Weltweit einzigartiger Fund bei Stade

Frühester archäologischer Nachweis für die Existenz einer sächsischen Elite in Niedersachsen

Die Goldmünze, auf die ein Sondengänger in Fredenbeck (Landkreis Stade) gestoßen war, ist ein ganz besonderes Stück - es handelt sich um eine Sonderprägung (multiplum) des Kaisers Constans, die 342/343 in Kroatien geprägt wurde. Das neun Gramm schwere Stück ist ein weltweites Unikat - es soll nun im Stader Museum Schwedenspeicher ausgestellt werden.

 

Goldmünze aus Fredenbeck
Diese in Fredenbeck gefundene Goldmünze, ein sog. Multiplum des Kaisers Constans aus dem 4. Jh. n.Chr. ist ein weltweites Unikat. Foto: Christina Kohnen

Bei einer neun Gramm schweren Goldmünze, die im Dezember 2017 im niedersächsischen Fredenbeck (Landkreis Stade) auf einem Acker gefunden und in der Zwischenzeit wissenschaftlich begutachtet und restauriert worden ist, handelt es sich um ein weltweites Unikat. Das so genannte Multiplum, eine »Sondermünze« mit dem Konterfei des römischen Kaisers Constans aus dem 4. Jahrhundert, soll jetzt im Stader Museum Schwedenspeicher dauerhaft ausgestellt werden. Der private Sondengänger Matthias Glüsing hatte im Bereich prähistorischer Grabhügel den sensationellen Fund gemacht. Er hatte mit Genehmigung der Kreisarchäologie systematisch Flächen in der Samtgemeinde Fredenbeck untersucht.
»Dank der Unterstützung durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, den Landschaftsverband Stade und den Landkreis Stade konnte das seltene Stück nun für die Dauerausstellung im Museum Schwedenspeicher angekauft werden«, so der Stader Landrat Michael Roesberg.

Das Gold des Kaisers

Bei der außergewöhnlichen Goldmünze handelt es sich um ein sogenanntes Multiplum des Kaisers Constans. Multipla sind besonders kostbare Prägungen gängiger römischer Münzen, die nur zu besonderen Anlässen herausgegeben und durch die römischen Kaiser im Rahmen feierlicher und besonderer Zeremonien an herausgehobene Persönlichkeiten überreicht wurden. Es handelte sich dabei um einen Kreis von Personen, auf deren Loyalität der Herrscher in besonderem Maße angewiesen war: höchste Würdenträger, Kommandanten der römischen Streitkräfte und kaiserliche Leibwächter. Sie bekamen für ihre Verdienste anlässlich der Inthronisation eines neuen Kaisers, eines Thronjubiläums, vor und nach Feldzügen oder anderer wichtiger Ereignisse ein Multiplum verliehen. Auch befreundete germanische Herrscher konnten mit den kaiserlichen Großmünzen ausgezeichnet werden.

Auf der Vorderseite der Münze ist die Büste des Kaisers Constans mit Diadem und Harnisch abgebildet. Constans wurde zwischen 320 und 323 geboren und im Februar 350 getötet. Er war der jüngste Sohn des Kaisers Konstantin des Großen. Nachdem sein Vater im Jahr 337 starb, herrschte er zusammen mit seinen Brüdern gemeinsam über das Römische Reich. Nach dem Sieg über seinen Bruder Konstantin II. im Jahre 340 fiel ihm der gesamte Westen des Reiches mit Britannien, Gallien und der iberischen Halbinsel als Herrschaftsgebiet zu. Die Münze wurde in den Jahren 342/343 in Siscia (heute Sisak/Kroatien) geprägt. Das neun Gramm schwere Multiplum ist ein weltweites Unikat – es existieren keine weiteren Parallelen.

Die außergewöhnliche Bedeutung

Goldmultipla wurden im Gebiet außerhalb der ehemaligen römischen Reichsgrenzen bislang nur äußerst selten gefunden. Sie waren im freien Germanien besondere Statussymbole, mit denen germanische Herrscher ihre Macht legitimierten. Häufig trugen die Fürsten ihre Multipla ordensähnlich und repräsentativ um den Hals.

