Zum Umgang mit dem slawischen Erbe im Friaul

Bisher bezogen sich die Ausführungen auf das Verhältnis von Italienern und Deutschen, was in den Ansätzen zur Forschungsgeschichte immerhin thematisiert wird. Keine Erwähnung findet die Beschäftigung mit den Material slawischer Provenienz im 36 Gemeinden umfassenden historischen Siedlungsgebiet des Val Canale/Kanalska Dolina, Val di Resia/Rezija mit dem oberen Val del Torre und den Valli del Natisono/Salvia der Provinzen Triest, Görz, Pordeone und Udine.

Durch die Umsetzung nationaler und nationalistischer Gedanken ab dem Ende des 19. Jh. besteht ein grundsätzliches Problem mit slawischer Kultur in Norditalien und die regionale Archäologie weist erhebliche Mängel auf. Die dualistische Scheidung der zuvor gemeinschaftlich lebenden Bevölkerung manifestierte sich erstmals mit antislawischen Maßnahmen nach der Angliederung von Triest, Gorizia/Görz, West-Krain und Istrien 1919 (Rapallo). Ein kurzer Exkurs zum Verhältnis von Slowenen und Italienern in der ersten Hälfte des 20. Jh. veranschaulicht, warum in Hinsicht auf slawisches Fundgut nicht viel passiert:

Als alliierte Hauptmacht des ersten Weltkrieges umging Italien einen Minderheitenschutz für die heute nur noch rund 40.000 Mitglieder zählende slowenische Gemeinde (ganz Friuli-Venzia Giulia ca. 80.000 - 1918 in Triest allein 350.000; AAA 1990, 73f), wie er den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns auferlegt wurde. Slowenen und Kroaten, aus bei Kriegsende jugoslawischen Gebieten, wurden 1919 aus dem Staatsdienst ausgewiesen und durch neu angesiedelte Süditaliener ersetzt. Ab 1922 wurde offen das Ziel der Entnationalisierung der Slawen verfolgt.

Nachdem Italien mit der Angliederung von habsburgisch-Venetien und der Slavia Veneta/Beneska Slovenija mit dem Val di Resia/Rezija 1866 einen Zuwachs an Slowenen im nordöstlichen Friaul verzeichnete, sahen italienische Nationalisten schon vor dem ersten Weltkrieg eine "slawische Gefahr" und warfen der habsburgischen Verwaltung vor, Slowenen zu bevorzugen. Grund der Hysterie war eine Modifizierung gesellschaftlicher Klassen am Vorabend des ersten Weltkrieges, denn ab Mitte des 19. Jh. gelang diesen teilweise ein sozialer Aufstieg vom Stand des ungebildeten Bauern und Hirten, dem bifoco, in die kleinbürgerliche und intellektuelle Schicht der Städte. Ein umfassenderer Zugang zu Bildung, mittelständischen Betrieben und Beamtentum wurde möglich.

Die anhaltende Zuwanderung von Bauern z.B. nach Triest schürte im italienischen Bürgertum die Angst vor einem neuen Proletariat. Als die Slowenen nach dem 1. Weltkrieg innerhalb der neu umrissenen Grenzen erstmals Selbstbestimmung erlangten, blieben die Regionen Gorizia und Gradisca, Triest und Istrien - slowenisch Rijeka, mit einem hohen slawischem Bevölkerungsanteil (Gorizia ca. 62%, Triest 30%) bei Italien. Trotz aller Bemühungen um eine Assimilierung und "Italienisierung", fehlender Literatur und Absetzung muttersprachlichen Unterrichtes, erhielten sich die Sprachtraditionen. Zu ethnischen und politischen Feinden wurden die slowenischen Arbeiter bereits vor dem Machtantritt Mussolinis, als sich im Friaul (Region Udine) angrenzenden Julisch-Venetien (Regionen Triest und Gorizia) die aus den rechtsradikalen Arditi rekrutierten Fasci etablierten.

