Kunstwerk galt über 100 Jahre als verschollen

Abguss einer antiken Grabstele: Spannender Depotfund im Keller der Universität Jena

Einen solchen Fund gibt es nicht alle Tage: Die Restauratorinnen Gina Grond und Elodie Rossel entdeckten bei ihren Konservierungsarbeiten jetzt einen Gipsabguss aus der Antikensammlung der Universität Jena, der 114 Jahre lang verschollen war. Das Fragment des Grabmals der Hegeso wurde 1904 durch den Kunsthistoriker und Archäologen Botho Graef aus dem Inventarbuch der Sammlung gestrichen: »im alten Schloss verfault, beim Umzug vernichtet, weil zerfallen«, notierte Graef handschriftlich. Ein Irrtum, wie sich nun herausgestellt hat.

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ehem. verschollener Gipsabguss
Gina Grond und Dr. Dennis Graen von der Universität Jena begutachten den Gipsabguss, der Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand und jetzt im Universitätshauptgebäude wiederentdeckt wurde. Foto: Jan-Peter Kasper/FSU

»Als wir einen Magazinraum ausräumten, fanden wir den Abguss versteckt hinter anderen Objekten«, sagt Gina Grond, die im Auftrag der Kustodie tätig ist. Das ca. einen Meter mal 80 Zentimeter große Objekt war in Baumwolltücher eingewickelt und stand an einer Wand. Erhalten ist der obere Teil des Abgusses. Er zeigt rechts die Hegeso und links eine Dienerin oder Sklavin. Das Original der Grabstele befindet sich im Archäologischen Nationalmuseum in Athen. Über den beiden Figuren steht in altgriechischer Schrift »Hegeso (Frau oder Tochter des) Proxenos«. Das Grabmal wurde im 5. Jahrhundert vor Christus angefertigt.

»Der Abguss wurde zwischen 1854 und 1899 erworben«, sagt Dr. Dennis Graen, der Kustos der Antikensammlung der Universität. In jener Zeit habe es regelmäßig Vorlesungen in den Rosensälen gegeben, mit deren Erlösen Stücke für die Sammlung finanziert wurden. Das Grabmal der Hegeso gehört zu jenen Stücken, die in vielen Sammlungen weltweit als Abguss nicht fehlen dürfen. Das Original wurde 1870 auf einem antiken Friedhof in Athen gefunden. Kunsthistoriker zählen das Grabmal als Meisterwerk, es wird dem Bildhauer und Bronzegießer Kallimachos zugeschrieben, der im 5. Jahrhundert vor Christus in Athen arbeitete. Dennis Graen hat das Werk nun wieder in den Bestand der Antikensammlung aufgenommen. Gut möglich, dass es ab Herbst im neuen Archäologischen Museum der Universität im Fürstengraben 25 seinen Platz finden wird.