Ausgrabungen in Marsberg-Westheim gehen weiter

Archäologen entdecken Siedlungsspuren quer durch alle Epochen

Anlässlich von Bauarbeiten graben aktuell Archäologen in Marsberg (Hochsauerlandkreis). Auf der Gesamtfläche von 34.000 Quadratmetern haben die Wissenschaftler Siedlungsspuren aus der Zeit vom 5. bis zum 16. Jahrhundert entdeckt, darunter auch die Scherbe einer hochwertigen römischen Gefäßkeramik, die aus dem südwestfälischen Raum bislang unbekannt war.

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Einzigartige römische Scherbe
Grabungsleiter Stephan Deiters präsentiert den Fund einer römischen Scherbe, die in dieser Form für Südwestfalen bisher einzigartig ist. Foto: LWL/Wolpert

Seit Beginn der Grabungen Mitte April haben die Archäologen unter der Leitung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) verschiedene Spuren der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Besiedlung freigelegt. Dazu zählen zwei steinerne Gebäudefundamente aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Das größere der beiden Fundamente misst etwa acht mal fünf Meter und besteht vor allem aus Sandstein. Innerhalb der Gebäudereste haben die Archäologen Scherben von Krügen und Bechern ausgegraben. Die Gefäße stammen aus dem Siegburger Raum - es handelt sich also um Handelsware aus dem Rheinland.

Im Umfeld der Hausfundamente stießen die Forscher auf mehrere Gruben, die sie anhand von Keramikscherben in das 11. bis 12. Jahrhundert datieren können. Bei diesen Anlagen handelt es sich teilweise um Standspuren von Pfosten, teilweise um Abbaustellen von Lehm.

Von besonderer Bedeutung sind auch Pfostenlöcher und Gruben, die aus den ersten nachchristlichen Jahrhunderten stammen, also der Spätantike und Völkerwanderungszeit. Die Pfostenlöcher sind die Reste hölzerner Gebäude. Aus der gleichen Epoche stammt auch ein Brunnen. Zu den Keramikfunden gehört eine Scherbe von einem römischen Gefäßdeckel aus dem 5. Jahrhundert. Diese rötliche und häufig kunstvoll verzierte Keramik ist unter dem Namen »Terra Sigillata« bekannt und ist in dieser spätantiken Ausprägung in Südwestfalen bisher einzigartig. Derartige Gefäße stammen vor allem aus Töpfereien in Italien, Frankreich und dem Rheinland. Die Scherbe ist also Teil eines hochwertigen Gefäßes, das über lange Wege nach Marsberg gelangte.

Dass sich solche alten Funde erhalten haben, ist der Diemel zu verdanken: Über Jahrhunderte hinweg hatte der Fluss bei Überschwemmungen immer wieder lehmige Sedimentschichten abgelagert. Dadurch wurden ältere Siedlungsreste nach und nach abgedeckt und so vor Zerstörung geschützt. »Hier im Boden liegen mehrere Schichten übereinander, die aus ganz unterschiedlichen Epochen herrühren«, so Dr. Eva Cichy vom LWL. »Diese Ausgrabung gehört ganz klar zu den anspruchsvollsten Flächengrabungen, die wir je in Südwestfalen durchgeführt haben.«

Auch die Größe der Fläche macht die Ausgrabung zu einem aufwendigen Unternehmen, mit dem eine archäologische Fachfirma aus Ungarn beauftragt wurde. Der Anlass ist die geplante Erweiterung des Gewerbegebiets Westheim II. Bislang haben die Archäologen mit etwa 15.000 Quadratmetern die Hälfte der Fläche untersucht.

Im ersten Teil des geplanten Gewerbegebiets haben Archäologen bereits im vergangenen Jahr Ausgrabungen durchgeführt. Schon damals stießen sie auf Siedlungsreste vom 4. bis zum 16. Jahrhundert. 1.200 Jahre Stadtgeschichte liegen damit im Boden von Marsberg-Westheim verborgen. Diese Spuren werden untersucht und dokumentiert, bevor das Gewerbegebiet errichtet wird.

Ausgrabung Marsberg 2018
LWL-Archäologin Dr. Eva Cichy und Grabungsleiter Stephan Deiters erklären die komplizierte Abfolge der archäologischen Bodenschichten. Foto: LWL/Wolpert