Ein Desaster für den Kulturgutschutz. DGUF kommentiert Entwurf zum neuen Kulturgutschutzrecht

Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens hat die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF) eine Stellungnahme zum Entwurf des neuen Kulturgutschutzrechts abgegeben - mit einem sehr kritischen Urteil.

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Fast eine Gebrauchsanweisung zum Import von illegalen Kulturgütern

In ihrer Stellungnahme an Monika Grütters begrüßt die DGUF die politischen Zielsetzungen des Gesetzentwurfs. Wie die Archäologen und Juristen der DGUF herausarbeiten, sind viele der geplanten Bestimmungen an wichtigen Stellen ungenau und nicht zielführend. Manche Passagen lesen sich bei etwas Fantasie wie eine Gebrauchsanweisung zum Import von illegalen Kulturgütern (v.a. § 32 »Unrechtmäßige Einfuhr von Kulturgut« und § 42 »Sorgfaltspflichten beim gewerblichen Inverkehrbringen«). Mit gezielten, schwer gegenteilig nachweisbaren Falschangaben ließen sich illegale Stücke legalisieren. In Summe würden die Bestimmungen in Deutschland schwächer ausfallen als in vergleichbaren Staaten der EU, Deutschland bliebe somit ein bevorzugter Tummelplatz für den internationalen Antikenhandel, einen der finanzstärksten Märkte weltweit.

So kritisiert die DGUF beispielsweise die so genannten Stichtagsregelungen (§ 32 Abs. 1.a-b). Mit ihnen würden alle bereits vollzogenen illegalen Einfuhren von Kulturgut nach Deutschland vor diesen Stichtagen legalisiert, auch wenn sie aus Raubgrabungen stammen. Es wäre für Antikenhändler und Sammler ein Leichtes zu behaupten, die fraglichen Stücke seien vor diesen Stichtagen importiert worden. Diese Regelung führt das eigentliche Anliegen der Gesetzesnovelle, nämlich die Stärkung des Kulturgüterschutzes, ad absurdum. Der Staat nimmt sich selbst jede Möglichkeit, gegen Raubgräberei und Hehlerei effizient vorzugehen. Die DGUF empfiehlt daher dringlich die ersatzlose Streichung der Stichtagsregelungen.

Die Orientierung am Handelswert der Objekte ist ein Fehler

Das grundlegende Missverständnis des Gesetzgebers liegt darin, dass Antiken weiterhin als Wertgegenstände mit einem bemessbaren wirtschaftlichen Wert behandelt werden. Tatsächlich sind Kulturgüter – auch kommerziell geringwertige Stücke – wertvolle Objekte mit potenziell hoher historischer Aussagekraft, die uns helfen, die Vergangenheit besser zu verstehen. Daher ist jede Orientierung am Handelswert der Objekte ein grundlegender Fehler.

Aufgeweichtes Gesetz nach Lobbyarbeit des deutschen Kunst- und Antikenhandels

In der Begründung des Entwurfs ist zu lesen, das Gesetz solle auch der Stärkung des Kulturhandelsstandortes Deutschland dienen. Die DGUF fordert: Es sollte prioritär um den Kulturgüterschutz gehen - nicht um Partikularinteressen. Offenbar war die seit Juli 2015 auch in den Feuilletons nachzuvollziehende Lobbyarbeit des deutschen Kunst- und Antikenhandels erfolgreich, denn ein früherer Gesetzesentwurf vom Juni 2015 sah strengere Regelungen vor. Nicht überraschend fallen jetzt erste Stellungnahmen zum Gesetzentwurf von Seiten der Organisationen, die dem Kunst- und Antikenhandel nahestehen, positiv aus - und regen weitere Aufweichungen des Gesetzes an.

Auch der Deutsche Verband für Archäologie e. V. (DVA), der Dachverband archäologischer Vereinigungen in Deutschland, teilt die Sicht der DGUF. In seiner Stellungnahme an Monika Grütters moniert der Präsident des DVA, Prof. Dr. Hermann Parzinger, ebenfalls die zu geringen Sorgfaltspflichten beim Handel mit antikem Kulturgut.

Desaster für den Kulturgutschutz

Das Fazit der DGUF: Der Referentenentwurf wird seinen Zielsetzungen keineswegs gerecht. Vielmehr bewertet ihn die DGUF als ein Desaster für den Kulturgutschutz. Die unveränderte Inkraftsetzung des Entwurfs würde nach Überzeugung der DGUF das internationale Ansehen Deutschlands schädigen.

Weitere Informationen: Die vollständige Stellungnahme der DGUF

 

Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF)

Die DGUF ist mit mehr als 700 Mitgliedern die größte deutschlandweit auf dem Gebiet der Ur- und Frühgeschichte tätige Vereinigung, in der an Archäologie interessierte Bürger ebenso wie Wissenschaftler zusammengeschlossen sind.