert - damit aus Zuluft nicht Zugluft wird. Denn allein ins Veranstaltungszentrum des Forums, die Agora, schickt die Klimaanlage pro Stunde etwa 50.000 Kubikmeter Zuluft. Das ist auch nötig angesichts eines Frischluftbedarfs des Menschen von rd. 30 Kubikmeter pro Stunde und seines Verlusts an Flüssigkeit. Sei es Hochsommer oder tiefer Winter, ob unter der mächtigen Kuppel, auf Treppen oder an Fenstern: Die ILK-Experten wissen, wie die Luft ins Schloss kommen soll, ohne dort zu Wind zu werden. Damit der im Schloss geschaffene Platz zum Raum für die Kunst werden kann.

Pflanzlich gegerbte Leder für Prachtbauten aus dem Barock

In Wänden und Decken ruht die Kunst der Belüftung von Museen. An anderer Stelle sind die Wände selbst Kunstobjekt, so beim Tapetenschmuck. Das weiß man in Sachsen, wo das Schloss Moritzburg mit seinen wertvollen Goldledertapeten vom Reichtum des einstigen Königreichs im Barock erzählt. Das Leder für die Restauratoren stammt vom Forschungsinstitut Leder und Kunststoffbahnen (FILK). Abgeleitet aus den Merkmalen und Eigenschaften der historischen Ledertapeten erarbeiteten die Forschenden aus Freiberg eine Technologie zur Herstellung solcher Leder mit heute angewandten Gerbverfahren. Dabei werden die Leder rein pflanzlich gegerbt. Ihre Eigenschaften ähneln so weit wie möglich den traditionell hergestellten originalen Ledern der Ledertapeten, um den Ansprüchen der Restauratoren zu genügen. Als Rohware dienen regional beschaffte Kalbs- und Ziegenhäute. Die FILK-Technik für Goldledertapeten ist so erfolgreich, dass sie auch im Ausland Zuspruch findet. Das Norwegische Nationalmuseum für Kunst, Architektur und Design nutzt Leder vom FILK für ein großes Projekt zur Restaurierung von Goldledertapeten aus dem 17. Jahrhundert. Auf die Leder aus Sachsen setzen die Restauratoren in Oslo, weil sie deren Qualität und die FILK-Transparenz beim Gerben schätzen.

Der Geschichte auf der Spur

Bevor Museen zum Hort für Kulturschätze werden, sind häufig Restauratoren oder Archäologen am Werk. Am Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie (fem) in Schwäbisch Gmünd werden Relikte aus der Vergangenheit dafür mit modernster Technik durchleuchtet: Im 3D-Röntgen-Computertomographen werden dort ganze Erdblöcke mit bis zu 2 m Kantenlänge auf kostbare, verborgene Inhalte, z.B. aus frühmittelalterlichen Gräbern, untersucht. Das passiert dann, wenn den Archäologen vor Ort zu wenig Zeit bleibt, um das Gelände Schicht für Schicht abzutragen oder Befunde sehr komplex sind. »Mit unseren zwei Computertomographen können wir bis zu 16.000 Grauwertstufen darstellen, dadurch kommen selbst feinste Strukturen von Textilien und Leder zum Vorschein«, erklärt Anastasia Bayer vom fem. Die Auflösung des kleineren Geräts erreicht bis zu 500 Nanometer, das sind 500 Millionstel Millimeter. Beim größeren Gerät sind es vier Mikrometer, das entspricht vier Tausendstel Millimeter. Dank der technischen Ausstattung lassen sich schwierigste »Archäologie-Puzzle« lösen. Zahlreiche Bruchstücke des berühmten, aus der Stadel-Höhle am Hohlenstein im Lonetal auf der Schwäbischen Alb stammenden Löwenmenschen aus Mammutelfenbein fanden mit Unterstützung des Gmünder Tomographen ihren Platz an der bisher ältesten bekannten Tier- und Menschengestalt. »Mit dem CT konnten wir die konzentrischen Ringe des Mammutelfenbeins sichtbar machen und damit wichtige Informationen über die innere Struktur des Löwenmenschen gewinnen«, so Bayer. Die rund 40.000 Jahre alte Statuette ist im Ulmer Museum ausgestellt. Ob in Sachsen, Ulm, Oslo, Berlin oder anderen Orten und Ländern: Forschende der Zuse-Gemeinschaft gehören zu den Hütern von Kulturschätzen. Im Schloss Moritzburg hat Ende März unter dem Motto »Tapetenwechsel« eine Sonderausstellung zu den Goldledertapeten begonnen.