Syrische und internationale Experten beschließen Notfallmaßnahmen

Über 230 syrische und internationale Experten haben gemeinsam im Rahmen eines zweitägigen Treffens das Ausmaß der Schäden am syrischen Kulturerbe bewertet, Methoden und prioritäre Notfallmaßnahmen für den Erhalt syrischer Kulturerbestätten entwickelt und festgelegt.

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Baal-Shamin-Tempel von Palmyra im Jahr 2010
Der Baal-Shamin-Tempel von Palmyra im Jahr 2010 (Foto: Bernard Gagnon, GFDL)

Das Expertentreffen wurde von der UNESCO und dem Auswärtigen Amt in Kooperation mit dem Deutschen Archäologischen Institut, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der Gerda Henkel Stiftung und der Deutschen UNESCO-Kommission vom 2. bis 4. Juni in Berlin ausgerichtet. Die Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amts für UNESCO-Welterbe, die UNESCO-Kulturkonventionen und UNESCO-Bildungs- und Wissenschaftsprogramme, Staatsministerin Prof. Maria Böhmer, eröffnete gemeinsam mit der UNESCO-Generaldirektorin Irina Bokova das Treffen. Zu den Konferenzteilnehmern gehörten führende Archäologen, Anthropologen, Denkmalpfleger ebenso wie Architekten und Städteplaner. Unter ihnen waren Vertreter der syrischen Antikenbehörde (DGAM) und zahlreiche weitere in Syrien tätige und aus Syrien stammende Wissenschaftler und Experten.

Maria Böhmer erklärte anlässlich der Tagung: "Mit dem positiven Signal dieser Berliner Konferenz werden die kulturellen Fundamente einer Nachkriegsordnung gelegt. Die durch das Welterbe wesentlich geprägte Identität wird für die Einheit des Landes entscheidend sein. Eine Herkulesaufgabe wird früher oder später auch in Syrien zu bewältigen sein. Sie braucht ein sicheres Fundament."

"Um erfolgreich zu sein, müssen wir die weltweit beste Expertise zusammenbringen. Wir dürfen dabei nicht zulassen, dass Kultur manipuliert oder instrumentalisiert wird", warnte Irina Bokova. "Ich danke allen syrischen und internationalen Experten, die sich hier für unser gemeinsames Erbe zusammengefunden haben: Das ist der Geist von Berlin."

"Das Berliner Expertentreffen hat Akteuren dabei geholfen, Maßnahmen zum Schutz des syrischen Kulturerbes zu koordinieren und Prioritäten zu identifizieren. Die Diskussionen haben eindrücklich gezeigt, dass Kultur trotz unterschiedlicher Herangehensweisen und politischer Differenzen ein gemeinsamer Nenner für Dialog sein kann", sagte Prof. Dr. Verena Metze-Mangold, Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission.

Zoya Masoud, eine Teilnehmerin des Young Expert Forums und Expertentreffens, sagte: "Wir – die junge Generation – müssen dringend in den Schutz und Erhalt unseres Erbes einbezogen werden. Wir schlagen deshalb die Einrichtung eines Mentorenprogramms vor, das junge Experten mit etablierten Fachkräften für den Schutz des kulturellen Erbes zusammenbringt."

Im Rahmen des Treffens fanden verschiedene Diskussionsrunden zur Schadensbewertung und zu laufenden Schutzmaßnahmen für das kulturelle Erbe statt. Die Rolle lokaler Gemeinschaften, Dokumentation und Archivierung, Aus- und Weiterbildung von Fachkräften sowie Schutzpläne waren Schwerpunktthemen der vier Arbeitsgruppen. Auf Grundlage einer Bestandsaufnahme der bisherigen Arbeit lokaler und internationaler Akteure schlugen die Teilnehmer praktische Maßnahmen für die Schadensbewertung, für Kartographierung und Inventarisierung, gesetzliche und institutionelle Rahmenbedingungen, technische Unterstützung, einschließlich Notfallmaßnahmen für Denkmäler, Fähigkeitsaufbau und Bewusstseinsbildung vor. Konkrete Maßnahmen wurden dabei für historische Städte, archäologische Stätten, Museen, bewegliche Objekte sowie das immaterielle Kulturerbe entwickelt und in die UNESCO-Empfehlungen und die Road Map aus dem Jahr 2014 aufgenommen.

Die Teilnehmer befassten sich mit der zentralen und andauernden Herausforderung von Raubgrabungen und illegalem Handel mit Kulturgütern. Sie riefen dazu auf, eine Liste der in Syrien geraubten Objekte zu erstellen, und appellierten an alle Regierungen, die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zur Unterbindung des Handels mit Kulturgütern aus dem Land umzusetzen.

Die Experten riefen internationale Entwicklungsagenturen dazu auf, den Schutz des kulturellen Erbes in zentrale Finanzierungsprogramme und Post-Konflikt-Wiederaufbaupläne zu integrieren. Das Treffen ermöglicht die Aktualisierung und Weiterentwicklung des UNESCO-Aktionsplans für Notfallmaßnahmen zum Schutz des syrischen Kulturerbes, der im Rahmen des ersten Expertentreffens zu Syrien im Jahr 2014 verabschiedet wurde.

"Das Treffen hat gezeigt, dass alle Akteure willens und in der Lage dazu sind, gemeinsam für den Schutz des syrischen Kulturerbes zu arbeiten", sagte Nazir Awad, Direktor der Abteilung für historische Gebäude. "Wir hoffen, dass diese Konferenz die Türen zu weiterer Unterstützung öffnen wird."

Zahlreiche syrische Experten unterstrichen die Notwendigkeit, alle Anstrengungen zu bündeln, um die gemeinsamen Ziele des Kulturerbeschutzes zu erreichen. Alle Teilnehmer betonten das große Potenzial von Kultur für die humanitäre Hilfe, den sozialen Zusammenhalt und den Dialog. Sie hoben die zentrale Rolle der syrischen Antikenverwaltung DGAM, der Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft für das Erreichen dieser Ziele hervor, insbesondere aller Syrier, die ihr Leben für den Schutz des kulturellen Erbes riskieren. Sie forderten mehr Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft für die Arbeit dieser Experten.

Zwei Jahre nach dem ersten UNESCO-Expertentreffen zu Notfallmaßnahmen zum Schutz des syrischen Kulturerbes verfolgte das Berliner Expertentreffen folgende drei Ziele: Informationsaustausch zu den syrischen Welterbestätten, Konsensfindung im Hinblick auf Prioritäten und Notfallmaßnahmen sowie Koordination aller Maßnahmen und Abgleich der gemeinsamen Perspektiven.

Im Abschlussplenum präsentierten die Expertengruppen ihre Vorschläge für den künftigen Schutz des syrischen Erbes nach Beendigung des Konflikts. Sie unterstrichen die Notwendigkeit, Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung in ganz Syrien umzusetzen und finanzielle Mittel sowie Unterstützungsmaßnahmen deutlich auszuweiten. Die Einbindung aller Akteure, einschließlich der humanitären Hilfe, und die zentrale Rolle der lokalen Gemeinschaften wurden ebenso unterstrichen wie die koordinierende Rolle der UNESCO.