Gold aus Troia, Poliochni und Ur hatte denselben Ursprung

Neue Lasermethode ermöglicht Untersuchung von berühmten Schmuckstücken – Handelsbeziehungen in der frühen Bronzezeit reichten bis ins Industal

Das Gold in Objekten aus Troia, Poliochni - einer Siedlung auf der ungefähr 60 Kilometer vor Troia liegenden Insel Lemnos - und dem mesopotamischen Ur hat denselben geographischen Ursprung und wurde über große Distanzen gehandelt. Zu dieser Erkenntnis kommt ein internationales Forscherteam, das mit Hilfe einer innovativen mobilen Lasermethode erstmals Proben von berühmten frühbronzezeitlichen Schmuckstücken aus Troia und Poliochni analysiert hat.

Goldlagerstätten der Bronzezeit
Bekannte Goldlagerstätten in der Bronzezeit und Verbreitung eines auffälligen Ohrrings mit vier kleinen Spiralen. Abbildung aus Numrich et al. 2022; Karte: Ch. Schwall, M. Börner (ÖAI Wien)

Die Ergebnisse der von Ernst Pernicka, Wissenschaftlicher Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie an den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim und Leiter des Troia-Projekts an der Universität Tübingen, und Barbara Horejs, Direktorin der Österreichischen Archäologischen Instituts an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien, initiierten Studie wurden in der Fachzeitschrift Journal of Archaeological Science veröffentlicht. An dem internationalen Team waren Naturwissenschaftlerinnen und Archäologen vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie (CEZA), dem Österreichischen Archäologischen Institut in Wien (ÖAI) und des Nationalen Archäologischen Museums in Athen beteiligt.

Seit Heinrich Schliemann 1873 in Troia unter anderem den »Schatz des Priamos« gefunden hat, ist das Rätsel um die Herkunft des Goldes ungelöst. Professor Pernicka und das internationale Team konnten nun nachweisen, dass es aus sogenannten sekundären Lagerstätten wie Flüssen stammte und seine chemische Zusammensetzung einerseits identisch ist mit der von Goldobjekten aus der Siedlung Poliochni auf Lemnos und aus den Königsgräbern im mesopotamischen Ur, andererseits aber auch mit der von Objekten aus Georgien. »Es muss also Handelsbeziehungen zwischen diesen weit entfernten Regionen gegeben haben«, sagte Pernicka.

Die Untersuchung war durch einen tragbaren Laser (pLA) möglich geworden, der dem Team die minimalinvasive Entnahme von Probenmaterial aus Schmuckstücken im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ermöglichte. Die Halsketten, Anhänger, Ohr- und Halsringe des Museums sind so kostbar, dass sie weder in ein Labor transportiert, noch auf eine Weise untersucht werden dürfen, die sichtbare Schäden an den Objekten hinterlässt. Die bisher verfügbaren Methoden scheiterten an mindestens einem dieser Hindernisse. Der tragbare Laser dagegen schmilzt für eine Probeentnahme vor Ort im Museum ein so kleines Loch in die Stücke, dass es mit bloßem Auge nichts zu erkennen ist. Anschließend konnte Pernicka und sein Team im Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim die Proben mittels Massenspektrometrie auf ihre Zusammensetzung hin untersuchen. 

Historischer Goldschmuck enthält neben Gold immer auch andere Elemente wie Silber, Kupfer, Zinn, Palladium und Platin. Je nach Legierung können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein eindeutiges chemisches Profil von den Fundstücken erstellen und daraus Rückschlüsse ziehen. So sind die hohen Konzentrationen von Zinn, Palladium und Platin im Troia-Schmuck ein klarer Hinweis darauf, dass das dafür verarbeitete Gold in Form von Goldstaub aus einem Fluss gewaschen wurde. Die Forschenden konnten auch nachweisen, dass Werkstätten Schmuck in Serie produzierten und nicht nur als Einzelstücke. Anders sei beispielsweise der identische Anteil von Platin und Palladium in den Goldplättchen von Halsketten gleicher Machart, die aber an unterschiedlichen Orten gefunden wurden, nicht zu erklären.