Die Italienisierungs-Politik Mussolinis wurde vom Vatikan gestützt, der die Bischöfe von Triest und Capo d'Istria durch Italiener ersetzte und die Anweisung gab, weder Gottesdienste auf slowenisch zu halten, noch slawische Kirchenlieder zu dulden. Der bis dahin noch muttersprachlich abgehaltene Religionsunterricht entfiel, slawische Presse wurde verboten und in Triest wurden slowenische Bücher öffentlich verbrannt. Um alle slowenischen Wurzeln auszurotten, entzog man den Pfarreien die Standesregister und untersagte die Vergabe slawischer Taufnamen. Innerhalb dreier Jahre wurden Friedhöfe ebenso bereinigt, wie Ortsnamen italienisiert.

Mit der Aufteilung Sloweniens 1941 unter Italien, Deutschland und Österreich-Ungarn behielt man bereits benannte Repressalien gegenüber der slowenischen Bevölkerung bei (GATTERER 1968). Dagegen formierte sich eine gut organisierte Widerstandsbewegung, die in der Orjuna Unterstützung von außen erhielt oder lokale Kräfte mit der italienischen KP in der Protiimperialisticna fronta/Antiimperialistische Front und späteren Osvobilna fronta/Befreiungsfront bündelte (GAETTI & POIANA 1978, 141-164). Die Erinnerung an diese Zeit ist präsent, wird aber kaum öffentlich thematisiert und am liebsten dem Vergessen anheim gegeben.

Unter Archäologen scheint die Bearbeitung slawischer Funde im Zusammenhang mit Burgenarchäologie ungelegen, wobei die Chance, auf dieser Basis chronologische Hilfsmittel zu gewinnen, vergeben werden. Zweitrangig im Vergleich zum allenfalls ethnologischen Interesse an der slowenischen Bevölkerung ist die Wertung slawischen Fundmaterials als nicht weiter interessant. Diese Sicht zeigt sich auch bei einer Reihe bisher nicht untersuchter Befestigungsanlagen in unmittelbarer Nähe von Cucagna, oberhalb von Nimis bei Attimis.

Einige der Plateau- und Wallanlagen unterschiedlicher Form wurden erst in neuerer Zeit durch landwirtschaftliche Eingriffe zerstört (MIOTTI 1978/ULMER 1999, 113f). Die ohne erkennbares System dicht beieinander liegenden Anlagen werden als Fluchtburgen langobardischer Zeit oder älter angesehen, um eine Forschungslücke im Zusammenhang mit dem tractus italicus, dem langobardischen Limes zu schließen. Eine alternative Deutung als slawische Burgen wird nicht in Betracht gezogen. Nur archäologische Untersuchungen könnten die Entstehung dieser Befestigungen klären.

Zur Forschungsgeschichte zurückkehrend ist festzuhalten, dass lokale und überregionale Forschung sich weitestgehend der Beschäftigung mit dieser widersetzen und in Erinnerung koloniale Ansprüche des 19. Jh. fremdsprachige Publikationen weitestgehend ignorieren (GUIDI 2002, 354). Historische Untersuchungen betten das Phänomen Burgenbau wertfrei in das Umfeld ein. Das ist insofern lobenswert, da sie das Spektrum grundlegender Arbeiten zu Rechtsgeschichte, Morphologie, Entstehung und Verbreitung der Burgen (gerade der castra des Früh- und Hochmittelalters) und ihrer sozialgeschichtlichen Bedeutung nach 130 Jahren Forschung um Basismaterial ohne politische Konnotation erweitern. Standen früher Geschichte und Genealogie lokalen Kleinadels und die Beziehungen Burg/castrum und territorium castri im Zentrum der Untersuchungen, werden sie heute als Bestandteil und Indikatoren der Landschaftsentwicklung aufgefasst.

Zu Unteritalien, Latium, Toskana und dem Piemont liegen z.B. neuere Untersuchungen der Turiner Schule aus Sicht der Wirtschaftsgeschichte vor. Sie betonen weiterhin die Notwendigkeit einer Periodisierung der Entwicklung der Burg/des castrum und schließen mit Fragestellungen im Zusammenhang verlassener Burgställe und Wüstungen des Spätmittelalters an die Untersuchungen zur Genese der castra vom Ende des 19. Jh. an, die das aus benannten Gründen zunehmend geringer eingestufte spätrömische und langobardische Erbe beleuchteten (CHITTOLINI 2000, LexMA 2, 975-977).