Konflikte vor 4.000 Jahren

Bereits in der Bronzezeit bauten die Menschen erstmals mit starken Mauern befestigte Siedlungen, um sich vor Angreifern zu schützen und Verkehrswege zu kontrollieren. Diese bronzezeitlichen Befestigungen sind bislang nur wenig erforscht. Das Frankfurter Schwerpunktprogramm »Prähistorische Konfliktforschung« soll die Forschungslücke in den nächsten drei Jahren schließen.

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Schlacht am Granikos

Erneut kann die Goethe-Universität Frankfurt sich über einen Erfolg in der hessischen Exzellenzinitiative LOEWE freuen: Wie am Montag bekannt wurde, hat sich der Schwerpunkt-Antrag »Prähistorische Konfliktforschung« unter Federführung von Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte, vor der externen Jury behaupten können. Die genehmigten Landesmittel in Höhe von rund 3,7 Millionen Euro für drei Jahre ermöglichen es, eine große Lücke in der archäologischen Erforschung Mitteleuropas zu schließen und Burgen der Bronzezeit zwischen Taunus und Karpaten mit einem interdisziplinären Ansatz zu untersuchen.

»Wir freuen uns sehr über den neuen LOEWE-Schwerpunkt in der Archäologie an unserer Universität«, sagte Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Goethe-Universität, nach Bekanntgabe der Ergebnisse. »Die Entscheidung ist eine weitere Bestätigung für die Forschungsstärke der Goethe-Universität auch in den Kultur- und Sozialwissenschaften«, so Schubert-Zsilavecz. Die Goethe-Universität hat mittlerweile bei sechs LOEWE-Zentren und neun LOEWE-Schwerpunkten die Federführung inne.

Römische Kastelle, mittelalterliche Burganlagen – sie sind allgemein bekannt und prägen zum Teil noch heute die europäischen Kulturlandschaften. Doch schon in der Bronzezeit bauten die Menschen seit der Wende vom 17. zum 16. Jahrhundert v. Chr. erstmals mit starken Mauern befestigte Siedlungen, um sich vor Angreifern zu schützen und Verkehrswege zu kontrollieren. Diese bronzezeitlichen Burgen sind bislang nur wenig erforscht. Dabei waren sie knapp zwei Jahrtausende lang ein prägendes Phänomen in Mitteleuropa.
Eine neue Sicht auf die Bronzezeit mache das Thema zudem virulent, erklärt Prof. Rüdiger Krause, der den Schwerpunkt leiten wird. Denn erst in jüngster Zeit sei der Themenkreis Kriege und Konflikte in jener vorgeschichtlichen Phase in den Blick der Forschung gerückt. Dass es durchaus kriegerische Auseinandersetzungen in größerem Umfang gab, ist nicht nur an der Existenz der Burganlagen erkennbar, sondern auch an der Entwicklung und Verbreitung neuer Waffen wie Hieb- und Stichschwertern sowie Schutzschilden. Längst spricht die Forschung nicht mehr vom »Helden der Bronzezeit«, dessen Bewaffnung und Rüstung vor allem repräsentative Zwecke hatte, sondern geht von Kriegergefolgschaften aus, die systematisch ihre Nachbarn überfielen und zuweilen auch größere Massaker verübten.

Im LOEWE-Schwerpunkt soll nun das Phänomen der bronzezeitlichen Burg auf eine neue empirische Grundlage gestellt werden: Moderne Prospektionsmethoden erlauben neue Einblicke in die Struktur der Anlagen, Grabungen können zielgenau geplant und durchgeführt werden. Im Fokus stehen dabei die sozialhistorische Perspektive auf gewaltsame Konflikte in der Bronzezeit und ein Vergleich mit den Verhältnissen im Mittelalter. Prof. Krause wird den neuen Schwerpunkt gemeinsam mit Prof. Svend Hansen, Leiter der Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Institut, koordinieren. Beteiligt sind u.a. auch der Frankfurter Soziologe Sighard Neckel, der Historiker Bernhard Jussen und der Geograph Heinrich Thiemeyer. Außeruniversitärer Partner ist die Römisch Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts in Frankfurt.

Die LOEWE-Förderung startete 2008 mit dem Ziel, Impulse für die Forschung zu setzen und Hessen als Forschungsstandort zu stärken. Gefördert wird vor allem die Zusammenarbeit von Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen, was den Universitäten Gelegenheit gibt, ihr Profil weiter zu schärfen. Zudem soll der Boden für die Ansiedlung weiterer, gemeinsam von Bund und Ländern finanzierter Forschungseinrichtungen bereitet werden. In der achten Förderstaffel werden drei neue Vorhaben für insgesamt 12 Millionen Euro gefördert, die Laufzeit beträgt drei Jahre. Außer den Archäologen an der Goethe Universität werden auch zwei Schwerpunkte an der TU Darmstadt gefördert.

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 gegründet mit rein privaten Mitteln von freiheitlich orientierten Frankfurter Bürgerinnen und Bürgern fühlt sie sich als Bürgeruniversität bis heute dem Motto »Wissenschaft für die Gesellschaft« in Forschung und Lehre verpflichtet. Viele der Frauen und Männer der ersten Stunde waren jüdische Stifter. In den letzten 100 Jahren hat die Goethe-Universität Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Chemie, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Heute ist sie eine der zehn drittmittelstärksten und drei größten Universitäten Deutschlands mit drei Exzellenzclustern in Medizin, Lebenswissenschaften sowie Geisteswissenschaften."