»Nordrhein-Westfalen spart an Archäologie und Baudenkmalpflege und vergeudet dennoch öffentliche Gelder«

… mit dieser aufrüttelnden Schlagzeile wandte sich die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF) am 26.11.2014 an die Öffentlichkeit. Ein Jahr nach der DGUF-Petition gegen die Mittelkürzungen in der Archäologie und der Baudenkmalpflege von Nordrhein-Westfalen (NRW) bilanzieren Frank Siegmund und Diane Scherzler die erreichten Effekte der Petition und der Renovierung des Denkmalschutzgesetzes wie folgt: »Nordrhein-Westfalen hat 2013 seinen langjährigen Sparkurs in der Archäologie und in der Baudenkmalpflege deutlich verschärft, trotz eines starken öffentlichen Bürgerprotests. Heute setzt das Land für den Erhalt seines kulturellen Erbes weniger Mittel ein als die meisten anderen Bundesländer und nur ein Drittel dessen, was in Europa üblich ist. Dennoch verzichtet das Land NRW infolge ungeschickter Gesetzesregelungen zu Gunsten von Investoren auf jährliche Einnahmen für die Archäologie in Millionenhöhe. Diese Kosten muss stattdessen die Allgemeinheit übernehmen. Das vergeudete Geld ist in Summe ein Mehrfaches dessen, was das Land selbst für die Archäologie einsetzt.«

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Übergabe der DGUF-Petition an den Düsseldorfer Landtag
Der DGUF-Vorstand (Rengert Elburg, Diane Scherzler, Frank Siegmund) bei der Übergabe der Petition am 25. 6. 2013 im Düsseldorfer Landtag an Carina Gödecke (2.v.r.), Präsidentin des Landtags von NRW, und Michael Groschek (3.v.r.), Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr. Foto: Sven Evertz.

In einem am 26. 11. in den Archäologischen Informationen veröffentlichten Aufsatz haben Frank Siegmund und Diane Scherzler die Lage der Archäologie und Baudenkmalpflege in NRW umfassend beleuchtet – gründlicher und in deutlicheren Worten als gemeinhin üblich. Die beiden Vorstandsmitglieder der DGUF hatten 2013 eine Petition mit 27.000 Unterzeichnern gegen die Mittelkürzungen beim Denkmalschutz in NRW durchgeführt und außerdem als Sachverständige die NRW-Landespolitik bei der Neufassung des Denkmalschutzgesetzes beraten. Ihr Fazit ein Jahr später: Trotz des 2013 erheblich verschärften Sparkurses »verschenkt« das Land NRW grundlos öffentliche Gelder von geschätzt acht bis zwölf Millionen Euro pro Jahr, v. a. an Investoren. Im Ergebnis führt das Bündel aus verknappten Geldmitteln und ungeschickten Gesetzesregelungen dazu, dass in NRW systematisch kulturelles Erbe für immer zerstört wird.

Dabei hatte der Gesetzgeber im Jahr 2013 gute Absichten, gerade die Archäologie zu stärken: Mit dem Mitte 2013 überarbeiteten Denkmalschutzgesetz wurde in NRW u. a. das so genannte Verursacherprinzip eingeführt. Danach müssen Investoren, die z. B. durch einen Kiesabbau, einen Gewerbepark oder den Straßenbau ein Bodendenkmal zerstören und dadurch eine Ausgrabung auslösen, die Kosten dafür tragen. Doch entgegen europäischer Standards zahlen die Verursacher in NRW faktisch nur einen Teil der Grabungskosten – der Rest geht zu Lasten der Steuerzahler. Zudem sind in NRW offenbar nicht alle vor dem Gesetz gleich: Im rheinischen Braunkohlerevier zahlt die RWE Power AG laut den Zahlen, die den Autoren vorliegen, nur 5 % dessen, was das Gesetz verlangt. Der erreichbare Zugewinn an Mitteln für die Archäologie wäre weitaus größer als der Umfang der 2013/14 diskutierten und auf weltweiten Protest gestoßenen Sparmaßnahmen an der öffentlichen Finanzierung der NRW-Archäologie.

Bei der Renovierung des Denkmalschutzgesetzes hat NRW außerdem als eines der letzten Bundesländer das Schatzregal eingeführt. Es bestimmt, dass bislang verborgenes, herrenloses Kulturgut mit seiner Auffindung in das Landeseigentum übergeht und damit der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Doch die im Sommer 2014 vom zuständigen Ministerium veröffentlichen Regelungen, wie das Schatzregal in die Praxis umzusetzen ist, konterkarieren seinen eigentlichen Sinn, nämlich dass die Fachämter von allen im Land gemachten Funde erfahren und sie registrieren. Vielmehr schafft die jetzt gewählte Regelung, das Schatzregal auf »Funde von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung« einzugrenzen, Verunsicherung gerade bei den ehrenamtlich für die Archäologie engagierten Bürgern, und sie öffnet mancherlei Schlupflöcher zum Missbrauch, z. B. durch Raubgräber. In der Konsequenz werden Fundmeldungen unterbleiben, der Öffentlichkeit und der Forschung entgeht dadurch wertvolles Wissen.

»Das Denkmalschutzgesetz ist gewiss gut gemeint, aber an wichtigen Stellen nicht konsequent durchdacht«, sagt Frank Siegmund. »Bürger und Investoren dürfen erwarten, dass gleiches Recht für alle gilt und dass sie z. B. vor einer Baumaßnahme genau wissen, was eventuelle archäologische Funde dabei für sie bedeuten. Die meisten gewerblichen Investoren müssen nicht mit dem Cent kalkulieren, ihnen sind Planbarkeit und transparente Regeln wichtiger.« Fachlich bessere Alternativen wären problemlos möglich, die für alle Partner verlässlicher sind, kein Geld kosten und zugleich das bürgerschaftlichen Engagement wertschätzen und stärken.

»Als Bürger von NRW verstehe ich gut, dass das Land sparen muss und daher auch in der Archäologie auf jeden Cent achtet«, sagt Frank Siegmund. »Umso irritierender ist es, dass in der Archäologie auf beträchtliche Einnahmen verzichtet wird. Wir zeigen auf, wie man trotz knapper öffentlicher Mittel das wertvolle kulturelle Erbe das Landes besser schützen kann – was ja wiederum auch für die Bürger und für den Tourismus sehr wichtig ist.« Die Autoren der Analyse haben heute gegenüber der Politik konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen. Die Archäologie in NRW ist weit unterfinanziert, im Bundesvergleich wie auch im Europavergleich. Nur in Spanien, Bosnien-Herzegowina, Rumänien und Polen wird noch weniger in Archäologie investiert als in NRW.

Publikation

Siegmund, F. & Scherzler, D. (2014). Archäologie und Baudenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 2014 - ein Jahr nach dem Ringen gegen Mittelkürzungen und für eine bessere gesetzliche Grundlage. Archäologische Informationen 37, 2014, 153-180: http://www.dguf.de/index.php?id=9

Das kulturelle Erbe in NRW erhalten, die Bürger stärker beteiligen und vorhandene Sparpotenziale nutzen - Empfehlungen an die Landespolitik (Kurzfassung des o.g. Artikels) als PDF-Download