Rettungsgrabung in Gebenstorf erweitert Kenntnisse zum Umland von Vindonissa
Auf der Parzelle zwischen Limmatstrasse und Vogelsangstraße wird seit Anfang Juni 2025 die vorgesehene Wohnüberbauung errichtet. Der geplante Bau einer Tiefgarage machte auf dem rund 4.000 Quadratmeter großen Areal vorgängig umfangreiche archäologische Untersuchungen notwendig. Bereits in den Jahren 2019 und 2020 wurde das Gelände unter Mitarbeit von Freiwilligen der Kantonsarchäologie sondiert und erste Mauerzüge von römischen Großbauten freigelegt. Die 14-monatige Großgrabung erbrachte nun neue Erkenntnisse zur möglichen Funktion des grossen Baukomplexes.
Um die Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. wurde das ursprünglich recht kupierte Baugelände mit großem Aufwand eingeebnet und ein erster 30 x 20 Meter messender Großbau in Holz-Lehmbauweise errichtet. Die zugehörigen Funde lassen darauf schließen, dass dieser erste Bau bereits die Funktion einer Lagerhalle hatte, in der Waren, transportiert über den Flussweg via die nahe Limmat, für das Legionslager in Vindonissa zwischenlagerten. Im Süden des Gebäudes wurde ein angebauter Raum mit Mörtelboden und vielfarbiger Wandmalerei freigelegt. Durch die außerordentlich guten Erhaltungsbedingungen konnten sowohl Teile der Stampflehmwände als auch der Wandmalerei in ihrem ursprünglichen Zustand dokumentiert und geborgen werden.
Gegen Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. wurde die frühe Lagerhalle abgerissen, um Platz für drei parallel errichtete steinerne Großbauten von über 35 Meter Länge und Breiten von 10 bis 15 Metern zu schaffen. Beim mittleren freigelegten Bau handelt es sich um einen Großbau mit sogenannter Kryptoportikus, einem halbunterirdischen Laufgang, der nach Süden in den Hang hineinführte. Die Steinbauten wurden als Teile eines Großprojekts geplant und wohl gleichzeitig errichtet. Obschon die Nutzungsschichten zu den Gebäuden fehlen, weisen deren Grundrisse, ihre Bauweise, ihre Datierung und das spezifische Fundspektrum auf eine Nutzung als Warenumschlagplatz in engem Bezug zum Legionslager Vindonissa hin.
Die Funde unterstreichen die enge Verbindung der Fundstelle mit dem Warenhandel. Auf Abfallhalden zwischen den steinernen Großbauten wurden mehrere Tonnen Scherben von Amphoren gefunden, den römischen Transportgefäßen für Waren aus Italien, Südfrankreich und Spanien. Diese wurden nach ihrer Nutzung hier entsorgt. Der Fund von drei Stein- und zehn Bleigewichten für römische Waagen sowie zahlreiche Schreibgriffel verdeutlichen den Bezug zu Handel und Verwaltung.
Die Funde und Befunde von Gebenstorf-Steinacher lassen darauf schliessen, dass die in Vindonissa stationierten Legionen während rund 50 Jahren grosse Umschlaglager für die eigene Versorgung errichtet und betrieben haben. Der Abzug der 11. Legion um 101 n. Chr. führte schließlich zur Aufgabe und kontrolliertem Abbruch der Gebäude bis auf die Fundamente. Der Platz südlich der Limmat wurde demnach bereits in römischer Zeit aufgegeben und geriet in den Jahrhunderten danach in Vergessenheit. Die Resultate der Ausgrabung eröffnen wichtige neue Erkenntnisse für das Legionslager Vindonissa und das römische Gebenstorf. In den kommenden Monaten erfolgt die Nachbearbeitung der Grabungsdokumentation, die einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge dieses grossen Baukomplexes bringen wird. Eine Filmdokumentation der Kantonsarchäologie über die 14 Monate dauernden Ausgrabungsarbeiten wird im Herbst erscheinen.









