Papyri in Deutschland weltweit finden

6. Deutscher Papyrologentag vom 30. Juli bis 1. August an der Universität Jena

Eine Heiratsurkunde aus dem Jahr 267 v. Chr. gehört zu den herausragenden Dokumenten der Papyrussammlung der Universität Jena, die über 2.000 Fragmente beinhaltet. Das Pikante dieses alten Dokuments: Es belegt die Geschwisterheirat zweier Griechen im alten Ägypten - und beweist, wie rasch sich die eingewanderten Griechen an der inzestuösen Pharaonen-Tradition orientierten.

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Doch die wenigsten dokumentarischen Papyri haben solche Aufsehen erregenden Inhalte. "Sie sind jedoch wichtig zur Durchdringung des Wirtschaftslebens, der Verwaltungsstrukturen und manchmal sogar des politischen Lebens", weiß Prof. Dr. Rainer Thiel von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der Lehrstuhlinhaber für Klassische Philologie/Gräzistik organisiert den 6. Deutschen Papyrologentag, der vom 30. Juli bis 1. August an der Friedrich-Schiller-Universität und damit zum ersten Mal in Jena stattfindet (Beginn: Donnerstag ab 17 Uhr im Senatssaal des Universitätshauptgebäudes). Zu dem alle drei Jahre stattfindenden Treffen, das die "Emil und Arthur Kießling-Stiftung für Papyrusforschung" fördert, werden rd. 50 Papyrusexperten aus Deutschland, Österreich, Italien und den USA erwartet. "Ich freue mich auf den Erfahrungsaustausch unter Kollegen", sagt Thiel "und darüber, dass Jena zu den Orten gehört, die die Papyrologie in Deutschland mit trägt".

Denn die Papyrologie gehört in Deutschland zu den Kleinen Fächern. Umso wichtiger sei es, dass "die Papyrologie international stark vernetzt ist". Möglich macht das - neben Tagungen und Forschungsaufenthalten bei Kollegen - die Digitalisierung der Papyri, die im letzten Jahr einen Höhepunkt feiern konnte: Im Oktober 2008 ist das Deutsche Papyrusportal offiziell eröffnet worden. Das Portal, das neben den dokumentarischen Papyri einen Schwerpunkt der Jenaer Tagung bilden wird, hat seine Wurzeln in einem Digitalisierungsprojekt des Universitätsverbundes Halle-Jena-Leipzig. 2002 begann in Jena das Scannen, Erschließen und Aufbereiten der Papyrussammlung in Zusammenarbeit von Altertumswissenschaftlern und der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB). Aus dem Pilotprojekt erwuchs "das Wissen um die wichtigsten Daten, die in eine zentrale Datenbank übertragen wurden", erläutert Thiel. Aus dieser Basis und verwandten Projekten erwuchs das Deutsche Papyrusportal, das die zentrale Oberfläche bildet, "von der aus in allen digitalisierten deutschen Sammlungen recherchiert werden kann", erläutert Thiel, der auf den Erfahrungsaustausch zu diesem modernen Werkzeug seines Fachs gespannt ist.

Auch auf den Vortrag von Holger Essler am Samstag (9.00 Uhr im Hörsaal 250 des Unihauptgebäudes) ist Thiel neugierig. Essler wird über "Die Verteilung der Ankäufe des Deutschen Papyruskartells" sprechen. Das Kartell hatte Anfang des 20. Jahrhunderts die Aufgabe, Papyri zentral anzukaufen und so einen Wettbewerb der Länder, der die Preise für die historischen Dokumente nach oben getrieben hätte, zu verhindern. Prof. Thiel interessiert sich nicht nur dafür, ob dieses Modell auch heute funktionieren könnte. Der Jenaer Altertumswissenschaftler möchte v. a. mehr über das System wissen, mit dem die angekauften Fragmente dann auf die Sammlungen verlost wurden: Denn zahlreiche Jenaer Dokumente gehen auf diese Verlosungen zurück - aber auch viele Lücken, die die wissenschaftliche Arbeit erschweren. Dank des neuen Papyrusportals können nun solche Lücken rascher und einfacher geschlossen werden. Denn noch, davon ist der Jenaer Experte überzeugt, bleiben viele Geschichten zu erzählen, wenn die Fragmente richtig zusammengefügt werden.