Ein seltenes Pilgerzeichen zum Abschluss der Grabung

Seit 1995 erforschen die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) die Werburg in Spenge. In acht Grabungskampagnen war sie dabei stets für archäologische Überraschungen gut.

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Klein aber fein: Zum Abschluss der Ausgrabungen der LWL-Archäologie für Westfalen in der Spenger Werburg hält Dr. Werner Best ein seltenes und für Westfalen einmaliges Pilgerzeichen in den Händen. (Foto: LWL/Burgemeister)
Klein aber fein: Zum Abschluss der Ausgrabungen der LWL-Archäologie für Westfalen in der Spenger Werburg hält Dr. Werner Best ein seltenes und für Westfalen einmaliges Pilgerzeichen in den Händen. (Foto: LWL/Burgemeister)

Hier verbargen sich Armbrustbolzen und Kanonenkugeln in der umfangreichsten bisher entdeckten renaissancezeitlichen Munitionsansammlung Westfalens im Boden. Ein barockzeitliches Notizbuch, ein Signalhorn, fast 500 Jahre alte Holzfundamente: Die Werburg gab archäologische Kleinodien frei und ist dank zahlreicher Untersuchungen der LWL-Archäologen eine der besterforschten Kleinadelsburgen in Ostwestfalen. Zum Abschluss der Ausgrabungen hielt sie mit einem seltenen Pilgerabzeichen eine echte Überraschung bereit.

Auf den ersten Blick wirkt das kleine Metallstück unscheinbar. Es ist schon genaueres Hinsehen gefragt, um eine Hand zu erkennen, viele runde Objekte und einen gemauerten Brunnen. "Tatsächlich ist das, was in der Blei-Zinn-Legierung zu sehen ist, eine echte Rarität und einmalig für Westfalen. Es handelt sich um das Fragment eines Pilgerzeichens, von dem es bislang nur zwei bekannte Exemplare in Amsterdam und Niewlande gibt", beschreibt Dr. Werner Best von der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie die Besonderheit des Stückes. Als er und sein Grabungsteam die Rarität 2009 über dem Originalfußboden der Burg entdeckten, wusste noch niemand, was sich unter der verkrusteten Oberfläche verbarg. Erst jetzt gab das Objekt in den Restaurierungs-Laboren des LWL in Münster unter den Werkzeugen der Experten seinen wahren Wert frei.

Wenig scheint auf dem kleinen Fragment überhaupt zu erkennen zu sein. Dr. Best weiß es nach umfangreichen Recherchen besser: "Wir sehen hier eine Frau, die etwas aus einem Tuch in einen Brunnen kippt." Tatsächlich steckt hinter der unscheinbaren Szene eine filmreife Geschichte voller Dramatik. Alheyd Pustekoke hieß die Frau, die 1460 in der lippischen Stadt Blomberg für Aufsehen sorgte. Sie stahl 45 geweihte Hostien aus der Kirche und warf sie in den Brunnen. Der Gottesfrevel wurde mit der Höchststrafe geahndet. Als "Hexe von Blomberg" endete sie auf dem Scheiterhaufen. Nach ihrem Tod wurde der Brunnen wundertätig, eine Kirche entstand an Ort und Stelle und das während der Soester Fehde zerstörte Blomberg verwandelte sich in einen Wallfahrtsort für zahlungskräftige Pilger.

Ein solcher Pilger scheint sich auch auf der Werburg aufgehalten zu haben. Er hinterließ mit dem Pilgerzeichen unwissentlich einen Anhaltspunkt für die Datierung des Vorgängerbaus der Werburg, der also nicht vor 1460 überbaut worden sein kann. Ein weiterer Fund komplettiert den gelungenen Abschluss. "In der Füllschicht der ehemaligen Bastion tauchte ein Rüstungsteil auf", sagt Best. "Es handelt sich um einen Teil eines seltenen Harnisch, der aktuell ebenfalls restauriert wird."

Seit 1995 erforschte die LWL-Archäologie für Westfalen in acht Grabungskampagnen die Entstehung und Entwicklung der Werburg. Viele Geheimnisse haben die Grabungsteams der Anlage entlockt, die 1468 erstmals erwähnt wird. Dazu gehören Details über die frühesten Vorgänger der Wasserburg, von der heute noch das Herrenhaus und das Torhaus sowie ein Scheune und ein Schweinestall erhalten sind. Auch zur Befestigung der Anlage und zur Vorburg konnten die Ausgrabungen einige neue Erkenntnisse beisteuern. Mithilfe der entdeckten Holzpfähle sowie modernsten dendrochronologischen Untersuchungen ergänzten immer mehr Details das archäologische Puzzle, bis ein Gesamtbild der Baugeschichte entstand.

Die nüchternen Pläne ergänzten dabei immer wieder bemerkenswerte Funde, die jedes Archäologen-Herz höher schlagen lassen. So tauchten Reste von Lederschuhen ebenso an der Oberfläche auf wie holzgerahmte Schiefertafeln mit einem in ölhaltiger Tinte festgehaltenen Scherzspruch. Austernschalen und mundgeblasenes Glas, ebenso filigrane wie wertvolle Kacheln: Stück für Stück entstand unter den Schaufeln und Kellen der Archäologen ein Eindruck vom offenbar gut betuchten Lebensstil der Adligen, die es sich in der Renaissance und im Barock auf der Werburg gut gehen ließen.

Die Wasserburg behielt aber auch einige Geheimnisse für sich. So sind die rekordverdächtigen mehr als 1600 Armbrustbolzen und die 54 steinernen wie eisernen Kanonenkugeln ein Hinweis auf ein großes Munitionsdepot. Warum sich die Bewohner der Werburg allerdings derartig verteidigen mussten und vor allem gegen wen - das wissen wir nicht", resümiert Best.

Das Herrenhaus der Werburg wird jetzt, nach Beendigung der Ausgrabungen, von der Stadt Spenge restauriert. Geplant ist für die Zukunft die Einrichtung eines Museums, das vor allem für Kinder die spannende Geschichte der Burg vermittelt. Denn: "Die Werburg verkörpert einen wichtigen Teil der Spenger Stadtgeschichte. Durch die Ausgrabungen ist vieles davon auch für die Bürger greifbarer und erlebbarer geworden", betont Spenges Bürgermeister Bernd Dumcke.

Das Pilgerzeichen hat eine schaurige Hintergrundgeschichte. (Foto:LWL/Brentführer)
Das Pilgerzeichen hat eine schaurige Hintergrundgeschichte. (Foto:LWL/Brentführer)
Die Werburg machte mehrfach von sich Reden - auch weil hier eines der größten Munitionsdepots in Westfalen gefunden wurde. (Foto: LWL/Best)
Die Werburg machte mehrfach von sich Reden - auch weil hier eines der größten Munitionsdepots in Westfalen gefunden wurde. (Foto: LWL/Best)
Auch diese Stücke gab die Werburg frei: Fragmente polychromer Ofenkacheln aus dem 16. Jahrhunderts. (Foto: LWL/Brentführer)
Auch diese Stücke gab die Werburg frei: Fragmente polychromer Ofenkacheln aus dem 16. Jahrhunderts. (Foto: LWL/Brentführer)