Freilegung zahlreicher Gräber im Widdumhof

Im Zuge der archäologischen Begleitung der Umbau- und Sanierungsarbeiten durch die Fachaufsicht des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart in und um das Baudenkmal Widdumhof in Maichingen (Kr. Böblingen) sind zahlreiche Gräber entdeckt worden. Die Funde sind für die Siedlungsgeschichte von Maichingen von hoher Bedeutung und könnten Aufschlüsse über seine früheren Bewohnerinnen und Bewohner geben.

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Die Bestattungen liegen dicht an dicht im Gebäudeinnern
Die Bestattungen liegen dicht an dicht im Gebäudeinnern (Quelle: fodilus GmbH, Matthias Aust)

Bei den seit Mitte März laufenden archäologischen Untersuchungen wurde von der Grabungsfirma ein dicht belegtes Bestattungsareal innerhalb der Wohnhäuser entdeckt. Die Maßnahmen waren aufgrund der während des Umbaus durchgeführten Bodeneingriffe notwendig geworden, da in diesem geschichtsträchtigen Boden mit archäologischer Substanz gerechnet werden musste.

Bei der Entfernung der Fußböden fanden sich im Erdgeschoss aller drei Hausteile mehrere Grabgruben. Beim weiteren Freilegen zeigten sich bislang insgesamt 24 Bestattungen in der rund 150 Quadratmeter umfassenden Fläche. Die Gruben weisen teilweise eine Tiefe von nur wenigen Zentimetern auf, sodass die Skelette teilweise schon direkt unter dem Fußboden sichtbar wurden.

Die Bestattungen sind alle wie etwa in christlichem Kontext üblich mit dem Kopf nach Westen orientiert, also dem Blick nach Osten hin zur aufgehenden Sonne. Die Arme lagen gestreckt seitlich am Körper. Beigaben konnten in den Gräbern keine festgestellt werden. Die Skelette sind meist sehr gut erhalten. Es handelt sich sowohl um Männer als auch Frauen zwischen 20 und 50 Jahren, auch ein Kind im Alter von etwa zwölf Jahren war dort begraben. Auf Grund des sehr guten Erhaltungszustands könnten aus einer anthropologischen Auswertung spannende Ergebnisse über die frühere Bevölkerung von Maichingen gewonnen werden. So weist etwa ein Skelett, wahrscheinlich einer Frau, ungewöhnliche Abnutzungsspuren am Gebiss auf, deren Ursache näher untersucht werden wird. Die oberen Schneidezähne sind sehr stark abgenutzt, während die restlichen Zähne nur normale Abnutzungsspuren aufweisen.

Bereits im 19. und früheren 20. Jahrhundert waren einzelne Bestattungen im Bereich des Widdumhofs entdeckt worden. Diese fanden sich allerdings in größerer Tiefe und waren mit Beigaben versehen, was auf ein frühmittelalterliches Reihengräberfeld hindeutete. Die Datierung der nun viel dichter unter dem Boden überraschend entdeckten Gräber lässt sich im Moment nur grob beurteilen. Sie sind älter als das Gebäude von 1592 und wohl auch dessen Vorgänger, von dem Fundamente zu Tage kamen, da einige Gräber von diesen Mauern gestört werden. Eine einzelne Scherbe aus einer Grabverfüllung deutet auf die Zeit vom 7. bis 9. Jahrhundert hin. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie erst nachträglich dort hineingekommen ist.

Möglich ist, dass der Widdumhof auf einem bis jetzt unbekannten älteren Teil des rund um die Laurentiuskirche gelegenen Kirchhofs steht. Die Arbeiten im Gebäudeinneren werden bis Ende Mai fortgesetzt und im Anschluss im Außenbereich fortgeführt. Dabei sind weitere Bestattungen mindestens im nördlichen Teil nicht auszuschließen.

Schädel mit Gebissveränderung
Schädel mit Gebissveränderung (Quelle: fodilus GmbH, Doris Schuller)