Forschende aus Deutschland, Großbritannien und den USA kommen jetzt nach eingehenden Analysen von globalen archäologischen Datensätzen zu einem differenzierteren Bild. "Innovationen und steigende Produktivität haben in der Jungsteinzeit nicht zu größerer Ungleichheit geführt", sagt Prof. Dr. Tim Kerig, Leiter des Museums Alzey und bis Februar 2025 Postdoc im Exzellenzcluster ROOTS. Er ist Erstautor der Studie, die jetzt in einem Sonderband der internationalen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) erschienen ist.
Als Grundlage der Studie diente die globale Datenbank des GINI-Projekts (Global Dynamics of Inequality), das von der National Science Foundation der USA finanziert und vom Center for Collaborative Synthesis in Archaeology (CCSA) an der Universität Boulder (Colorado, USA) betreut wird. Die Datenbank umfasst mehr als 50.000 Datensätze zu menschlichen Behausungen der vergangenen 20.000 Jahre. Diese Daten können als Indikator zu Wohlstands-Ungleichheiten in der Vergangenheit genutzt werden.
Für die aktuelle Studie nutzte das Team Daten, die etwa den Zeitraum 2000 Jahre vor bis 2000 Jahre nach dem ersten Auftreten von Landwirtschaft, also dem Beginn der Jungsteinzeit, in einer Region abdecken. Diese Daten setzten die Forschenden in Verbindung mit dem frühesten Auftreten entscheidender Innovationen wie der Einführung von Nutzpflanzen, der Tierhaltung oder der Nutzung von Last- oder Zugtieren.
"Wir konnten keinen Zusammenhang zwischen dem Auftreten von ganz grundlegenden Innovationen und der Entwicklung hin zu höheren Ungleichheiten feststellen, weder auf globaler Ebene noch in regionalen Fallstudien. Wenn wir überhaupt einen Zusammenhang feststellen können, dann den, dass Innovationen bestehende Ungleichheiten wieder beseitigten", betont Tim Kerig.
Natürlich können Innovationen zu höherer Produktivität und damit zu Überschüssen führen. Diese sind eine notwendige Voraussetzung für größere Vermögensungleichheiten. "Allerdings deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass steigende Produktivität nicht zwangsweise zu Wohlstandsungleichheit führt. Die Gesellschaften der Jungsteinzeit organisierten und reorganisierten in den untersuchten zwei Jahrtausenden ihre Wirtschaftssysteme und steigerten ihre Produktivität, ohne dass die Ungleichheit zunahm. Wir sehen trotz gewaltiger Umbrüche 100 Generationen lang eine stabile Gleichheit in der Jungsteinzeit", fasst Tim Kerig zusammen.
Die Studie ist Teil eines Sonderbands mit dem Titel "The Global Dynamics of Inequality over the Long Term" (Die globale Dynamik der Ungleichheit auf lange Sicht). In ihm sind mehrere Studien zusammengefasst, die sich mit sozialen Strukturen, Wirtschaft und Arbeit, Produktivität und Innovationen seit der Jungsteinzeit auf Grundlage des GINI-Projekts beschäftigen.
Publikation
100 generations of wealth equality after the Neolithic transitions
PNAS. 14.4.2025
DOI: 10.1073/pnas.2400697122