Gießener Synagoge wiederentdeckt

Vor 85 Jahren wurde die 1867 errichtete Neue Synagoge inmitten des Gießener Stadtkerns von Nationalsozialisten und Sympathisanten in Brand gesteckt, die Überreste später gesprengt. Es war eines von vielen Verbrechen gegen die jüdische Bevölkerung Gießens während des Dritten Reiches. Nun wurden bei Ausgrabungen im Zuge der Erweiterung der Kongresshalle Teile der Fundamente der Synagoge freigelegt.

© Lars Görze M.A., LfDH

Ein Gedenkstein ließ schon lange vermuten, dass im Boden unter der Kongresshalle verborgenen Überresten der Synagoge zu finden sein könnten, doch die gute Erhaltung der Fundamente überraschte die Archäologen. Die Ausgrabungen vor der Kongresshalle wurden notwendig, nachdem das Gelände für eine Erweiterung der denkmalgeschützten Kongresshalle genutzt werden sollte. Ein Grabungsteam untersuchte daraufhin den Untergrund und legte Teile des mit Schutt verfüllten Fundamentes frei. Dieses war so gut erhalten, dass es sogar Rückschlüsse auf die Baugeschichte des Gebäudes und eine Erweiterung mit einer Heizanlage ermöglichte, welche bisher nur auf Basis von Unterlagen vermutet werden konnten. Während der Arbeit ergab sich rasch, dass nicht nur die Fundamente erstaunlich gut erhalten waren, es konnten sogar einige bedeutende Funde geborgen werden. Viel hatte das Feuer nicht überstanden, doch neben geschmolzenem Eisen konnten auch einige seltene Überreste von Gebetsbüchern mit hebräischen Schriftzeichen geborgen werden.

Zu Tage kamen in Gießen nicht nur einfache Fundamente, sondern die gemauerten Überreste eines wichtigen Teils der Stadtgeschichte. Wie mit diesem Befund zukünftig weiter umgegangen wird, ist noch nicht geklärt. Immerhin gilt es den nicht nur für die Stadtgeschichte und die jüdische Gemeinschaft wichtigen archäologischen Befund mit den Erweiterungsplänen der Kongresshalle und den Anforderungen einer denkmalgeschützten Anlage zusammenzubringen. Für den Gießener Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher war es wichtig, dass die Fundamente nicht nur erhalten werden, sondern für die Gießener Bevölkerung auch erlebbar bleiben. Auch die von der archäologischen Fachfirma AAB Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung angefertigte moderne 3D-Erfassung der Mauern könnte hierbei mit genutzt werden.

Bis es zu einer fertigen Planung kommen wird, wird jedoch noch einige Zeit vergehen. Obwohl die Arbeit der Archäologen vor Ort abgeschlossen ist, werden auch Dokumentation und Auswertung der Funde und Befunde noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

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