Antike Auswanderer

Altertumswissenschaftler der Universität Jena erforschen die Spuren der Sabäer in Äthiopien

Wie zwei Ufos stehen die beiden Monumentalbauten im Hochland des Nordens von Äthiopien: der Tempel von Yeha und der etwa 200 Meter von ihm entfernte Grat Be«al Gebri. Während die Originalmauern des Kultbaus für den sabäischen Gott Almaqah fast 15 Meter in den Himmel ragen, reichen die Wände des Verwaltungsgebäudes sogar 27 Meter in die Höhe. So eindrucksvoll die beiden Bauwerke sind, so rätselhaft ist ihre Geschichte. Und dieser gehen Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena in den kommenden zwölf Jahren auf den Grund.

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Prof. Nebes
Prof. Dr. Norbert Nebes von der Universität Jena vor einem Bild des Tempels des sabäischen Hauptgottes Almaqah in Yeha (Äthiopien). Foto: Anne Günther/FSU

Gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut (DAI) erforschen sie bereits seit 2008 die Stätte im äthiopischen Hochland von Tigray. Jetzt unterstützt die Deutsche Forschungsgemeinschaft das Projekt als Langfristvorhaben allein in den kommenden drei Jahren mit über einer Million Euro – fast 300.000 Euro davon gehen nach Jena – und ermöglicht so umfangreiche Forschungen. Beispielsweise können mit der Finanzierung zwei Doktoranden auf diesem Gebiet arbeiten.

»Wir wissen, dass die beiden Gebäude von den Sabäern errichtet wurden«, sagt Prof. Dr. Norbert Nebes von der Universität Jena, der gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Iris Gerlach vom DAI das Projekt leitet. »Einige Vertreter dieses Volkes siedelten bereits 800 v. Chr. vom Gebiet des heutigen Jemen nach Äthiopien über – wahrscheinlich um näher an den Quellen beliebter Handelsgüter wie Weihrauch, Gold und Elfenbein zu sein.« Die Bauherren bewegten erhebliche Lasten, denn die massiven Steinblöcke, aus denen der Tempel für den sabäischen Hauptgott besteht, stammen aus einem etwa 100 Kilometer entfernten Steinbruch.

Wie sich etwa die Beziehungen zwischen der Heimat der Sabäer und den afrikanischen Niederlassungen gestaltete, ist nicht klar. Nebes, dessen Lehrstuhl wohl ohne Übertreibung als universitäres Zentrum der deutschen Sabäer-Forschung bezeichnet werden kann, wird im Rahmen des neuen Projektes die in Afrika gefundenen sabäischen Inschriften näher untersuchen. Davon gibt es bisher insgesamt etwa 200. »Auffällig ist, dass uns die sabäischen Schriftzeugnisse aus Äthiopien einige Informationen über die Beziehungen zum Mutterland liefern – so wissen wir etwa, dass die Steinmetze der Gebäude in Yeha aus der sabäischen Hauptstadt Marib kommen. Auf der anderen Seite besitzen wir keine Dokumente aus Südarabien, die über die Auswanderer in Äthiopien berichten«, sagt der Jenaer Epigraphiker.

Über die Beziehungen zwischen den Sabäern in Äthiopien und der Arabischen Halbinsel hinaus wollen die Altertumswissenschaftler außerdem erkunden, wie sich das Zusammenleben zwischen den Übersiedlern und der einheimischen Bevölkerung gestaltete. »Anhand der Inschriften können wir bisher zumindest gut erkennen, dass es einen Kulturaustausch gegeben hat«, erklärt Norbert Nebes. »So nennen die sabäischen Einwanderer beispielsweise in ihren Königstitulaturen immer die matrilineare, also die von der Mutter ausgehende Abstammung, was in Arabien nicht gebräuchlich war.« Im Rahmen des neuen Projektes wollen die Altertumswissenschaftler auch ethnohistorische Forschungen durchführen und mündliche Überlieferungen von der jetzt dort lebenden Bevölkerung sammeln. So könnten etwa in Namen noch Spuren des Südarabischen erhalten geblieben sein.

Vielleicht finden die Forscher so auch Antworten auf die Frage, wie die sabäische Besiedlung in der Region endete. »In der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. verschwinden die äthio-sabäischen Könige in Tigray schlagartig von der Bildfläche«, erzählt Nebes. »Warum, wissen wir nicht genau. Vermutlich hängt diese Entwicklung damit zusammen, dass die Sabäer in dieser Zeit auch in Südarabien ihre Vorherrschaft verlieren und auf ihre Kerngebiete zurückgedrängt werden.« Etwa 500 Jahre nach dem Verschwinden der Sabäer übernimmt das Aksumitische Reich in der Region die Vormachtstellung. Was in der Zwischenzeit passierte, gilt es ebenfalls noch herauszufinden.