Den Künstlern auf der Spur – Archäologische Erforschung der Nok-Kultur

Noch bis zum 23. Februar 2014 zeigt die Liebieghaus Skulpturensammlung die viel beachtete Ausstellung »Nok – Ein Ursprung afrikanischer Skulptur«. Forscher des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität zeigen dort die Ergebnisse ihrer langjähriger archäologischer Forschungen, die der früheisenzeitlichen Nok-Kultur in dem westafrikanischen Land Nigeria gewidmet sind.

Nok-Skulptur
Nok-Skulptur Tier-Mensch-Mischwesen (Mensch und Vogel) Terrakotta, 1. Jahrtausend v. Chr. Goethe-Universität Frankfurt Foto: Stefan Rühl Fundstelle Pangwari in Nigeria, Ausgrabung 2013

Die Nok-Kultur ist nach einem kleinen Ort in Zentral-Nigeria benannt. In der Region wurden um die Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals Figuren von Menschen und Tieren aus gebranntem Ton (Terrakotten) zufällig beim Abbau von Zinn im Tagebau gefunden. Die kunstvollen, bis über einen Meter großen Skulpturen besitzen markante Kennzeichen. Dazu gehören dreieckige Augen mit eingestochener Iris, extravagante Haartrachten oder Kopfbedeckungen und eine reiche Ausstattung mit Schmuck (Halsketten, Arm- und Beinringe). In der Ausstellung der Liebieghaus stehen die Terrakotta-Figuren aus den Frankfurter Ausgrabungen im Mittelpunkt.
Zur wissenschaftlichen Bekanntheit als älteste Figuralkunst in Afrika südlich der Sahara verhalf den Funden der britische Archäologe Bernard Fagg. Er entdeckte auch, dass die Hersteller der Nok-Terrakotten das mithin früheste Eisen im subsaharischen Afrika produzierten. Ab den 1980er Jahren stagnierte die Erforschung der Nok-Kultur. Nok-Skulpturen tauchten auf dem internationalen Kunstmarkt auf. Sie stammten von Raubgrabungen, durch die Fundstellen systematisch zerstört wurden

2005 starteten die Frankfurter unter der Leitung von Prof. Peter Breunig zahlreichen Ausgrabungen, die das Wissen über die Nok-Kultur erheblich vermehrten. So konnte die Datierung präzisiert werden, wie Breunig berichtet: »Nach weit über 100 Radiokohlenstoff-Datierungen verkohlter pflanzlicher Reste aus Ausgrabungen dauerte die Nok-Kultur von etwa 1.500 v. Chr. bis zur Zeitenwende. Die Terrakotten treten nicht von Anfang an auf, sondern erscheinen erst im frühen 1. Jahrtausend v. Chr. Bis heute haben sie keine Parallelen im subsaharischen Afrika.« Aus dem Fundzusammenhang schließen die Archäologen, dass zumindest ein Teil der Plastiken Bestandteil komplexer Ritualpraktiken waren, die am ehesten mit Ahnenkult in Verbindung zu bringen sind.

Die Frankfurter Forschungen sind nicht auf die Tonfiguren beschränkt, sondern untersuchen die Nok-Kultur von möglichst vielen Seiten und betrachten sie in einem großen Zusammenhang. Dieser besteht aus der Entwicklung von kleinen Gruppen aus Jägern und Sammlern zu großen Gemeinschaften mit zunehmend komplexen Formen menschlichen Zusammenlebens. Ein solcher Wandel ereignete sich in den letzten 10.000 Jahren fast überall auf der Erde. Die Nok-Kultur verkörpert eine der afrikanischen Varianten. Dazu Breunig: »Sie gehört zu den in Westafrika ersten Gemeinschaften mit bäuerlicher Wirtschaft, unterscheidet sich von allen anderen aber durch die rätselhafte Verwendung der zahllosen Terrakotten.« Neben der Suche nach deren Zweck erforscht das Frankfurter Archäologen-Team die Siedlungs- und Wirtschaftsweise, die soziale Organisation sowie die Rolle, die das Aufkommen der Eisenmetallurgie als eine große technologische Umwälzung dabei spielte.

Die weit über 1.000 Jahre existierende Nok-Kultur war in einem Gebiet der fast fünffachen Größe Hessens verbreitet. Abgesehen von den Terrakotten, zerbrochenen Keramikgefäßen, einigen Steingeräten und den seltenen Spuren der Produktion und Verwendung von Eisen hat sie sonst kaum Spuren im Boden hinterlassen. »Einer so fragmentarisch erhaltenen Kultur Gestalt zu verleihen, erfordert die ganze Palette archäologischer Methodik – und vor allem Zeit. Aus dem Grund fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Frankfurter Projekt als Langfrist-Vorhaben für eine Dauer von zwölf Jahren«, ergänzt der Frankfurter Archäologe. Das Projekt findet in Kooperation mit der National Commission for Museums and Monuments, Abuja, Nigeria und den nigerianischen Universitäten in Jos und Zaria.

Die erste Hälfte der Zeit war der Chronologie der Nok-Kultur und der Struktur der Fundstellen gewidmet. Dazu wurde ein etwa 300 Quadratkilometer großes Kerngebiet exemplarisch untersucht. In den verbleibenden Jahren planen die Frankfurter Archäologen, ihre Ergebnisse mit dem, was sie in anderen Regionen des Verbreitungsgebietes der Nok-Kultur finden werden, zu vergleichen. Auf diese Weise entsteht ein Gesamtbild von der Nok-Kultur. »Die Ausstellung in der Liebieghaus Skulpturensammlung präsentiert somit keinen Abschluss der Forschungen, sondern eine allerdings jetzt schon profunde Zwischenbilanz«, so Breunig.

Ausstellung

30. Oktober 2013 bis 23. Februar 2014
Liebieghaus Skulpturensammlung
Schaumainkai 71
60596 Frankfurt am Main

Vortrag

Am Donnerstag (5. Dezember) berichtet Prof. Peter Breunig, der seit 20 Jahren mit seinem Team in Nigeria forscht, von den großen Fortschritten bei den Ausgrabungen der vergangenen Jahre, aber auch von den dafür notwendigen Methoden und speziellen Vorgehensweisen in der Archäologie. Sein öffentlicher Vortrag »Den Künstlern auf der Spur. Archäologische Erforschung der Nok-Kultur Nigerias« findet um 19 Uhr im Rahmen der Reihe »Liebieghaus Positionen« im Liebieghaus statt. Der Eintritt ist frei (Anmeldung erforderlich unter 069/650049-110; buchungen@liebieghaus.de)

Ausgrabung einer Nok-Skulptur
Ausgrabung einer Fundstelle der Nok-Kultur. Fundstelle Kurmin Uwa, Ausgrabung 2010 Goethe-Universität Frankfurt Foto: Goethe-Universität Frankfurt
Fragment einer Nok-Skulptur
Nok-Skulptur Fragment eines menschlichen Oberkörpers Terrakotta, 1. Jahrtausend v. Chr. Goethe-Universität Frankfurt Foto: Goethe-Universität Frankfurt Fundstelle Dogon Daji in Nigeria, Ausgrabung 2011
Raubgrabungsstelle
Begehung einer Raubgrabungsstelle. Die Raubgräber haben den Boden nach Nok-Skulpturen durchwühlt und die Löcher nicht wieder verfüllt. Daher sind solche Stellen noch Jahre später einfach zu finden. Foto: Goethe-Universität Frankfurt Foto: Goethe-Universität Frankfurt
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