Erforschung der Nok-Kultur geht in die dritte Runde

Das Wissenschaftler-Team des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Universität Frankfurt/Main, das seit 2005 die Nok-Kultur in Nigeria erforscht, kann seine erfolgreiche Arbeit fortsetzen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) wird das auf insgesamt 12 Jahre Laufzeit angelegte Forschungsprogramm weitere drei Jahre mit 1,6 Millionen Euro unterstützten. Ziel ist es mehr über die mit 2000 bis 3000 Jahren älteste Figuralkunst in Afrika südlich der Sahara sowie die Lebensumstände dieser Kultur zu erfahren.

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Terrakotta eines Mannes
Eine kleine Terrakotta eines Mannes, der auf der Stirn mit einer Applikation in Form einer Seemuschelschale verziert ist. Die Figur war auch auf den Plakaten zur Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus zu sehen. Ausgegraben 2012 auf der Fundstelle Pangwari. (© Peter Breunig)

Allerdings zwingen die politischen Unruhen in Nigeria die Forscher zu einer Änderung ihrer Pläne. Grund sind insbesondere die Anschläge der islamistischen Terrororganisation Boko Haram: "Das Sicherheitsrisiko für das Team ist zu groß, deshalb müssen wir die Feldarbeiten in Nigeria verschieben und der sich hoffentlich verbessernden Situation anpassen", so Prof. Dr. Peter Breunig. Der Frankfurter Archäologe bereist das westafrikanische Land seit 1989 regelmäßig.

In der Zwischenzeit planen die zehn Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die bisherigen Ausgrabungen und die vorliegenden Fundinventare von 79 Grabungsstellen auszuwerten und die Aufarbeitung, Publikation und Internet-Präsentation der bisher zusammengetragenen Daten vorzuziehen. Die Frankfurter Ergebnisse könnten vielleicht schon bald das einzige und nicht mehr erweiterbare Wissen über diese Kultur darstellen. Denn die Raubgräber, die seit Jahrzehnten in Nigeria aktiv sind, lassen sich von den politischen Unruhen wenig beeindrucken; ihr Geschäft geht weiter: "Die Skulpturen sind auf dem internationalen Kunstmarkt weiter sehr begehrt. Die Raubgräber zerstören auf der Suche nach diesen Schätzen systematisch eine Fundstelle nach der anderen", bedauert Breunig.

Neben den bis zu einem Meter großen, über 2000 Jahre alten Terrakotten, die bei vielen Grabungen gefunden werden, sind die Wissenschaftler auch auf andere Funde wie Keramikgefäße, Steingeräte, Eisenobjekte und pflanzliche Reste gestoßen, deren Auswertung ein umfassendes Bild der Nok-Kultur liefern wird. Dazu Breunig: "So lassen beispielsweise die Keramikgefäße, die sich in Form und Verzierung unterscheiden, Entwicklungsabschnitte erkennen, die eine Grundlage der Chronologie der Nok-Kultur bilden."

Ein eigener, von Prof. Dr. Katharina Neumann geleiteter Projektteil, widmet sich den pflanzlichen Resten, die sich regelmäßig in den Ausgrabungsflächen finden. Sie liefern Hinweise auf die Umwelt und die Wirtschaftsweise. Bereits jetzt ist erkennbar, dass die Nok-Kultur nur wenige Kulturpflanzen genutzt hat. "Von Anfang an waren Hirse und eine Bohnenart, außerdem verschiedene Wildfrüchte vertreten; erst nach dem Ende der Nok-Kultur kamen die Ölpalme sowie ein 'Fonio' genanntes Getreide hinzu", erläutert die Archäobotanikerin Neumann. "Unter Umständen war die konservative Haltung der Menschen, die sich in ihrem begrenzten Kulturpflanzenspektrum und in der standardisierten Herstellung der Terrakotta-Skulpturen ausdrückt, mit ein Grund für das Verschwinden der Nok-Kultur um 300 v. Chr."

Als übergeordnetes Thema betrachten die Archäologen die gesellschaftliche Entwicklung in der Nok-Kultur von kleinen Gruppen aus Jägern und Sammlern zu großen Gemeinschaften mit zunehmend komplexen Formen menschlichen Zusammenlebens. "Die Nok-Kultur mit ihrer rätselhaften Verwendung der zahllosen Terrakotten verkörpert ein vielversprechendes Beispiel dieser Entwicklung", ergänzt Breunig. Aus dem Fundzusammenhang schließen die Archäologen, dass zumindest ein Teil der Plastiken Bestandteil komplexer Ritualpraktiken waren, die am ehesten mit Ahnenkult in Verbindung zu bringen sind.

Das Frankfurter Archäologen-Team will noch mehr erfahren über die Siedlungs- und Wirtschaftsweise, die soziale Organisation sowie die Rolle, die das Aufkommen der Eisenmetallurgie als eine große technologische Umwälzung dabei spielte. Während in den ersten beiden Phasen der DFG-Förderung die Chronologie und Struktur der Fundstellen im Mittelpunkt standen, werden sich die Forscher in den kommenden drei Jahren den regionalen Differenzierungen im Verbreitungsgebiet der Nok-Kultur widmen, das fast die fünffache Größe Hessens umfasst. Auf dem Programm stehen u.a. exemplarische Untersuchungen einer großen Siedlungskammer, in der Fundstellen der Nok-Kultur zahlreich auftreten und Einblick in die Siedlungsgewohnheiten der damaligen Menschen versprechen, und von Plätzen zur Eisenverhüttung. Denn die Nok-Kultur liefert Hinweise auf das früheste Eisen im sub-saharischen Afrika, was weiter untermauert werden soll.

Finanziert wurde von der DFG auch die große erfolgreiche Skulpturenausstellung, die vom Oktober 2013 bis März 2014 in Kooperation mit dem Frankfurter Liebieghaus stattfand. Dort wurden über 100 Skulpturen und Fragmente der Nok-Kultur und eine Zusammenfassung bisheriger Forschungsergebnisse gezeigt. Sämtliche Objekte aus der Frankfurter Ausstellung wurden inzwischen wieder an die zuständige Bundesbehörde in Nigeria zurückgegeben, wo sie in einer Ausstellung in der Landeshauptstadt Kaduna gezeigt werden.

Depot von zerbrochenen Teilen von Terrakotten
Die Frankfurter Archäologen, im Bild Prof. Dr. Peter Breunig, entdeckten 2012 ein Depot von zerbrochenen Teilen von Terrakotten. Fundstelle Pangwari. (© Peter Breunig)