Frisch erforscht!

Das LWL-Museum für Archäologie in Herne ist um einen Ausstellungsbereich reicher: Die Vitrine „Frisch erforscht!“ präsentiert ab sofort aktuelle Forschungsergebnisse aus der westfälischen Archäologie.

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Die Vitrine „Frisch erforscht!" präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse aus der westfälischen Archäologie. (Foto: LWL/Stefan Kuhn)
Die Vitrine „Frisch erforscht!" präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse aus der westfälischen Archäologie. (Foto: LWL/Stefan Kuhn)

„Das Archäologie-Museum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) dient als Schaufenster der westfälischen Geschichte," erklärt Prof. Dr. Michael M. Rind, Chefarchäologe des LWL. „Ab sofort präsentieren wir neben den wichtigsten und schönsten archäologischen Funden und Fundkomplexen aus Westfalen auch ganz aktuelle Forschungsergebnisse. Wir möchten die Menschen in Westfalen auf diese Weise zeitnah an unseren Arbeitsergebnissen über die Geschichte der Region teilhaben lassen."

Durch die „Frisch erforscht!"-Vitrine erleben die Besucher hautnah die archäologische Forschung hinter den Kulissen mit. Sie können nachvollziehen, welche Arbeitsschritte ein Objekt durchlaufen hat, bevor es im Museum präsentiert wird. Das frisch Erforschte zeigt somit auch, dass Archäologie keine „staubtrockene" Wissenschaft ist. Denn sie fördert als einzige historische Wissenschaft täglich neue Quellen zutage. Diese stets wachsende Fundmenge kann mit immer ausgefeilteren Methoden untersucht werden. Mit modernen naturwissenschaftlichen Techniken können aber auch altbekannte Objekte neu analysiert werden und so ganz neue und weiterführende Erkenntnisse liefern.

Als erstes Projekt für die neue Vitrine hat das Museum die Knochen aus einem Töpferofen in Haltern am See neu untersuchen lassen. Der Ofen gehörte zu einem Töpferviertel, das Archäologen vor dem Römerlager in Haltern Anfang der 1990er Jahre entdeckt hatten. In großer Unordnung lagen in ihm die Skelette von 24 Menschen und einem Hund. Bisher hatte man nicht klären können, ob es sich bei den Toten um römische Besatzer oder um Germanen handelte.

Wissenschaftler in München stellten nun mit der so genannten Sauerstoff-Strontium-Isotopenanalyse an den Zähnen der Toten fest, dass man hier Germanen im Ofen verscharrt hatte. Die Analysen ergaben, dass sechs der Männer zwischen 20 und 50 Jahren sicher und zwei weitere wahrscheinlich aus der näheren Region stammten. Vier Personen dagegen waren von weit her nach Westfalen gekommen: Alle vier sind in derselben Region im Schwarzwald oder in Böhmen aufgewachsen. Dieses Ergebnis schafft Raum für Spekulationen: Waren doch mehr Germanenstämme in den Kampf gegen die römischen Besatzer eingebunden, als es die schriftliche Überlieferung beschreibt?

Die zeitliche Einordnung des Fundes ist nicht ganz sicher. Die Indizien deuten auf einen erfolglosen Überraschungsangriff von Germanen hin, deren Gefallene von den Römern anschließend hastig in den Ofen geworfen wurden. Dies wiederum weist auf eine Zeitstellung nach der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus hin. Denn keine Germanengruppe hätte zuvor die mit mehreren tausend römischen Berufssoldaten besetzte Militäranlage in Haltern am See angegriffen. Dies würde aber auch beweisen, dass das Halterner Lager auch nach der römischen Niederlage in der Varusschlacht mit einer römischen Rumpfbesatzung bestückt war.

Die Sauerstoff-Strontium-Isotopenanalyse macht sich die Tatsache zunutze, dass in Gesteinen verschiedene Isotope des Spurenelements Strontium vorkommen. Das Verhältnis dieser Isotopen zueinander hängt von der Art und dem Alter der Gesteine ab und variiert dadurch von Region zu Region. Aus dem Boden und dem Grundwasser wird das Strontium von Pflanzen aufgenommen. Über die Nahrungskette gelangt es dann in den menschlichen Organismus, wo es in Knochen und Zähne eingelagert wird. Weil sich der Zahnschmelz bis zum 4. Lebensjahr fertig ausbildet, bleibt das Isotopenverhältnis in ihm identisch mit dem der Region, in der ein Mensch seine ersten vier Lebensjahre verbracht hat.

Die Schädelkalotte und die Reste des Kiefers des ebenfalls im Töpferofen gefundenen Hundes. (Foto: LWL/Andreas Weisgerber)
Die Schädelkalotte und die Reste des Kiefers des ebenfalls im Töpferofen gefundenen Hundes. (Foto: LWL/Andreas Weisgerber)
Für die Strontium-Isotopenanalyse entnimmt man aus gut erhaltenen Zähnen mit einem Bohrer vorsichtig eine Probe. (Foto: C. Knipper)
Für die Strontium-Isotopenanalyse entnimmt man aus gut erhaltenen Zähnen mit einem Bohrer vorsichtig eine Probe. (Foto: C. Knipper)