Kieler Wissenschaftlerinnen gewinnen Preis für ethno-archäologische Forschung

Während einer Ausgrabung in der sibirischen Taiga haben zwei Doktorandinnen des Exzellenzclusters ROOTS den Wissensaustausch mit der heutigen Jäger-Hirten-Gemeinschaft vor Ort erforscht. Dafür erhielten sie in Dublin einen Preis der Internationalen Gesellschaft für Jäger- und Sammlerforschung.

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Preisträgerinnen in Sibirien
Die beiden Doktorandinnen des Exzellenzclusters ROOTS, Morgan Windle und Tanja Schreiber (von links). Foto: © Oleg Kruglov

Archäologische Ausgrabungen wie die in Westsibirien zeigen, unter welchen Bedingungen Menschen früher gelebt haben. Aber welchen Einfluss können sie auf den Wissensaustausch und das soziale Lernen innerhalb einer heutigen Jäger-Hirten-Gemeinschaft in der sibirischen Taiga haben? Dieser Frage gehen Morgan Windle und Tanja Schreiber, Doktorandinnen im Exzellenzcluster ROOTS an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, nach. Für ihren Vortrag »Collaborative Archaeology and the Reciprocity of Knowledge Transmission within a Sel'kup Community in Western Siberia« wurden sie am 29. Juni während der 13th Conference on Hunting and Gathering Societies (CHAGS13) in Dublin mit dem Preis der Internationalen Gesellschaft für Jäger- und Sammlerforschung für die beste studentische Präsentation ausgezeichnet.

Wie wird Wissen weitergegeben?

Im Sommer 2021 hatten die beiden Forscherinnen an einer Expedition des Exzellenzclusters ROOTS zu den Sel«kupen, einer indigenen Gruppe in Westsibirien, teilgenommen. Als Teil eines umfassenderen ethnoarchäologischen Forschungsprogramms grub das Team die Überreste eines traditionellen Winterhauses der halbnomadisch lebenden Bevölkerung aus dem frühen 20. Jahrhundert aus.

Sowohl erwachsene Mitglieder der sel’kupischen Gemeinschaft aus dem nahe gelegenen Sommerlager als auch ihre Kinder hatten an den Ausgrabungen teilgenommen und den Wissenschaftlerinnen traditionelle Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt. Gleichzeitig hatte auch ein Wissenstransfer von den sel«kupischen Erwachsenen zu ihren Kindern stattgefunden.

Welche Bedeutung haben Ausgrabungen für die Traditionen?

Die beiden Doktorandinnen untersuchen am Beispiel der Ausgrabungen diese Art des Wissenstransfers zwischen Fachleuten und Mitgliedern der lokalen Gemeinschaft sowie zwischen den Generationen. Dabei gehen sie der Frage nach, ob diese aktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit das Bewusstsein der jüngeren Generation für ihre eigene Herkunft und den Wert ihres traditionellen Wissens und ihre Traditionen stärkt.

»Wir freuen uns sehr über diese Auszeichnung. Sie ist eine tolle Bestätigung unserer bisherigen Arbeit«, sagt Tanja Schreiber. Morgan Windle fügt hinzu: »Wir möchten uns an dieser Stelle beim wissenschaftlichen Komitee der Konferenz und der Preisjury bedanken, und schließlich beim gesamten CHAGS13-Organisationsteam.«

300 Fachleute treffen sich in Dublin

Die Arbeit von Morgan Windle und Tanja Schreiber ist ein Beitrag zu einem der sechs Schwerpunktthemen des Exzellenzclusters ROOTS, das sich mit der Frage beschäftigt, welches Wissen auf welche Weise, wo und wann in der Menschheitsgeschichte produziert und weitergegeben wird.

Die Expedition 2021 war Teil eines laufenden Projekts im Subcluster Dietary ROOTS, das von der Betreuerin der beiden Studentinnen, Prof. Henny Piezonka, in Zusammenarbeit mit den russischen Archäologen Aleksandr Kenig, Khanty-Mansiysk, und Dr. Andrei Novikov, Novosibirsk, sowie den sel'kupischen-Partnern geleitet wird.

Die CHAGS-Konferenzen wurden 1966 als größtes und bedeutendstes internationales Forum für den transdisziplinären Austausch über Jäger- und Sammlergesellschaften ins Leben gerufen. An der CHAGS13 in Dublin nahmen mehr als 300 Fachleute aus den Bereichen Anthropologie, Archäologie, Ethnologie und von Nichtregierungsorganisationen einschließlich indigene Interessenvertreterinnen und -vertreter teil.

Sel'kupisches Winterhaus
Das Forschungsteam grub unter anderem ein sel’kupisches Winterhaus aus, das vor ca. 100 Jahren in Gebrauch war. Foto: © A. Kimpitskaya