Irrtümern und Fälschungen auf der Spur

Ausstellungsvorbereitungen rollen westfälischen Fall neu auf

Ein Skelett des sagenhaften Einhorns, das tatsächlich aus Bären- und Mammutknochen zusammengesetzt wurde, eine fränkische Krone, bei der es sich in Wahrheit um die Beschläge eines Eimers handelt: Dreiste Betrüger hatten angebliche Sensationsfunde manipuliert, denn Irrtümer und Fälschungen machen auch vor der Archäologie nicht Halt.

Der Finder Paul Bazynski mit der vermeintlichen archäologischen »Sensation«, dokumentiert 1980 von der Hertener Zeitung. Foto: Hertener Allgemeine/Peter Rudolph

Deshalb wird das LWL-Museum für Archäologie in Herne im Jahr 2017 auch eine Sonderausstellung mit Exponaten von nationaler wie internationaler Bedeutung zu genau diesem Thema eröffnen. Die Vorbereitungen dazu rollen auch einen Fall neu auf, der in Westfalen für kurze Zeit die Fachwelt in eine trügerische Begeisterung versetzte. Die Episode, die 2017 in den Herner Ausstellungsvitrinen präsentiert wird, hat sich unweit des heutigen Museums ereignet. In Herten (Kreis Recklinghausen) vermuteten die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) vor über 30 Jahren an einer Gartenmauer eine Sensation, hinter der eine ganz banale Wahrheit steckte - beziehungsweise eine pfiffige Marketingidee.

Im April 1980 entdeckte Paul Blasynskieine kleine Schutthalde hinter seiner Gartenmauer in Herten. Bei genauer Untersuchung zeigte sich: Es handelte sich um Feuersteine, darunter offenbar auch bearbeitete Werkzeuge und Waffen. Der hinzugezogene Stadtarchivar Friedhelm Glinka war sich sicher: Hier wurden Flintwerkzeuge und -waffen aus der Mittelsteinzeit entsorgt. Sicherheitshalber präsentierten die Finder den Experten vom LWL in Münster den vermeintlich spektakulären Fund. Die örtliche Presse berichtete über die »Sensation«. Denn auch die Archäologen waren überzeugt, dass hier Zeugnisse aus der späten Alt- bzw. Mittelsteinzeit auf einem Haufen lagen. Mehr noch: Die Objekte stammten ihrer Einschätzung nach sogar aus Belgien oder Nordfrankreich.
Kurze Zeit später die enttäuschende Wahrheit: Die in Herten ansässige Fleischwarenfirma Herta war inzwischen ebenfalls auf die Sensationsmeldung aufmerksam geworden und klärte auf: Das Unternehmen hatte die Feuersteine in einem belgischen Steinbruch geordert, um sie als historisch anmutende Steinzeitmesser Präsentkoffern mit Fleischerutensilien beizulegen. Die übrig gebliebenen »Abfälle« wurden auf dem Firmengelände unweit der Gartenmauer entsorgt.

Zumindest bei der Herkunftsbestimmung lagen die Archäologen aus Münster also richtig - nur die Datierung lag ein paar tausend Jahre daneben. Ob sich womöglich tatsächlich einige »echte« Flintwerkzeuge aus der Steinzeit in der Lieferung an die Firma Herta verbargen, bleibt vorläufig ein Rätsel.

Die Ausstellung über Irrtümer und Fälschungen der Archäologie im Museum in Herne wird zeigen: Auch renommierte Wissenschaftler und Forscherinnen waren und sind vor Fehleinschätzungen nicht gefeit. Selbst modernste Forschungsmethoden bewahren nicht vor Irrtümern. Gerade dort, wo interpretiert werden muss, weil die Quellen und Fakten lückenhaft sind, laufen Forschungen häufig in die Irre.

Die geplante Ausstellung bietet die Gelegenheit, populäre aber überholte Vorstellungen zu vergangenen Epochen und ihren Artefakten zu revidieren, spektakuläre Betrugsfälle aufzurollen sowie Arbeitsmethoden in den Blick zu rücken. Es geht um Erkenntnisfortschritt - und die Frage, warum Irrtümer und Fälschungen dennoch immer wieder möglich sind.

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