"Fahrstuhl" in die mittelalterliche Stadtgeschichte von Rheda-Wiedenbrück

Eigentlich sollte der neue Fahrstuhl die Besucher im Alten Rathaus von Rheda-Wiedenbrück vor allem in die Höhe tragen. Zunächst ist er jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung abgetaucht: Bauarbeiten führten die Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) mitten hinein in die Vergangenheit der Stadt.

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Viele Spuren auf kleinstem Raum
Viele Spuren auf kleinstem Raum: Die unregelmäßigen Vertiefungen stammen von menschlichen Füßen und tierischen Hufen. Unter diesen Spuren scheint die flächige Schotterung aus dem 13. Jahrhundert durch. (Foto: LWL)

Auf nur vier Quadratmetern drängten sich dicht an dicht Zeugnisse und Spuren der Stadtgeschichte. Ihre Fußabdrücke hatten Mensch und Tier hier im hohen Mittelalter hinterlassen. Durch eine Planierung der Fläche bereits vor fast 800 Jahren sind diese Fußspuren aus dem 13. Jahrhundert bis heute erhalten geblieben. "Das ist ein Anblick, den Archäologen nicht allzu oft haben", so Grabungsleiterin Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe von der Bielefelder Außenstelle der LWL-Archäologie für Westfalen.

Die Spuren kamen im Rahmen von Sanierungsarbeiten im Alten Rathaus bei Erdarbeiten für einen Fahrstuhlschacht zu Tage. Die LWL-Archäologen konnten inzwischen verschiedene mittelalterliche Nutzungsphasen dieses Geländes, das sich südlich der Ägidiuskirche befindet, erkennen.

Zunächst stießen die Forscher auf eine grobe Steinschotterung, die im 13. Jahrhundert angelegt worden war. Der feuchte Sandboden war damals weich und machte das Gehen schwer. Die Schotterung sollte den Boden befestigen. "Hier lagerte sich über den Steinen eine schlammige Schicht ab, in der Mensch und Tier tiefe Spuren hinterließen", erläutert Hallenkamp-Lumpe. "Was wir hier vor uns hatten, war also eine stark begangene und befestigte Freifläche des 13. Jahrhunderts, bei der es sich möglicherweise schon damals um einen Marktplatz gehandelt haben könnte."

Die Spuren blieben nur erhalten, weil die Einwohner noch im 13. Jahrhundert die Fläche mit hellem Sand weiter aufplanierten, um an dieser Stelle einen Holzbau zu errichten. Von diesem ließen sich noch zwei Gruben für Pfosten nachweisen. Nachdem das Gebäude im 14. oder 15. Jahrhundert aufgeben worden war, wurde dieser Bereiche erneut planiert. Konkrete Hinweise auf eine weitere Nutzung der Fläche in der Zeit nach dem 15. Jahrhundert konnten die Archäologen in diesem winzigen Ausschnitt im Erdboden allerdings nicht finden.

"Die Ausgrabungen im Alten Rathaus sind ein sehr wichtiger Mosaikstein für die Stadtgeschichte, da wir hier erstmals die Phasen der Geländenutzung im Hoch- und Spätmittelalter archäologisch dokumentieren können", sagt Dr. Sven Spiong, Leiter der Bielefelder LWL-Archäologen. "Die Ausgrabungen haben außerdem gezeigt, dass der südlich von St. Ägidius vermutete frühmittelalterliche Königshof zumindest an dieser Stelle nicht nachzuweisen ist und somit anderswo gelegen haben muss."