Frühmittelalterliches Gräberfeld in Knittlingen untersucht

Schmuck und Waffen der Beigesetzten geben Auskunft über soziale Stellung

Archäologinnen und Archäologen der Landesamts für Denkmalpflege Baden-Württemberg haben 110 frühmittelalterliche Gräber in Knittlingen (Enzkreis) untersucht

Ausgrabung Frühmittelalterliches Gräberfeld
Knittlingen »Im Bergfeld«. Drohnenaufnahme eines Gräberfeldausschnittes. Neben den rechteckigen frühmittelalterlichen Grabgruben ist das durch diese geschnittene unregelmäßig-rundliche Grabenwerk aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit) erkennbar. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ Bild: ArchaeoBW

Die äußerst fruchtbare Gegend um die Stadt Knittlingen wurde bereits von der Jungsteinzeit bis ins Mittelalter besiedelt. Auf die mittelalterliche Besiedlung deuten heute einerseits die vielen auf -ingen und -heim endenden Ortsnamen. Andererseits sind auf der Gemarkung des Ortes merowingerzeitliche Reihengräberfelder entdeckt worden. Mit einem dieser Gräberfelder befasst sich seit August das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart im Zuge einer archäologischen Ausgrabung. Die Funde von Waffen und Schmuck geben Auskunft über die soziale Stellung der Toten.

Der Bestattungsplatz wurde bereits im Jahr 1920 etwas westlich außerhalb der Kernstadt Knittlingens bei Bauarbeiten für eine niemals fertiggestellte Schmalspurbahn entdeckt. Anlässlich der beabsichtigten Erschließung eines Wohngebietes waren im Jahr 1984 bei Sondagen der archäologischen Denkmalpflege auch nördlich davon Gräber nachgewiesen worden. Die Wiederaufnahme der Planungen zur Bebauung hatten Anlass zu den weiteren archäologischen Untersuchungen des LAD gegeben. Ausgeführt wurden diese Prospektionen durch die beauftragte Firma ArchaeoBW.

»Wie auf Grund der Lage Knittlingens in einer fruchtbaren Altsiedellandschaft zu erwarten war, kamen bei den Untersuchungen auch einzelne vorgeschichtliche, also steinzeitliche, Befunde zutage«, berichtet Dr. Folke Damminger, der zuständige Gebietsreferent am LAD. Neben unspezifischen Gruben handele es sich dabei um den Grundriss eines Pfostenbaus und ein unregelmäßig-rundliches Grabenwerk von zirka 26 Metern Durchmesser. »Die wenigen geborgenen Keramikfragmente deuten auf eine jungsteinzeitliche Zeitstellung, etwa 5000 bis 4500 v. Chr. hin«, so Damminger.

Das Hauptaugenmerk galt jedoch den frühmittelalterlichen Bestattungen, von denen bislang rund 110 – allesamt Körpergräber –  aufgedeckt und dokumentiert werden konnten. Wie der Fachbegriff »Reihengräberfeld« andeutet, waren diese zumeist in mehr oder weniger regelmäßigen Reihen angeordnet. Mitglieder der örtlichen Elite wurden zuweilen »außer der Reihe« innerhalb eines Kreisgrabens beerdigt, wie es auch in Knittlingen an einem Beispiel nachgewiesen werden konnte.

Die Grabbauten reichten von einfachen Erdbestattungen bis hin zu – nur noch in letzten Holzresten erhaltenen – gezimmerten Grabkammern. Ein Teil der Verstorbenen wurde in Holzsärgen bestattet.

Schmuck und Waffen geborgen

Die Verstorbenen der Knittlinger Siedlungsgemeinschaft wurden nach frühmittelalterlicher Sitte in ihrer Tracht beigesetzt. Obwohl die Bestattungen vielfach schon im frühen Mittelalter beraubt wurden, konnten aus den Frauen- und Mädchengräbern zahlreiche nichtorganische Schmuckbestandteile wie Perlenketten, Fibeln (Gewandspangen), Ohr- und Armringe sowie Gürtelgehänge mit Zierscheiben, Alltagsgerät (Messer, Kämme) und Gegenständen mit Amulettcharakter geborgen werden. Aus den männlichen Bestattungen stammen Teile der Waffenausstattung (Schwerter, Lanzen, Schilde und Pfeilspitzen) mitsamt der zugehörigen Gürtel. Unabhängig von Geschlecht und Alter der Toten beigegebene Keramikgefäße enthielten vermutlich Speisebeigaben. Direkt ließen sich letztere in Gestalt von Tierknochen und Eierschalen nachweisen.

»Trotz ihrer Fragmentierung durch die antike Beraubung geben die Funde Hinweise auf die soziale Stellung der Toten«, so Damminger. Bemerkenswert in Knittlingen seien die vergleichsweise reichen Bestattungen aus der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts. Eine Frau war mit einer fast vollständigen zeittypischen Fibelaustattung beerdigt worden. Eine einzeln getragene Goldscheibenfibel aus einem etwas jüngeren Grab kündigt dagegen schon die Mode des siebten Jahrhunderts an. Einige der Männergräber wiesen die Verstorbenen als Reiterkrieger aus. Im Umfeld einer dieser Bestattungen war gar ein geköpftes Pferd beigesetzt worden. Bronzeschalen zeugen von am höfischen Vorbild orientierten Tischsitten.

Die Beigabenensembles des fortgeschrittenen siebten Jahrhunderts nahmen sich dagegen etwas bescheidener aus. Ob dies seine Ursache in einem gesunkenen Wohlstand oder aber in einer geänderten Inszenierung bei den Bestattungen der lokalen Eliten hat, ist nicht bekannt.

Die Skelette sowie die weiteren Funde werden geborgen und in das zentrale Fundarchiv nach Rastatt gebracht. Der Abschluss der Grabungen ist für das Frühjahr 2022 geplant.

Bronzene Zierscheibe, 7. Jh.
Bronzene Zierscheibe vom Gürtelgehänge aus einer Frauenbestattung des 7. Jh. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ A. Furan
Goldscheibenfibel
Filigranverzierte Goldscheibenfibel aus einer Frauenbestattung des frühen 7. Jh.; (Durchmesser 3,6 Zentimeter) Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ A. Furan
Kreisgraben
Im Inneren des Kreisgrabens (Innendurchmesser 10 Meter) ist die Grube einer beraubten, ursprünglich reich ausgestatteten Männerbestattung zu erkennen. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ ArchaeoBW
Bestattung
Männergrab aus der ersten Hälfte des 7. Jh. Der Tote war mit Spatha (zweischneidiges Hiebschwert) und Lanze (nicht im Bild) bestattet worden. Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ F. Damminger
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