Die Geschichte eines ausgetrockneten Sees in der Nord-Arabischen Wüste

Einzigartige Sedimente eines alten Wüstensees geben Aufschluss über die klimatischen Bedingungen vor mehreren Tausend Jahren und ermöglichen Einblicke in die Ausbreitungsgeschichte der Menschheit

Ausgetrockneter See in der arabsichen Wüste
Inmitten der arabischen Wüste, in der heutigen Sabkha nördlich der Oasenstadt Tayma im Nordwesten der arabischen Halbinsel, lag vor etwa 8.000 Jahren ein See, dessen Sedimente ein für diese Region einzigartiges Klimaarchiv bilden. Foto: Birgit Plessen, GFZ

Nordafrika mit der Sahara und die Arabische Halbinsel verwandelten sich während vergangener Warmzeiten immer wieder in grüne Landschaften, zuletzt während der Zeit des frühen bis mittleren Holozäns vor etwa 11.000 bis 5.500 Jahren. Grund dafür waren verstärkte und nordwärts verlagerte Monsunregen. Solche klimatischen Gunstphasen erleichterten es den Menschen vermutlich, sich auszubreiten und aus Ostafrika nach Asien und Europa zu migrieren. Aufschluss über den genauen zeitlichen Verlauf und die Intensität dieser frühholozänen Feuchtephase im Norden Saudi-Arabiens geben nun erstmals umfassende Untersuchungen an Sedimenten des mittlerweile ausgetrockneten Sees von Tayma. Sie wurden im Rahmen des von der DFG geförderten Projektes »CLEAR - Holocene CLimatic Events in Northern ARabia« durch ein multidisziplinäres Team von Forschenden des Deutschen GeoForschungsZentrums Potsdam (GFZ) sowie der Universitäten Heidelberg, Köln, Jena, Berlin, Braunschweig und dem MPI für Geochemie in Jena durchgeführt und schließen eine entscheidende regionale Datenlücke. Ihre Ergebnisse wurden jetzt im Fachmagazin Communications Earth & Environment veröffentlicht.

Bedeutung von klimatischen Feuchtephasen für die Ausbreitung des Menschen aus Afrika

Jahrtausendelange Feuchteperioden haben vermutlich die Ausbreitung des Menschen aus Afrika begünstigt, indem sie »grüne Korridore« durch den heutigen trockenen Wüstengürtel der Sahara und Arabiens geschaffen haben. Die Forschung zur Wechselwirkung zwischen Mensch und Klima auf der Arabischen Halbinsel hat sich in jüngster Zeit intensiviert, da die Region eine hohe ökologische Empfindlichkeit gegenüber klimatischen Veränderungen aufweist und den geografischen Knotenpunkt zwischen Afrika und Asien darstellt.
Die alte Oasensiedlung Tayma liegt am Rande der Nefud Wüste und war bereits in der Vergangenheit ein zentraler Handels- und Kommunikationspunkt im Nordwesten der Arabischen Halbinsel. Sie ist eine der am besten untersuchten archäologischen Fundstätten Saudi-Arabiens, die intensiv durch die Saudi Commission for Tourism and National Heritage (SCTH) und die Orient-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) erforscht wird.

Sedimente eines ausgetrockneten Wüstensees als einzigartiges Klimaarchiv

Einen wichtigen Zugang zur Klimageschichte dieser Region liefern nun die Sedimente eines Sees, der vor etwa 8.000 Jahren nördlich von Tayma lag. Sie bilden ein für diese Region einzigartiges Klimaarchiv, das in den letzten Jahren erschlossen wurde. Es ist das best-datierte und am höchsten aufgelöste im Norden Arabiens und ermöglicht detaillierte Erkenntnisse über den zeitlichen Verlauf und die Intensität verschiedener klimatischer Phasen. »Während für die Sahara und den Süden der Arabischen Halbinsel vielfältige Hinweise belegen, dass es im Holozän von 11.000 bis 5.500 Jahren eine Feuchtephase gab, hatten wir bisher keine Kenntnis darüber, wie lange die Feuchtephase im Norden gedauert hat und welche klimatischen Bedingungen jungsteinzeitliche Menschen in dieser Region vorgefunden haben. Die Seeablagerungen im Norden von Tayma schließen daher eine entscheidende Lücke«, sagt Ina Neugebauer (GFZ), die Erstautorin der jetzt veröffentlichten Studie. »Durch die unmittelbare Nähe zu den archäologischen Fundstätten in Tayma ergeben sich einmalige Möglichkeiten zu interdisziplinärer Forschung, welche die Verknüpfung der entdeckten Umweltveränderungen mit den Ergebnissen zur menschlichen Siedlungsgeschichte erlauben.«

