Eine "haarige" Ausstellung im Phyletischen Museum

Ganz schön haarig: Das Phyletische Museum der Uni Jena zeigt ab dem 6.4. bis zum 31.10. eine Sonderausstellung zur "Natur- und Kulturgeschichte des Haares".

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- Und eröffnet dabei ungewöhnliche Perspektiven auf ein alltägliches Phänomen, vom spätantiken Steckkamm bis zur postmodern-subkulturlalen Irokesenbürste, vom borstigen Haarkleid der gemeinen Wildsau bis zur unappetitlich-fressgierigen Kleidermotte.

"Haare haben alle Säugetiere", weiß der Zoologe und Museumsdirektor Prof. Dr. Martin S. Fischer, selbst gepflegter Kurzhaarträger, "aber nur wir Menschen veranstalten einen regelrechten Kult um diese - buchstäblich - dermatologischen Auswüchse." Dabei spielt für den Homo sapiens als "nackten Affen" der eigentliche Zweck der Haare nur noch eine nachgeordnete Rolle. "Thermoregulation" nennt den der Fachmann - Fell wärmt.

"In der Stammgruppe der Säugetiere gibt es Haare vermutlich seit rund 220 Millionen Jahren", berichtet Fischer. "Rein biologisch handelt es sich um tote, verhornte Zellen, die hauptsächlich aus Keratin, einem langkettigen Eiweiß, bestehen." Wachsen können sie nur im Haarwurzelbereich, der mit dem Haarbalg taschenförmig in die Unterhaut eingebettet ist. Dort bringen winzige Muskeln auch zuweilen Bewegung in die natürliche Tracht: Haare können regelrecht zu Berge stehen, wenn es kalt ist, aber auch dann, wenn uns ein Angstschauder überläuft: "Aufgestellte Haare wirken imposanter, aber als Drohgebärde, als Abwehrreaktion ist dieser Reflex bei uns nur noch ein Überbleibsel aus tierischer Vorzeit", erklärt Evolutionsbiologe Fischer. Auch zur Tarnung - wie das bunt gestreifte Tigerfell - dient das Haar im Tierreich.

Kopfhaare hat der Mensch schon als Fetus im Mutterleib, zumindest als unpigmentierten Flaum, der später ausgeht und durch einen - bei Männern fast - lebenslangen Schopf ersetzt wird. Kultstatus hatte der natürliche Kopfschmuck seit jeher, ein volles Haar gilt als mythisches Symbol für Kraft. Man denke nur an den biblischen Simson oder an die unangenehme Praxis mancher Indianerstämme, ihre Gegner zu skalpieren. Aber auch die stilisierte (Echthaar-)Perücke englischer Richter vermitteln Würde und Amtsgewalt.

Schon im Altertum und selbst in archaischen Kulturen bediente man sich - vergleichsweise einfacherer - Hilfsmittel, um Haare zu frisieren und zu schmücken. Abbildungen auf originalen griechischen Vasen und afrikanische Plastiken belegen dies in der Ausstellung. In der Biedermeierzeit dienten Haarlocken als Andenken an geliebte Mitmenschen, heutigen Rechtsmedizinern liefern sie hingegen ganz unromantische Hinweise bei der detektivischen Spürarbeit. Im Thüringer Eichsfeld gar gibt es eine jahrhundertelange - und heute wiederbelebte - Tradition, aus gedrehten Haaren Schmuckstücke und kleine Kunstwerke anzufertigen.

Quelle: Uni Jena (idw)