5000 Jahre alte Milchproteine zeigen die Bedeutung der Molkerei im Osten Eurasiens

Durch die Analyse von Milchproteinen aus Zahnstein, gelang es Forscherinnen des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und ihren internationalen Kollegen die ältesten Beweise für Molkereikonsum in der östlichen eurasischen Steppe zu finden. Sie datieren die Molkerei in der östlichen Steppe um mehr als 1700 Jahre zurück und verweisen auf Migration als Ursprung der Molkerei

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Pferde in der Steppe
Pferde in der Steppe (© Björn Reichhardt)

Millionen Menschen leben heutzutage von Molkereiprodukten. Darunter auch die Bevölkerung der Mongolei, wo Milchprodukte etwa 50% der konsumierten Kalorien während des Sommers ausmachen. Obwohl Molkereiwirtschaft ein wichtiger Teil von Kultur und Leben in der Eurasischen Steppe darstellt, ist ihre Ausbreitung von ihrem Ursprung in Südwestasien und ihre Entwicklung bislang wenig untersucht. Eine aktuelle Studie, geleitet von Shevan Wilkin und Jessica Hendy des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Jena präsentiert die ältesten Beweise für Molkereikonsum in Ostasien um ca. 3000 v. Chr.

Die hochmobile Natur der pastoralistischen Gesellschaften und starke Winde erschweren die Suche nach Orten mit direktem Bezug zu den Lebensweisen und der Kultur der historischen Mongolen. Die Forscher suchten deshalb nach Hinweisen in Grabhügeln, die sich oft durch Steinmonumente und manchmal auch angrenzende Tiergräber auszeichnen.

In Zusammenarbeit mit der National University of Mongolia analysierten die Forscher Zahnstein von Personen aus der Bronzezeit bis zum Mongolischen Reich. Drei Viertel der Personen zeigten Spuren von Molkereikonsum, was für die weit verbreitete Bedeutung von Molkereiprodukten sowohl in der prähistorischen als auch in der historischen Mongolei spricht. Die Ergebnisse der Studie beinhalten den frühesten direkten Nachweis für den Milchkonsum in Ostasien, der bei einer Person aus der Afanasievo-Stätte von Shatar Chuluu identifiziert wurde, mit einem Alter von etwa 3000 v. Chr. Vorherige DNA-Analysen zeigten ortsfremde genetische Marker, die mit denen von Bevölkerungsgruppen aus der westlichen Steppe übereinstimmen. Dies spricht für bronzezeitliche Migrationen der Afanasievo aus dem Westen über das russische Altai-Gebirge als plausiblen Kandidaten für die Einführung von Molkerei und Domestizierung im östlichen Eurasien.

Durch Sequenzierung der Milchproteine, die aus dem Zahnstein gewonnen wurden, gelang es den Wissenschaftlerinnen die Tierarten, welche für die Milchgewinnung genutzt wurden, zu bestimmen und damit die Entwicklung von Domestizierung, Molkerei und Viehzucht zurückzuverfolgen. "Heutige Mongolen nutzen Kühe, Schafe, Ziegen, Yaks, Kamele, Pferde und Rentiere zur Milchgewinnung. Wann und welche jedoch zu erst dafür eingesetzt wurden, bleibt weiterhin unklar", so Shevan Wilkin, Hauptautorin der Studie. "Klar ist aber, dass die wichtigen erneuerbaren Kalorien und die Flüssigkeitsversorgung, die nun durch die Molkerei verfügbar wurden, unerlässlich für die trockene und landwirtschaftlich anspruchsvolle prähistorische östliche Steppe war."

Die ersten Personen, die Anhaltspunkte für einen Milchkonsum lieferten, lebten vor ca. 5000 Jahren und konsumierten die Milch von wiederkäuenden Arten, darunter Rinder, Schafe und Ziegen. An bronzezeitlichen Stätten, die um etwa 1200 v. Chr. datiert werden können, fanden die Forscher erste Beweise für den Konsum von Pferdemilch, zeitgleich mit Indizien für den Gebrauch von Zügeln und dem Reiten der Tiere, sowie Pferde als Grabbeigaben. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass während des Mongolischen Reiches, um ca. 1200 – 1400 n. Chr., ebenfalls Kamelmilch konsumiert wurde. "Wir freuen uns, dass wir durch die Analyse von Proteinen den Verzehr mehrerer verschiedener Tierarten erkennen können, manchmal sogar bei ein und demselben Individuum. Dies gibt uns einen völlig neuen Einblick in die alten Molkereipraktiken.", so Jessica Hendy, leitende Autorin der Studie.

Jahrtausende nach den ersten Anzeichen für den Konsum von Pferdemilch sind Pferde für das tägliche Leben vieler Menschen in der modernen Mongolei nach wie vor lebenswichtig. Berittene Viehhirten sind auf sie angewiesen, um große Viehherden zu bewirtschaften, Menschen und Vorräte zu transportieren und nutzen sie als Hauptquelle für Fleisch und Milch. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass die Eingliederung von Pferden in die Milchviehhaltung in Osteurasien eng mit einem breiteren wirtschaftlichen Wandel in der Nutzung von Pferden zum Reiten und für Bewegung und Ernährung verbunden war", so William Taylor von der Universität Colorado-Boulder, einer der Koautoren der Studie.

Obwohl die frühesten Personen, die für die Studie benutzt wurden, Beweise für den Konsum von Molkereiprodukten zeigten, hoffen die Forscherinnen, dass zukünftige Studien Individuen aus vorherigen Perioden ebenfalls untersuchen werden. "Um uns ein klareres Bild von der Herkunft der Molkerei in dieser Region zu machen, müssen wir den Einfluss der Migration von Viehzüchtern aus der westlichen Steppe verstehen und können dann bestätigen, ob Molkereiwirtschaft bereits vor deren Ankunft in der Mongolei betrieben wurde", schließt Shevan Wilkin ab.

Pferdegrab bei Morin Mort, Mongolei
Pferdegrab bei Morin Mort, Mongolei (© William Taylor)
Publikation

Shevan Wilkin, Alicia Ventresca Miller, William T.T. Taylor, Bryan K. Miller, Richard W. Hagan, Madeleine Bleasdale, Ashley Scott, Sumiya Gankhuyg, Abigail Ramsoe, S. Uliziibayar, Christian Trachsel, Paolo Nanni, Jonas Grossmann, Ludovic Orlando et al.

Dairy pastoralism sustained Eastern Eurasian steppe populations for 5000 years

Nature Ecology & Evolution. 2.3.2020
DOI: 10.1038/s41559-020-1120-y