Einblicke in die Gedanken der Maya: Schriften eines frühen Missionars übersetzt

Die frühen Missionare nutzten die indigenen Sprachen zur Verbreitung des Christentums in den Amerikas. Wie übersetzten sie Begriffe wie »Gott«, »Auferstehung« oder »Nächstenliebe«? Und wie passten diese Begriffe in die Vorstellungswelt der Indigenen? Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Altamerikanisten der Universität Bonn übersetzt die noch weitgehend unbekannten Schriften eines Dominikanerpaters, der im 16. Jahrhundert im Hochland Guatemalas missionierte. Domingo de Vico belegte Maya-Begriffe mit christlichen Bedeutungen, um die neue Religion besser verständlich zu machen. Seine »Theologie für die Indianer« stößt die Tür zur Gedankenwelt der Maya auf.

Deckblatt der Theologia Indorum
Deckblatt der Theologia Indorum im Archivbestand der American Philosophical Society in Philadelphia. Es handelt sich um Band 1, der Inhalte aus dem Alten Testament in K´iche´ beschreibt. Foto: © American Philosophical Society

Der Dominikanerpater Domingo de Vico kam im 16. Jahrhundert als Missionar ins Hochland von Guatemala. Dort machte er sich sowohl mit der örtlichen Maya-Sprache K’ich« als auch den indigenen Vorstellungen über Religion und Jenseits vertraut. Er verfasste zwischen 1550 und 1554 die »Theologia Indorum« (deutsch: Theologie für die Indianer), die erste christliche Theologie der Amerikas. »Es handelt sich dabei mit ursprünglich über 800 Seiten um den umfangreichsten bekannten kolonialzeitlichen Text in einer indigenen amerikanischen Sprache überhaupt«, sagt Prof. Garry Sparks von der George Mason University in Washington D.C., der ein Forschungsprojekt zur »Theologia Indorum« leitet.

Der Text dieser theologischen Schrift ist in zwei Bände mit Inhalten aus dem Alten und Neuen Testament gegliedert. Davon sind 16 Abschriften erhalten, die in Archiven der USA und in Europa lagern. »Das Original ist leider nicht erhalten«, sagt Juniorprofessorin Dr. Frauke Sachse von der Altamerikanistik der Universität Bonn. Die Wissenschaftlerin übersetzt zusammen mit Sparks und einem internationalen Team den ersten Band der »Theologia Indorum« – und stieß dabei auf überraschende Erkenntnisse. »Dieses Werk von Domingo de Vico gewährt uns einzigartige Einblicke in die damalige Vorstellungswelt der Maya im Hochland Guatemalas«, berichtet Sachse.

Tür zur Gedankenwelt der Maya

Der Dominikanerpater hatte sich viel Mühe gegeben, die Vorstellungen der Maya von unter anderem der Götterwelt, der Seele und dem Leben nach dem Tod zu ergründen. In seinen in der Mayasprache K’ich« gehaltenen Schriften erklärt er den Maya das Christentum und nimmt dabei immer wieder Bezug auf die indigenen Glaubensvorstellungen. »Vico übernahm gezielt Begriffe aus der Maya-Religion und belegte diese mit einer neuen christlichen Bedeutung, um das Christentum so besser verständlich zu machen«, fasst die Altamerikanistin der Universität Bonn zusammen. Für die Wissenschaftler ist dieser Zugang sehr wertvoll, weil er die Tür zu den Gedanken der Maya öffnet.

So bezeichnet Domingo de Vico in seiner Theologie den christlichen Gott mit demselben Begriff, den die Maya für ihre höchste Schöpfergottheit verwendeten, die sowohl weibliche als auch männliche Aspekte vereint. Der christliche Gott wurde dadurch in der Sprache der Maya weiblich. So änderte sich durch Vicos Übersetzung auch die christliche Lehre. Ziel war es aber vor allem, die Vorstellungen der Maya zu ändern.

So übersetzt Vico den christlichen Begriff der »Hölle« mit dem K’iche’-Wort »Xibalba« (deutsch: Ort der Furcht), das die Unterwelt der Maya bezeichnete. »Diese Unterwelt war ebenfalls ein Ort des Leidens und der Qual für die Verstorbenen, aber nicht durch das ewige Feuer gekennzeichnet, sondern durch Kälte und Wasser«, berichtet Sachse. Für die Maya war Xibalba eine nach dem Tod zu durchlaufende Station, die zur Wiedergeburt führte. Nach ihren Vorstellungen verlief das menschliche Leben genau wie das einer Maispflanze, die im Leben dieser indigenen Gesellschaft einen zentralen Platz einnahm. War der Mensch gestorben, ruhten die Knochen gleich einem Samen in der kühlen und feuchten Erde. Daraus entstand neues Leben, ein heranwachsender Mensch, der reifte, sich weitervermehrte und schließlich wie eine alternde Maispflanze starb. Daraufhin begann dieser Zyklus von neuem.

»Dass Domingo de Vico Xibalba nun als Ort des ewigen Feuers und ewiger Verdammnis beschrieb, passte nicht mit den Vorstellungen der Maya überein«, erläutert die Altamerikanistin. »Doch die Missionare wollten mit viel Idealismus die Seelen dieser Menschen retten.« Vico hatte offenbar damit Erfolg. Denn der Dominikanerpater war bei den Hochland-Maya durchaus beliebt. Quellen berichten von »unserem geliebten Vater Vico«. Allerdings wurde der Pater kurze Zeit darauf im Jahr 1555 bei einer Mission im benachbarten Acalán von der dortigen Bevölkerung getötet.

Neben Garry Sparks und Frauke Sachse sind die Muttersprachlerin Saqijix López Ixcoy (Universidad Ráfael Landívar, Guatemala) und Prof. Sergio Romero (University of Texas in Austin), der derzeit als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung in Bonn ist, an dem Forschungsprojekt beteiligt, das noch bis Oktober 2019 läuft. Das Vorhaben hat sich auch als ein Beispielprojekt für forschungsnahe Lehre entwickelt: Zahlreiche Studenten, die bei Frauke Sachse die K’iche’-Sprache erlernt haben, erleben nun als studentische Hilfskräfte den Puls der Forschung.

Projektteam
Das Team: (von links) Juniorprofessorin Dr. Frauke Sachse, Prof. Dr. Sergio Romero, Nina Müller-Salget, Christine Busch, Paul Graf und Marvin Heckmann. Foto: Volker Lannert/Uni Bonn
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