Die Publikation resultiert aus dem von der DFG geförderten Projekt »CLEAR - Holocene CLimatic Events in Northern ARabia«, in dem ein multidisziplinäres Team um Max Engel (Universität Heidelberg), Birgit Plessen (GFZ) und Peter Frenzel (Universität Jena) die Seesedimente nördlich der Tayma-Oase (NW-Saudi-Arabien) sedimentologisch, geochronologisch, geochemisch und paläontologisch untersuchte. Bereits in einer Pilotstudie aus dem Jahr 2012 hatte sich die exzellente Eignung der Ablagerungen als Paläoklimaarchiv gezeigt, da die frühholozänen Sedimente (ca. 10.000–8000 Jahre vor heute) sogar eine jährliche Schichtung, sogenannte Warven aufweisen.

Vielfältige Analyse der Bohrkerne aus den Seesedimenten

Die sechs Meter langen Gesamtprofile der Sedimentbohrkerne wurden 2011 bzw. 2013 aus dem Paläosee entnommen und in dem vom GFZ geleiteten Teilprojekt zur Biogeochemie und Sedimentologie mit den neuesten sedimentologischen und geochemischen Methoden untersucht. Dabei wurden zahlreiche klima-, landschafts- und siedlungsrelevante Parameter erfasst. Die fein geschichtete Warvenstruktur wurde einer sogenannten Mikrofazies-Analyse unterzogen: Dünnschliffe wurden unter dem Mikroskop betrachtet und die einzelnen Warvenlagen in Dicke und Zusammensetzung analysiert und gezählt. Dabei können Minerale und Algen zum Beispiel Hinweis geben auf die Jahreszeit, in der sie gebildet oder eingeschwemmt wurden; Kalziumkarbonat fällt insbesondere bei starker Verdunstung aus. Aus der dünnen Hell-Dunkel-Schichtung lassen sich – wie bei Baumringen – Jahresrhythmen ablesen und Informationen gewinnen, wie lange verschiedene Seephasen gedauert haben. Die Analyse von Pollen gibt Aufschluss über die Vegetationsgeschichte und die Datierung mittels Radiokarbonmethode ergibt ein genaues Alter der Ablagerungen. Feuchtephasen mit höheren Niederschlägen und niedrigerer Verdunstung können über die Analyse der Wasserstoffisotope an den Blattwachsen von Pflanzen und über die Bestimmung der Sauerstoffisotope an Karbonaten identifiziert werden.

Länge und Ausprägung der Feuchtephase in der nord-arabischen Wüste

Auf diese Weise konnte das Team erstmals exakt die Länge und Ausprägung der frühholozänen Feuchtephase in der nordarabischen Wüste bestimmen. Insbesondere haben die Forschenden festgestellt, dass die Feuchtephase mit unter 1.000 Jahren hier wesentlich kürzer war als in der Sahara. Außerdem fanden sie heraus, dass die nachgewiesenen feuchtesten Bedingungen in Tayma um die Zeit etwa 8.200 Jahre vor heute im Gegensatz stehen zu dem zeitgleichen kurzzeitigen Einbruch der Feuchtephase in angrenzenden Regionen. »Für die Menschen der Jungsteinzeit ergaben sich damit besonders günstige Bedingungen, den Norden Arabiens als Lebensraum zu erschließen«, erläutert Max Engel (Universität Heidelberg).

Erklärung der Unterschiede in Sahara und Arabien durch kleinskalige Wetterphänomene

Dass diese Feuchtephase in der saharo-arabischen Wüste regional so unterschiedlich ausgeprägt ist, erklären die Forschenden mit komplexen Änderungen der atmosphärischen Zirkulation. Die kurzzeitig weniger starken Monsunregen, ausgelöst durch eine Kaltphase im Nordatlantik, dem sogenannten 8.2 ka-Ereignis (ein Ereignis 8.200 Jahre vor heute), haben möglicherweise dazu geführt, dass die heute eher seltenen tropischen Wolkenfahnen (tropical plumes), die hoch in der Atmosphäre feuchte tropische Luft in bestimmte subtropische Regionen transportieren, im Norden Arabiens verstärkt auftraten und die Trockenphase damit ausgeglichen haben. »Dies verdeutlicht, dass kleinskalige Wetterlagen in der (Paläo-)Klimamodellierung berücksichtigt werden sollten, um auch regionale Unterschiede darstellen zu können«, so Neugebauer.

Publikation

Neugebauer, I., Dinies, M., Plessen, B. et al.

The unexpectedly short Holocene Humid Period in Northern Arabia

Commun Earth Environ 3, 47. 04.03.2022
DOI: 10.1038/s43247-022-00368-y
https://www.nature.com/articles/s43247-0...

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