Einblicke in die rituelle Vergangenheit eines alten Steinmonuments in Saudi-Arabien

Ein australisch-arabisches Forschungsteam führt umfangreiche Ausgrabungen an einem der mehr als 1.600 als Mustatils bekannten Monumente durch.

Eine umfassende Analyse einer archäologischen Stätte in Saudi-Arabien wirft ein neues Licht auf Mustatils - Steinmonumente aus dem späten Neolithikum, die vermutlich rituellen Zwecken dienten. Melissa Kennedy von der University of Western Australia in Perth und ihr Team stellen diese Ergebnisse in Zusammenarbeit mit der Royal Commission for AlUla nun in der Open-Access-Zeitschrift PLOS ONE vor.

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Haupt- und Nebenkammer
Räumliche Beziehungen zwischen der Haupt- und der Nebenkammer des untersuchten Mustatils. Bild: Kennedy et al., 2023, PLOS ONE, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Mustatils wurden vor etwa 7.000 Jahren errichtet und sind rechteckige, niedrigwandige Steinbauten, die zwischen 20 und 600 Meter lang sind. Forscher entdeckten sie erstmals in den 1970er Jahren, inzwischen sind mehr als 1.600 Mustatils vor allem im Norden Saudi-Arabiens gefunden worden.

Jüngste Ausgrabungen in der Stadt AlUla deuten darauf hin, dass Mustatils für rituelle Zwecke verwendet wurden, bei denen auch Tieropfer dargebracht wurden. Jetzt haben Kennedy und ihre Kollegen eine umfangreiche Ausgrabung in einem Mustatil 55 km östlich von AlUla durchgeführt. Dieses Mustatil ist 140 Meter lang und wurde aus lokalem Sandstein errichtet.

Bei ihrer Analyse identifizierten die Forscher 260 Fragmente von Tierschädeln und -hörnern, hauptsächlich von Hausrindern, aber auch von Hausziegen, Gazellen und kleinen Wiederkäuern. Fast alle Überreste waren um einen großen, aufrecht stehenden Stein gruppiert, der als Betyl interpretiert wird. Radiokarbondatierungen deuten darauf hin, dass der Betyl einer der ältesten Steine ist, die auf der Arabischen Halbinsel gefunden wurden, und die Knochen liefern einige der frühesten Belege für die Domestizierung von Rindern in Nordarabien.

Im Rahmen der Studie wurden auch Belege für mehrere Phasen von Opfergaben im Mustatil sowie die Bestattung eines erwachsenen Mannes gefunden, was darauf hindeutet, dass die Stätte wiederholt Ziel von Pilgerfahrten gewesen sein könnte.

Unter Berücksichtigung aller neuen Daten gehen die Forscher davon aus, dass ritueller Glaube und wirtschaftliche Faktoren für die Menschen des Neolithikums in Nordwestarabien enger miteinander verknüpft waren als bisher angenommen und dass sich diese Verbindung über ein großes geografisches Gebiet erstreckte.

Die Autoren fügen hinzu: »Die rituelle Deponierung von Tierhörnern und oberen Schädelteilen in Mustatil deutet auf eine tiefe Verflechtung von Glauben und wirtschaftlichen Lebensweisen im Spätneolithikum Nordarabiens hin. Die Einbeziehung dieser beiden Aspekte deutet auf eine tief verwurzelte ideologische Verflechtung hin, die über eine große geographische Distanz hinweg geteilt wurde und auf eine weitaus stärker vernetzte Landschaft und Kultur hinweist, als bisher für das Neolithikum in Nordwestarabien angenommen wurde«.

Architektonische Merkmale eines Mustatils
Die wichtigsten architektonischen Merkmale eines Mustatils. Bild: Kennedy et al., 2023, PLOS ONE, CC-BY 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)
Publikation

Melissa Kennedy et al.

Cult, herding, and ‘pilgrimage’ in the Late Neolithic of north-west Arabia: Excavations at a mustatil east of AlUla

PLoS ONE. 15.03.2022
DOI: 10.1371/journal.pone.0281904
https://journals.plos.org/plosone/articl...