Insgesamt untersuchte das Forscherteam 61 Artefakte, die alle aus der frühen Bronzezeit zwischen 2.500 und 2.000 v. Chr. stammen. In diesen Zeitraum gehört auch der berühmte »Schatz des Priamos«, den Schliemann fälschlicherweise dem mythischen König von Troia aus der Ilias zugeordnet hatte.

Auch über die Herkunft des Goldes aus den Königsgräbern von Ur war in der Fachwelt schon seit Jahrzehnten diskutiert worden. In Mesopotamien gibt es keine natürlichen Goldvorkommen – weshalb West-Anatolien, wo auch Troia lag, als mögliche Herkunftsregion vermutet worden ist. »Es kommen aber noch ganz andere Regionen in Betracht, in die rege Handelsbeziehungen mit Ur nachgewiesen sind«, so Pernicka. In der frühen Bronzezeit wurden in einem großen geographischen Raum von der Ägäis bis ins Industal im heutigen Pakistan auffallend ähnliche Gegenstände genutzt, wie die archäologischen Vergleichsstudien belegen: amtliche Siegel und standardisierte Gewichte, Ohrringe mit denselben Spiralmustern, Schmucksteine wie Lapislazuli oder der orange-weiß schimmernde Karneol. »Die neuen archäometrischen Daten eröffnen uns einen soliden und globalen Rahmen für unsere Modelle von Gesellschaften, ihren Netzwerken und die Bedeutung von Ressourcen vor rund 4500 Jahren«, so Horejs. 

Die genaue Herkunft des Troia-Goldes konnten die Forschenden allerdings noch nicht zweifelsfrei klären, sagt Pernicka: »Wenn wir den Anteil von Spurenelementen im Gold aus Troia, Poliochni und Ur betrachten, so zeigt bronzezeitliches Gold aus Georgien die größte Übereinstimmung mit den genannten Fundorten. Uns fehlen aber noch Daten und Untersuchungen aus anderen Regionen und von weiteren Objekten um diese Vermutung zu erhärten.«

Goldobjekte aus Troia
Halsketten (oben links), Ohrringe (oben rechts) und Broschen (unten) gehörten zu den insgesamt 61 Goldobjekten aus Troia, die von dem internationalen Forscherteam untersucht wurden. Abb.: J. Huber, Ch. Schwall (ÖAI Wien) und Born et al. 2009
Goldobjekte aus Poliochni auf Lemnos
Haarringe (oben links), eine Anstecknadel (links unten), Halsketten (Mitte) und ein Halsreif (unten rechts) gehörten zu den insgesamt 26 Goldobjekten aus Poliochni auf Lemnos, die von dem internationalen Forscherteam untersucht wurden. Abb.: Christoph Schwall / ÖAI Wien
Durch Laserstrahl bei Analyse erzeugtes Loch
Das Loch, das der Strahl des tragbaren Lasergeräts pLA in die Oberfläche der Goldstücke schmilzt, misst lediglich 120 Mikrometer Durchmesser und ist konisch geformt. Nur durch ein Elektronenmikroskop lässt sich der Schaden am Goldobjekt erkennen. Abb.: © Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH
Pernica und Numrich im Labor
Ernst Pernicka (r.) und Moritz Numrich bei der Arbeit am Laserablationsgerät im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Foto: J. Huber (ÖAI Wien)
Publikation

Moritz Numrich, Christoph Schwall, Nicole Lockhoff, Kostas Nikolentzos, Eleni Konstantinidi-Syvridi, Massimo Cultraro, Barbara Horejs, Ernst Pernicka

Portable laser ablation sheds light on Early Bronze Age gold treasures in the old world: New insights from Troy, Poliochni, and related finds

Journal of Archaeological Science. 29.11.2022
DOI: 10.1016/j.jas.2022.105694
https://www.sciencedirect.com/science/ar...

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