Codes der Macht im RGZM

RGZM startet eine Reihe von »Interventionen«

Mit »Codes der Macht. Mit 16 auf den Thron« eröffnete das Römisch-Germanische Zentralmuseum (RGZM) am 5. November eine erste Präsentation, die den Weg zum neuen Museum bereiten soll. Denn mit dem Umzug in den Neubau wird auch seine Dauerausstellung ein völlig neues Gesicht bekommen. Bis dahin aber experimentieren die Museumsmacher im Kurfürstlichen Schloss gemeinsam mit ihren Besucherinnen und Besuchern mit neuen Vermittlungsformaten. Probeaufbauten, die neue Perspektiven auf Altbekanntes öffnen, werden als »Interventionen« in die bestehenden Ausstellungen integriert.

Chlodwig, dargestellt von Philipp Prechtl
Chlodwig (ca. 466-511), dargestellt von Philipp Prechtl (Foto: RGZM / S. Steidl)

Die Ausstellung »Codes der Macht. Mit 16 auf den Thron« beruht auf den Ergebnissen archäologischer Forschungen zu einem Königsgrab aus dem Jahr 481/482. Am 27. Mai 1653 stieß der Steinmetz Adrien Quinquin »in der dritten Stunde des Nachmittags« beim Bau des neuen Armenhauses wenig nördlich der Kirche Saint-Brice in Tournai zuerst auf eine goldene Schnalle und dann auf »ein rundes Nest aus mürbem Leder« mit mehr als 100 goldenen Münzen. Nachdem er die Nachbarschaft auf seine Entdeckung aufmerksam gemacht hatte, eilten zahlreiche Menschen dorthin und einige der goldenen Gegenstände fanden neue Besitzer. Mühsam musste von offizieller Seite versucht werden, mit »Bitten und Bezahlung« in den Besitz der Objekte zu kommen, die andere – »sogar Dienstmägde« – »heimlich aufbewahrten«. Man hatte an diesem Tag einen der wichtigsten archäologischen Funde des frühmittelalterlichen Europa entdeckt! Dass es sich dabei um das Grab des fränkischen Königs Childerich handelte, erkannten die Gelehrten sofort. Dies bewies der goldene Siegelring mit der Inschrift CHILDIRICI REGIS.

Es gibt zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen zum Grab Childerichs. In der Ausstellung wird das Grab aber aus einer neuen, ungewöhnlichen Perspektive betrachtet, nämlich aus der seines Sohnes Chlodwig. Er nutzte die Bestattungszeremonie als Bühne, um die Rechtmäßigkeit seiner Nachfolge zu demonstrieren. Die gesamte Zeremonie, ja nahezu jede einzelne Grabbeigabe enthielt Botschaften, die für die Teilnehmer der Feierlichkeiten deutlich lesbar waren. Der junge Herrscher verstand die Codes der Macht und setzte sie äußerst erfolgreich ein. Loyalitätsbekenntnisse, Versprechungen, verdeckte Drohungen sind auch heute noch Botschaften, die Mitmenschen dahin gehend manipulieren, im Sinne ihrer Absender zu handeln.

Die Ausstellung ist in eine multimediale Kampagne eingebunden, in der die Geschichte der Machtübernahme Chlodwigs in der Medienwelt der Gegenwart erzählt wird. Die Kampagne führt das Publikum zugleich aus der Gegenwart auf die historische Bühne der Bestattung des Königs, die den Kern der Ausstellung bildet. Hier werden die Codes aufgelöst, die sich in den Beigaben des Königs verbergen. Bei der Rückkehr in die Gegenwart werden die Besucherinnen und Besucher zu einer persönlichen Reflektion zum Thema »Codes der Macht« ermuntert.