»Fasst man die bisherigen Indizien zusammen, kann als ehemaliger Eigentümer ein Fürst oder König des sich in der Zeit herausbildenden sächsischen Großstammes vermutet werden. Es gibt gute Hinweise dafür, dass dieses herausgehobene Mitglied der sächsischen Elite das Multiplum als Geschenk des Kaisers für Heeresdienste oder eingehaltene Bündnisse verliehen bekommen hat«, erklärt der Stader Kreisarchäologe Daniel Nösler. Germanische Hilfstruppen sind in der Regierungszeit von Constans mehrfach überliefert. »Das Goldmultiplum ist somit aus einer schriftarmen Zeit der früheste archäologische Beleg für die Existenz einer sächsischen Elite in Niedersachsen«, so Nösler.

In den vergangenen Monaten war der Sensationsfund intensiv erforscht worden: Am Fundort wurde eine Ausgrabung durchgeführt und mit Metalldetektoren gesucht. Zusätzlich haben die Archäologen historische Karten und Luftbilder ausgewertet. »Es gibt bisher gute Indizien für die Annahme, dass die Goldmünze an einem besonderen Ort, der durch ein Kleinmoor, eine markante Grabhügelgruppe, einen uralten Weg und eine eindrucksvolle Anhöhe geprägt war, geopfert worden ist«, sagt Nösler.
Nach mehr als 1.600 Jahren wurde das außergewöhnliche Stück nun wiederentdeckt.

Landrat Michael Roesberg würdigt das Engagement der Förderer: »Durch den Ankauf, der durch die Ernst von Siemens Kunststiftung, den Landschaftsverband Stade und den Landkreis Stade ermöglicht werden konnte, kann das Multiplum im Stader Museum Schwedenspeicher der Öffentlichkeit dauerhaft präsentiert werden. Dadurch ist unsere Museumslandschaft um eine einmalige Attraktion reicher. Hierfür ist den Geldgebern, dem Finder und dem Grundstückseigentümer sehr zu danken.«

»Der Finder, die Denkmalpflege und die Museen Stade haben vorbildlich zusammengearbeitet. Eine Goldmünze von einzigartigem kulturellen Wert und Zeugnis der Verbindung des spätantiken römischen Kaisers Constans mit einem germanischen Herrscher kann so zukünftig nahe ihres Fundortes der Öffentlichkeit präsentiert werden. Gern hat die Ernst von Siemens Kunststiftung den Ankauf unterstützt«, freut sich Dr. Martin Hoernes, Generalsekretär der Ernst von Siemens Kunststiftung.

Begeistert ist natürlich auch Dr. Sebastian Möllers, Direktor der Museen Stade: »Das Multiplum ist ein wirkliches Highlight für unsere erst kürzlich neu eröffnete Dauerausstellung zur Ur- und Frühgeschichte im Elbe-Weser-Dreieck. Wir müssen zwar etwas umräumen, für so ein besonders Stück scheuen wir aber natürlich keine Mühen«.

Suche mit Metalldetektoren – rechtliche Situation in Niedersachsen

Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz sieht in § 12 vor, dass die gezielte Suche nach archäologischen Funden mit Metalldetektoren genehmigungspflichtig ist. Die Genehmigungspflicht gilt auch für Detektorgänger, die nicht ausdrücklich nach archäologischen Funden suchen, denn § 13 des Gesetzes sieht eine Genehmigungspflicht auch dann vor, wenn jemand an einer Stelle suchen will, von der er annehmen muss, dass sich dort archäologische Funde befinden. In Niedersachsen gibt es seit einigen Jahren ein Verfahren zur Qualifizierung von Sondengängern, das auf vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Archäologen und den Suchern abzielt. Bevor eine Suchgenehmigung erteilt werden kann, ist eine Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Archäologen notwendig. Danach ist ein kostenloser Qualifizierungskurs bei der Landesarchäologie zu absolvieren. Anschließend kann durch die Untere Denkmalschutzbehörde eine Suchgenehmigung für ein bestimmtes Areal erteilt werden.

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