Jungsteinzeitlicher Feuersteinbergbau und bronzezeitliche Infrastruktur – Archäologische Untersuchungen um Artern in Nordthüringen

Im Jahr 2015 wurde Artern zu einem Zentrum archäologischer Forschung: Die großräumige Erweiterung des Industrie- und Gewerbegebietes "Kyffhäuserhütte" und der Bau der Ortsumfahrung Schönfeld – Ringleben ermöglichten dem Thüringischen Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (TLDA) tiefe Einblicke in die frühe Besiedlungsgeschichte der heutigen Stadt Artern und ihrer direkten Umgebung.

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Frauengrab mit Zahn und Muschelschmuck
Artern, Kyffhäuserhütte, Frauengrab mit Zahn und Muschelschmuck, Schnurkeramik (© Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Weimar)

Beide Grabungen führten zur Aufdeckung von bisher in Thüringen Einzigartigem: ein ausgedehnter Feuersteinbergbau (2. Hälfte 4. Jt. v. Chr.) und spezielle Zeugnisse der Landschaftsgliederung (1. Hälfte 1. Jt. v. Chr.). Die Ausgrabungen dauerten von Januar bis Oktober 2015, Fundbearbeitung und vielfältige Untersuchungen für weitere Erkenntnisse aus den einzigartigen Befunden zu über 5000 Jahren Leben, Arbeiten und Sterben bei Artern dauern an.

Industrie- und Gewerbegebietes „Kyffhäuserhütte" (4. Bauabschnitt)

Ganz im Norden des Industriegebietes, in dem etwa 6,5 ha Fläche ausgegraben wurden, bezeugen mehr als 500 Gruben und rund 5 m tiefe Schächte einen über längere Zeit betriebenen Feuersteinabbau. Neben einigen Schaufeln aus Schulterblättern von Rindern, einer Geweihhacke und wenigen weiteren Funden fanden sich auch etwa ein Dutzend menschliche Skelette. Spannendes gilt es in den nächsten Jahren zu klären: Sind die Bergleute selbst hier bestattet worden oder ihre Angehörigen? Sehen wir die normale Bevölkerung, besonders Bevorrechtete oder im Gegenteil entrechtete Sklaven vor uns? Wie sind diese Menschen zu Tode gekommen?

Im Bereich des Feuersteinabbaus konnte auch als ältester Befund der Ausgrabungen ein Grab freigelegt werden (4. Jt. v. Chr.; sog. Baalberger Kultur). Ans Ende der Jungsteinzeit gehören knapp zwei Dutzend Gräber; vor allem reich ausgestattete Bestattungen (3. Jt. v. Chr.; sog. Schnurkeramik) zeugen von Rangunterschieden zu jener Zeit. In den Frauengräbern kommen neben Gefäßen und Geräten Tierzahn- und Muschelzierrat sowie einmal eine kleine Kupferspirale vor, in gleich zwei Männergräbern Eberhauer als Teile eines Kopfputzes, der einen hohen gesellschaftlichen Status des Verstorbenen bezeugt, und je einmal eine steinerne Streitaxt und ein Keulenkopf.

Ortsumfahrung Schönfeld – Ringleben (L1172n)

Auf der Trasse der derzeit im Bau befindlichen Straße bot sich ein völlig anderes Bild. Es wurden 3 ha ausgegraben, etwa ein Drittel der 1,5 km langen Trasse. Die Mehrheit der archäologischen Hinterlassenschaften gehört einer Siedlung der frühen Bronzezeit (2200–1600 v. Chr.) an, die nachgewiesenen acht bis zu 30 m langen Häuser bestanden dabei nicht gleichzeitig. Zwischen den Gebäuden lagen Vorratsgruben und einige Gräber.

Weiter hangabwärts am Rande der Aue eines kleinen Baches sind gleich zwei lineare Systeme untersucht worden, die zu ihrer Zeit eine die Landschaft gliedernde Funktion hatten. Das erste Mal in Thüringen ist dabei ein "pit alignment" – eine perlschnurartig aufgereihte Grubenreihe – wissenschaftlich untersucht worden. Diese vor allem aus England, seit einigen Jahren aber auch aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und Westsachsen bekannten, teils kilometerlangen und verzweigten Strukturen aus der späten Bronzezeit und frühen Eisenzeit dienten mutmaßlich der Begrenzung von Territorien in stark besiedelten Landschaften. In Thüringen scheinen sie auf die Gegend um Artern beschränkt zu sein.

Ein wesentlich jüngerer spätmittelalterlicher Landgraben mit ganz ähnlicher Funktion – und sogar einem Durchlass mit Zuwegung zum Schlagbaum – wurde ebenfalls nachgewiesen.

Grabungsarbeiten, im Hintergrund das Kyffhäusermassiv
Ortsumgehung Schönfeld-Ringeleben, Grabungsarbeiten, im Hintergrund das Kyffhäusermassiv (© Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Weimar)