Wiener Stadtarchäologie öffnet 7.000 Jahre altes Zeitfenster

Ein »Lichtschacht« im 3. Bezirk schickt ForscherInnen auf Zeitreise in die Vergangenheit: In der Rasumofskygasse haben Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien frühneolithische Gruben ebenso zu Tage gebracht wie keltische Münzproduktion und einen monumentalen Graben, der einmal das Kloster St. Maria und die spätmittelalterliche Vorstadt St. Niklas schützte.

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Einige Kammern des spätmittelalterlichen "Erdstalls" mit Durchgängen und Lehmbänken. Foto: Stadtarchäologie Wien

Ein älteres Vindobona?

Im dritten Bezirk sind spätkeltische Siedlungsreste schon seit längerer Zeit aus der Rudolfstiftung, Ungargasse und Engelsberggasse bekannt. Die Stadtarchäologie fand in der Rasumofskygasse nun erstmals in Siedlungsstrukturen, also Grubenhäusern, Brunnen, Gruben und Öfen, spätkeltische Funde zusammen mit römischen Importgütern. Amphoren aus dem Adriaraum, Schreibgeräte als früheste Zeugnisse für Schriftlichkeit im Wiener Raum und »Schwarze Sigillata« als besondere Feinkeramik. Sie sind somit die ältesten römischen Funde im Wiener Raum. Damit zeichnen sich nicht nur frühe Handelsbeziehungen mit Italien ab.
Es zeigt sich auch ein gewisser Romanisierungsgrad einer wahrscheinlich hochgestellten keltischen Elite auf diesem Siedlungsplatz in augusteischer Zeit, also um die Zeitenwende. Die hervorragende Stellung der dort lebenden Personen wird zum einen durch den Nachweis einer Münzproduktion unterstrichen. Gefundene sogenannte »Tüpfelplatten« sind Tonplatten mit kleinen Vertiefungen, die zur Herstellung von Münzrohlingen dienten. Des Weiteren zeigen Werkstattreste, dass Bernstein vermutlich zu Perlen verarbeitet und Objekte aus Bronze hergestellt wurden, da Gussformen gefunden wurden.

Da der antike Name »Vindobona« keltischen Ursprungs ist, kann berechtigterweise angenommen werden, dass an diesem Siedlungsplatz das »erste« frühe Vindobona entstanden ist. Dieser Name wurde dann später, nach der Okkupation, von den Römern übernommen.

Rund um das Kloster - »Erdstall«, Brunnen und Graben

Auch aus mittelalterlicher Zeit ist von der Grabung in der Rasumofskygasse bislang für Wien Einzigartiges zu vermelden: Ein sogenannter »Erdstall« aus mehreren Kammern, mit schmalen Durchgängen und kleinen Bänken, die an den Wänden aus dem Lehm herausgearbeitet wurden. Welcher Verwendung er an dieser Stelle diente, wird noch zu klären sein. Der »Erdstall« war mit einer großen Menge an Keramik zugeschüttet worden, die aus dem 13./14. Jahrhundert stammt. Diese Überreste von zumeist ausgesprochen großen Kochtöpfen weisen auf eine entsprechend dimensionierte Küche in der näheren Umgebung hin. Neben den Töpfen mit Randdurchmessern von gut 40 Zentimetern fanden sich aber auch zierliche, nur wenige Zentimeter hohe Miniaturgefäße.

Ein mittelalterlicher Brunnen in nächster Nähe des »Erdstalls« stammte aus derselben Zeit. Spekulationen, dass diese Funde vielleicht mit dem nahen Kloster St. Maria zu tun haben könnten, drängen sich auf. Was sich aber mit Sicherheit dem Kloster und der damaligen Vorstadt St. Niklas zuordnen lässt, ist ein gewaltiger Graben von 20 Metern Breite und 3 Metern Tiefe. Er wurde erst um 1700 endgültig zugeschüttet. Für die spätmittelalterliche Zeit bezeugt er das Bedürfnis nach Schutz und Befestigung der Vorstadt.

Vom Palais zum Post- und Telegraphenamt

Mit den Resten des Palais Mesmer aus dem 18. Jahrhundert und dem zugehörigen Park - unglaublich jung im Vergleich zu frühneolithischen Gruben und keltischer Münzproduktion - taucht man aus dem »Lichtschacht« quer durch die Zeiten fast schon wieder zur Oberfläche der Gegenwart auf. Und auch hier zeigt sich wieder eine Latrine, diesmal aus dem 17./18. Jahrhundert. Nach einer »Galvanischen Metallpapier-Fabrik« im 19. Jahrhundert wurde schließlich 1920 das Post- und Telegraphenamt errichtet.

Die archäologische Grabung in der Rasumofskygasse. Foto: Stadtarchäologie Wien
Fundamente der Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, z. B. Stallungen und Werkstätten. Foto: Stadtarchäologie Wien