Als »Vorgeschmack« darauf, was Besucherinnen und Besucher des RGZM nach dem Umzug in das neue Archäologische Zentrum in Mainz erwartet, bezeichnete Wissenschaftsstaatssekretär Prof. Dr. Thomas Deufel das Konzept des neuen Bestandteils der Dauerausstellung und sagte: »Damit beschreitet das Museum Neuland in der Vermittlung archäologischer Forschungserkenntnisse. Es schlägt zugleich mit den spannungsvollen Bezügen zur Gegenwart einen Bogen, der in vorbildlicher Weise den Anspruch der Forschungsmuseen in der Leibniz-Gemeinschaft erfüllt, herausragende Orte der Bildung, des Wissenstransfers und der Wissenskommunikation zu sein.«

»Die 'Codes der Macht' geben uns erstmals die Gelegenheit, mit der Öffentlichkeit über die Neuorientierung unseres Instituts ins Gespräch zu kommen«, erklärte Professor Falko Daim, Generaldirektor des RGZM, anlässlich der Ausstellungseröffnung. »Durch die Einbindung der Intervention in eine Medienkampagne öffnen wir uns dem Publikum in neuer Weise: Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, ihre Sichtweise mitzuteilen und damit eigene Beiträge in die Ausstellung einzubringen.«

Interventionen unterscheiden sich von den bisherigen nur kurzfristigen Sonderausstellungen dadurch, dass sie die neuen Vorstellungen der Mainzer Ausstellungsmacher von archäologischen Ausstellungen »im Kleinen« zeigen und in ihrer thematischen Ausrichtung zur neuen Dauerausstellung hinführen sollen. Sie bieten Möglichkeiten für Evaluierungen und fließen in die Planung der neuen Dauerausstellung sowie weiterer Interventionen und Sonderausstellungen ein. So beschäftigt sich die aktuelle »Intervention« mit unterschiedlichen Aspekten wie Machtwechsel, Machterhalt, Machtdemonstration und Legitimation.

Während die erste Intervention den heutigen Blick auf vergangene Ereignisse widerspiegelt und sich damit auseinandersetzt, was man durch archäologische Forschung an Wissen für die Gegenwart rekonstruieren können, entwickelt die im Frühjahr 2016 startende zweite Intervention auf künstlerische Weise eine weitere Perspektive: Zukünftige, »posthumane« Betrachterinnen und Betrachter untersuchen das Leben und die Kultur von heute. Was hinterlässt der Jetzt-Mensch und welche Rückschlüsse werden zukünftige Forscherinnen und Forscher aus diesen Überbleibseln ziehen? Zusammen mit der Künstlerin Sarah Mock entstehen dabei kreative Gedankenspiele im Umgang mit der Vergangenheit und ihren Relikten.

Wie schafft man es, als derjenige anerkannt zu werden, der im Lande Entscheidungen fällt und durchsetzt? Tagtäglich empfängt man zahllose Texte, Bilder und Zeichen, die etwas versprechen, um einen werben oder einem sogar drohen. Ihre Absender werben dafür, einem das Mandat der Macht zu erteilen. Dabei soll man die manchmal offenen, manchmal verschlüsselten Botschaften so verstehen, wie die Absender es wünschen. Die Archäologie entschlüsselt »Codes der Macht«, die sich in den Objekten verbergen. Deren Fundzusammenhänge zeigen die »Bühnen«, auf denen die mit ihnen verbundenen Botschaften dem Publikum präsentiert wurden. Dieser Blick auf Machtkämpfe in längst vergangenen Gesellschaften, in ganz anderen Herrschaftsstrukturen und Medienwelten ausgetragen, schärft das Bewusstsein für gegenwärtige »Codes der Macht«.

Im Jahr 482 waren es die Begräbnisfeierlichkeiten für König Childerich, die sein Sohn, der sechszehnjährige Chlodwig, für die Sicherung seiner Nachfolge auf den Thron zu inszenieren wusste. Die am Beispiel der archäologischen Erforschung des Childerichgrabes entwickelte Perspektive auf das Thema für den heutigen Menschen in Wert zu setzen, ist das Ziel des Projektes.

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