Der Hafen von Athen war einst eine Insel

Bereits im 1. Jh. n. Chr. hatte der griechische Geograph Strabon vermutet, dass der athenische Hafen Piräus einst eine Insel gewesen sei. Damit lag der antike Gelehrte vollkommen richtig, wie französische und griechische Wissenschaftler herausgefunden haben.

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Entwicklung der Küstenlandschaft zwischen Athen und Piräus
Entwicklung der Küstenlandschaft zwischen Athen und Piräus seit dem siebten Jahrtausend v. Chr. Grafik von Julien Cavero CNRS / Université Lyon 2

Der felsige Hügel von Piräus liegt etwa sieben Kilometer südwestlich von Athen. In der Antike lagen dort drei Häfen der griechischen Kapitale. Während des fünften vorchristlichen Jahrhunderts war der strategisch wichtige Ort durch eine Straße mit Athen verbunden. Geschützt wurde der wichtige Verkehrsweg durch hohe Mauern zu beiden Seiten, genannt die »Langen Mauern«.

Heute ist an dieser Stelle trockenes Land und man würde nicht gleich vermuten, dass es vormals von Meerwasser bedeckt war. Als der griechische Geograph Strabon im 1. Jh. n. Chr. nach Athen reiste, ragte der weitläufige Hügel von Piräus aus einer sumpfigen Küstenebene. Möglicherweise brachten ihn diese Feuchtgebiete auf den Gedanken, dass Piräus einst eine Insel war. Auch besteht die Möglichkeit, dass er noch ältere Überlieferungen kannte. Strabon ist jedenfalls die älteste uns bisher bekannte Quelle zu diesem Thema.

Ein französisch-griechisches Forscherteam unter Leitung des Geoarchäologen Jean-Philippe Goiran von der Abteilung Archéorient - Environnements et Sociétés de l'Orient Ancien der Universität Lyon 2 ging jetzt erstmals Strabons Hypothese nach. Die Wissenschaftler trieben in der zwischen Piräus und Athen gelegenen Kifisos-Ebene Bohrlöcher über 20 m tief in den Untergrund, um Sedimentproben zu entnehmen und diese zu datieren und zu analysieren.

Bei ihren Untersuchungen konnten die Forscher in der landschaftlichen Entwicklung der Piräus-Region vier Hauptphasen unterscheiden. Während der ersten Phase (6.700 - 5.500 v.Chr.) lag der Meeresspiegel des Mittelmeers deutlich tiefer als heute. Der Hügel von Piräus war zu dieser wie auch heute mit dem Festland verbunden. Zwischen 4.800 und 3.400 v. Chr. stieg der Meeresspiegel an und Piräus wurde zu einer Insel. Ab 2.800 v. Chr. war der Meeresspiegel-Anstieg geringer. Gleichzeitig wurden von Flüssen große Mengen Sediment heran transportiert und in der Region abgelagert, wodurch die Kifisos-Ebene und eine Lagunenlandschaft entstand. Auch die Sedimente der letzten, um 500 v. Chr. beginnenden Hauptphase zeigen, dass sich zwischen Athen und Piräus eine Lagune befand. Zu der Zeit, als auf der Akropolis der Parthenon errichtet wurde, mussten die antiken Baumeister also auch die Niederungen auffüllen und trockenlegen, um die »Langen Mauern« errichten zu können.

Die Forschungsergebnisse wurden in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift »Geology« veröffentlicht: Piraeus, the ancient island of Athens : Evidence from Holocene sediments and historical archives. Jean-Philippe Goiran, Kosmas P. Pavlopoulos, Eric Fouache, Maria Triantaphyllou and Roland Etienne. Geology, June 2011

»Lange Mauern« aus: Baumeister: Denkmäler des klassischen Altertums.
»Lange Mauern« aus: Baumeister: Denkmäler des klassischen Altertums. 1885. Band I., Seite 209.