Die Weschnitz als Lebensader seit dem Mittelalter

In einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten die Universitäten Heidelberg, Darmstadt und Mainz und die hessenARCHÄOLOGIE am Landesamt für Denkmalpflege Hessen an der historischen Wattenheimer Brücke über die Weschnitz ein gemeinsames Forschungsprojekt zur Geschichte der Umweltveränderung im Umfeld des Klosters Lorsch vor.

Nachrichten durchblättern
Wattenheimer Brücke über die Weschnitz
Die Wattenheimer Brücker über die Weschnitz. Foto © Prof. Dr. Olaf Bubenzer, Universität Heidelberg

Geschichte im Fluss

Schon lange bilden Flüsse und Seen wichtige Dreh- und Angelpunkte der Siedlungsgeschichte. Sie erschlossen wichtige Ressourcen, bildeten Handelswege, natürliche Grenzen und begehrten Lebensraum. Spätestens seit dem Mittelalter begann der Mensch in Mitteleuropa auch im Bereich der unzugänglichen Riede und Auwälder die Umwelt nach seinen Anforderungen und Vorstellungen zu formen. Das Ergebnis: eine menschgemachte Landschaft, eine »Anthroposphäre«. Nicht nur diese Umgestaltung natürlicher Flusslandschaften durch Kanalisierung, sondern auch die Zerstörung durch Trockenlegung und Umweltverschmutzung sind keine modernen Phänomene.

On the Way to the Fluvial Anthroposphere

Im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms 2361 »On the Way to the Fluvial Anthroposphere« werden die sozio-ökologischen Wechselwirkungen auf dem Weg zu diesen menschgemachten Flusslandschaften mit ihren komplexen Zusammenhängen und steuernden Akteuren vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit nun erfasst und datiert. Dies erfordert einen breiten interdisziplinären Ansatz und wird dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit 580.000 Euro unterstützt. 

Gemeinsam vor Ort

Eine Kooperation zwischen der hessenARCHÄOLOGIE, dem Institut für Geschichte der TU Darmstadt und den Geographischen Instituten der Universitäten Mainz und Heidelberg erforscht im Teilprojekt »The River Weschnitz Fluvioscape and its Interaction with the Lorsch Abbey« in den nächsten drei Jahren die Veränderungen des Flusses Weschnitz zwischen Weinheim und der Rheinmündung bei Biblis. Die Forschungen basieren auf archäologischen Befunden, historischen Schriften und Karten, sowie Untersuchungen mittels geomorphologischer Methoden wie der geophysikalischen Prospektion und der naturwissenschaftlichen Analyse der Weschnitzablagerungen, die als Archive der jahrhundertelangen Umweltveränderungen dienen. Diese interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen hessenARCHÄOLOGIE und Universitäten ermöglicht einen umfassenden Blick auf Forschungsschwerpunkte, der in Einzelarbeit nicht möglich wäre.

Wir arbeiten hier nicht in vier Projekten nebeneinander, sondern miteinander und nehmen dabei auch die lokalen Akteure mit.

Prof. Dr. Andreas Vött Lehrstuhl für Geomorphologie, Universität Mainz

Dass Fragestellungen zur lokalen Landesgeschichte auch in der Region Widerhall finden, bestätigte Helmut Glanzner, Bürgermeister der Gemeinde Einhausen. Schon immer prägte der Fluss die Geschichte der Gemeinde, entsprechend groß sei das Interesse an seiner Entwicklung.

Schwerpunkt Kloster Lorsch

Ein regionaler Schwerpunkt der Arbeiten liegt um das Kloster Lorsch als mittelalterlicher sozioökonomischer Brennpunkt. Hier lenkten frühe ingenieurtechnische Eingriffe mit der Weschnitz sogar einen ganzen Fluss zum Rhein um und veränderten damit das angrenzende Ried bis nach Weinheim ökologisch massiv. Weitere Aspekte sind die mittelalterliche Schifffahrt und deren Nutzungskonflikte mit dem Mühlenwesen, das temporäre Phänomen des »Lorscher Sees«, Hochwasserereignisse und -schutzmaßnahmen sowie die Auswirkungen des Odenwälder Bergbaus und der Gerberei auf die Ökologie der Landschaft.

Mensch und Umwelt

Ziel des Vorhabens ist, nicht zuletzt im Hinblick auf eine nachhaltige zukünftige Nutzung, die historische Dynamik sowie den Einfluss des Menschen sowie klimatischer und hydrologischer Parameter auf die Vulnerabilität und Resilienz dieser sozio-natürlichen Flusslandschaft mit Hilfe eines interdisziplinären Multi-Methodenansatzes zu erfassen und zu erklären. Zuvor haben die Wissenschaftler jedoch mehrere Jahre intensiver und vor allem gemeinsamer Forschung vor sich.