Neue Methoden für alte Texte

Magische Texte des Alten Orients, Ägyptens und benachbarter Regionen stehen im Fokus einer neuen Kolleg-Forschungsgruppe an der Universität Würzburg. Die DFG stellt dafür in der ersten Phase rund 3,5 Millionen Euro zur Verfügung.

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Portrait eines jungen Mannes mit magischem Amulett
Ein junger Mann trägt auf diesem Mumienporträt aus dem kaiserzeitlichen Ägypten (150–200 n. Chr.) ein Amulett mit einem magischen Text an einer Halskette. (Bild: Getty Museum, Malibu)

Als Zettel in einem Amulett um den Hals getragen, als Beigabe ins Grab oder als Handbuch in einer Gelehrtenbibliothek: Magische Texte waren einst weit verbreitet. Ihre Anwender und Besitzer versprachen sich von ihnen unter anderem göttliche Hilfe bei der Partnersuche, Schutz vor Angreifern und Krankheiten oder Unterstützung auf dem Weg ins Jenseits.

»Solche Texte, die in der modernen Forschung als 'magisch' bezeichnet werden, sind in den schriftlichen Überlieferungen aller antiken Kulturen Westasiens und des östlichen Mittelmeerraums prominent vertreten und stellen eine wichtige Quelle für die Religions- und Ideengeschichte des Altertums dar«, sagt Daniel Schwemer.

Schwemer ist Inhaber des Lehrstuhls für Altorientalistik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU). Gemeinsam mit seinen Kollegen Daniel Kölligan, Inhaber des Lehrstuhls für Vergleichende Sprachwissenschaft, und Martin Andreas Stadler, Inhaber des Lehrstuhls für Ägyptologie, wird er in den kommenden Jahren solche magischen Texte genauer unter die Lupe nehmen.

Wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am 27. Juni 2023, bekannt gab, waren die drei Professoren mit ihrem Antrag auf Einrichtung einer Kolleg-Forschungsgruppe (KFG) erfolgreich. Unter der Überschrift »MagEIA – Magic between Entanglement, Interaction, and Analogy« können sie nun über einen Zeitraum von zunächst vier Jahren hinweg die magischen Texttraditionen des Alten Orients, Ägyptens und benachbarter Regionen erforschen. Die DFG finanziert das Projekt in der ersten Phase mit 3,5 Millionen Euro.

Blick über die Grenzen der Fachdisziplinen

Natürlich sind magische Texte auch in der Vergangenheit schon intensiv erforscht worden; die entsprechende Publikationsliste ist lang. »In übergreifenden Studien zur Geschichte der Magie in westlichen Kulturen werden heute neben der griechisch-römischen Welt stets die magischen Texte aus dem alten Ägypten und Mesopotamien als die frühesten Einflüsse auf die sich im spätantiken und nachantiken Europa entwickelnden Traditionen dargestellt«, erklärt Martin Stadler.

Nach Ansicht der drei Wissenschaftler spiegeln Tagungsbände und Handbücher zur Magie in den Kulturen des Altertums jedoch »in hohem Maße disziplinäre Grenzen« wider und gehen kaum auf kulturübergreifende Entsprechungen und Beziehungen ein. »Fragen nach den Verflechtungen, Wechselwirkungen und Analogien zwischen den verschiedenen Traditionen magischer Texte bleiben unerforscht, und die wechselseitigen Beziehungen bleiben weitgehend unverstanden«, sagt Daniel Kölligan.

Aus diesem Grund verfolgt das jetzt genehmigte Forschungsprojekt einen anderen Ansatz: MagEIA soll als Forum für die Verbindung von philologischer und komparatistischer Forschung zu antiken magischen Texttraditionen dienen und die nachhaltige Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Philologien sowie der Religionsgeschichte, Kulturanthropologie und Archäologie fördern.

Neue Methoden der Textanalyse

Dieser Ansatz spiegelt sich auch im Aufbau der Forschungsgruppe wider: Den Kern von MagEIA bilden die drei Wissenschaftler mit ihren Teams in der Ägyptologie, der Altorientalistik und der Vergleichenden Sprachwissenschaft. Unterstützt werden sie von weiteren Mitgliedern der JMU aus der Klassischen Philologie, der Alten Geschichte und den Bibelwissenschaften.

Um diesen Kern herum gruppieren sich als Fellows Gastwissenschaftler, die aus unterschiedlichsten Disziplinen stammen und sich auf die Magie in der Antike spezialisiert haben. Mit ihrer Arbeit sollen sie dazu beitragen, dass eine repräsentative Auswahl von Quellen in dem Forschungsprojekt Berücksichtigung findet. Darüber hinaus werden sie eine Vielzahl von Forschungsdesigns, Methoden, Datentypen und disziplinäre Perspektiven einbringen.

»Die Kolleg-Forschungsgruppe MagEIA wird Methoden der Textanalyse und Modelle des kulturübergreifenden Vergleichs entwickeln, die das Studium der Magie im Altertum auf eine neue Ebene heben«, sind sich die verantwortlichen Wissenschaftler sicher. Das Kolleg werde neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich in einem Gebiet vom östlichen Mittelmeerraum bis nach Zentralasien Texte – und damit Wissen – vor mehreren tausend Jahren verbreiten konnten.

Kolleg-Forschungsgruppen

Kolleg-Forschungsgruppen sind ein speziell auf geistes- und sozialwissenschaftliche Arbeitsformen zugeschnittenes Förderangebot der DFG. Sie ermöglichen ein Zusammenwirken besonders ausgewiesener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur Weiterentwicklung eines geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschungsthemas an einem Ort.Ihre wesentlichen Merkmale sind eine intensive eigene forschende Tätigkeit der verantwortlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie ein Fellow-Programm für Gäste aus dem In- und Ausland, die für eine Dauer von bis zu zwei Jahren eingeladen werden und über diese Zeit hinaus mit der Kolleg-Forschungsgruppe verbunden bleiben. Die Förderdauer beträgt bis zu acht Jahre.