DARIAH vernetzt die Geisteswissenschaften

Geistes- und Kulturwissenschaftler sollen sich künftig stärker vernetzen – über die digitale Forschungsinfrastruktur DARIAH. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert deren Aufbau mit 5,8 Millionen Euro, der Lehrstuhl für Computerphilologie der Universität Würzburg ist an dem Projekt maßgeblich beteiligt.

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Mit Methoden der Digital Humanities sichtbar gemachte Hügelgräber aus der jüngeren Bronzezeit (Lausitzer Kultur) unweit mehrerer Altarme der Schwarzen Elster bei Uebigau (Kreis Elbe-Elster). Mit Aerial-Laser-Scanning-Daten konnte erstmals die gesamte Ausdehnung des Gräberfeldes erfasst werden. (Bild: Armin Volkmann, interpoliert nach Daten der Landesvermessung und Geobasisinformationen Brandenburg)
Mit Methoden der Digital Humanities sichtbar gemachte Hügelgräber aus der jüngeren Bronzezeit (Lausitzer Kultur) unweit mehrerer Altarme der Schwarzen Elster bei Uebigau (Kreis Elbe-Elster). Mit Aerial-Laser-Scanning-Daten konnte erstmals die gesamte Ausdehnung des Gräberfeldes erfasst werden. (Bild: Armin Volkmann, interpoliert nach Daten der Landesvermessung und Geobasisinformationen Brandenburg)

Ein über die ganze Welt verstreutes Experten-Team arbeitet per Internet zeitgleich an einem gemeinsamen Projekt: Dieses Prinzip steckt hinter dem Online-Lexikon Wikipedia, und nach diesem Prinzip soll in drei Jahren auch DARIAH funktionieren, eine digitale Forschungsinfrastruktur für Geistes- und Kulturwissenschaftler.

DARIAH steht für "Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities". In Deutschland sind an dem europaweiten Projekt 17 Partner beteiligt. Dazu gehört auch ein Team vom Lehrstuhl für Computerphilologie der Universität Würzburg: der Literaturwissenschaftler Professor Fotis Jannidis, der Archäologe Armin Volkmann und der Romanist Christof Schöch.

Warum DARIAH sein muss? "Auch in den Geistes- und Kulturwissenschaften werden computergestützte Forschungsmethoden zunehmend komplexer", sagt Professor Jannidis. Darum sei es wichtig, die Forscher mit den neuesten Technologien und Methoden besser vertraut zu machen, ihnen Unterstützung anzubieten und neue Forschungsansätze zu eröffnen. Letzteres sei besonders dann zu realisieren, wenn die neuen Methoden fachübergreifend zum Einsatz kommen.

Armin Volkmann nennt als Beispiel ein Projekt, an dem er selbst mitgearbeitet hat: Archäologen, Historiker und Klimatologen aus Deutschland, Israel und den USA befassten sich mit dem Niedergang des Römischen Reichs im fünften Jahrhundert nach Christus. Bei ihrer Kooperation übers Internet fanden sie mit einer gemeinsamen Datenbank und einem web-basierten geographischen Informationssystem heraus: Genau in dieser Zeit gab es jahrzehntelange Klimakapriolen. Diese dürften – neben den bekannten politischen Ereignissen – wesentlich zur Krise des Reichs beigetragen haben. Denn Dürren, Überschwemmungen, Missernten und Nahrungsmangel können gesellschaftliche Umbrüche mitbestimmen.

Damit solche Forschungen künftig verstärkt möglich sind, entwickeln Professor Jannidis und sein Team im DARIAH-Verbund eine Infrastruktur im Internet. Bildlich gesagt: Sie bauen die Autobahn, auf der Geistes- und Kulturwissenschaftler auch ohne größeres technisches Vorwissen ihre Projekte fahren können. Weit verstreute Forschungsquellen – wie einzelne digitalisierte Handschriften, Manuskripte und Akten – lassen sich mit der Unterstützung von DARIAH in digitalen Umgebungen zusammenführen. "Das macht Forschungen möglich, die wegen der großen Quellenbasis auf einem guten Fundament stehen und fundierte Aussagen durch automatisierte Reihenvergleiche überhaupt erst zulassen", so das DARIAH-Team.

Anwendungsmöglichkeiten gibt es viele: Historiker, Philosophen und Literaturwissenschaftler können kollaborativ Texte edieren und mit digitalen Methoden auf Wortwahl, Sprachgebrauch und andere Kennzeichen untersuchen. Filme lassen sich damit ebenso analysieren wie Musikstücke oder Partituren. Für derartige Analysen werden im Projekt auch digitale Werkzeuge weiterentwickelt. Das ist nötig, um die teils sehr unterschiedlichen digitalen Quellen miteinander vergleichbar und damit wissenschaftlich auswertbar zu machen. Auch neue Werkzeuge für spezifische Analysen sollen geschaffen werden.

Zwei Beispiele: Es gibt Software, die Laserscandaten der Erdoberfläche in dreidimensionale Karten umsetzt. Auf dieser Basis lassen sich automatisierte Verfahren entwickeln, um auf der Karte Bodendenkmäler wie prähistorische Hügelgräber oder mittelalterliche Burgwälle aufzuspüren. Oder: Zunehmend verwenden online verfügbare Textarchive standardisierte, strukturierte Formate zur Textcodierung. Es mangelt jedoch aber noch an Werkzeugen für komplexe Abfragen, die der zielgerichteten Analyse dieser Textdaten dienen.

Das BMBF fördert die Arbeit an DARIAH für zunächst drei Jahre. In dieser Zeit werden die Würzburger Wissenschaftler zuerst den Bedarf analysieren: Welche Forschungsfragen sind in den Geistes- und Kulturwissenschaften aktuell oder im Kommen? Welche digitalen Forschungswerkzeuge gibt es schon, wo herrscht noch Bedarf? Welche fachwissenschaftlichen Anforderungen müssen digitale Werkzeuge und virtuelle Forschungsumgebungen erfüllen?

Zu den DARIAH-Projektpartnern gehören geistes- und kulturwissenschaftliche Forschungsinstitute an Universitäten sowie spezialisierte Rechenzentren und IT-Entwickler. In Würzburg wird der Teilbereich „Forschung und Lehre" koordiniert: „Wir freuen uns ganz besonders, die Methoden der Digital Humanities zu erweitern und in einem internationalen Kontext einem großen Forscherkreis zugänglich zu machen", unterstreicht Professor Jannidis.