Aussergewöhnliche Pfahlbausiedlungen bei Sutz-Lattrigen

Bei Rettungsgrabungen am Bielerseeufer in Sutz-Lattrigen stiess der Archäologische Dienst des Kantons Bern (Schweiz) auf aussergewöhnliche Pfahlbausiedlungen. Auffallend ist eine Verteidigungsanlage in Form einer mächtig angelegten Palisade. Vergleichbares ist bislang aus der Seeuferarchäologie Mitteleuropas nicht bekannt.

Ausschnitt des Pfahlplanes (Bild zvg. Archäologischer Dienst des Kantons Bern)
Ausschnitt des Pfahlplanes (Bild zvg. Archäologischer Dienst des Kantons Bern)

Bereits im Jahr 2004 löste die Umgestaltung des Badeplatzes beim Campingplatz in Sutz 2004 eine erste archäologische Rettungsgrabung aus. Die aktuelle Rettungsgrabung, die Ende Mai 2009 nach insgesamt 24 Monaten Taucharbeiten abgeschlossen wird, startete im Januar 2007 in der sogenannten "Neuen Station". Sie wurde notwendig, weil im Rahmen der kantonalen Uferschutzplanung der Abbruch der Ufermauer und eine Renaturierung des Ufers vorgesehen sind. Zudem soll an diesem Uferabschnitt ein Stichzugang für den Seeuferweg errichtet werden. Im Verlauf der Arbeiten stellte sich heraus, dass ein grosser Teil der Fundstelle bereits weitgehend erodiert ist. Aufgrund seiner besonders gefährdeten Lage vor einer Ufermauer drängte sich eine umfassende Rettungsgrabung auf.

Bei den Ausgrabungen stellte sich heraus, dass die ältesten baulichen Spuren der "Neuen Station" von zwei Gebäuden der Jahre 3391 und 3389 v.Chr. stammen. Besonders interessante Baubefunde wurden bei einem Dorf entdeckt, das sich ab 3205 v.Chr. entwickelte und in mehreren Phasen bis mindestens 3122 v.Chr. bestand. Auffallend ist eine Verteidigungsanlage in Form einer überraschend gross und mächtig angelegten Palisade. Vergleichbares ist bislang aus der Seeuferarchäologie Mitteleuropas nicht bekannt. Ähnliche Anlagen treten ansonsten erst in der Frühen Bronzezeit, d.h. mehr als 1500 Jahre später auf. Befestigte Dörfer aus der Zeit um 3200 v.Chr. sind für die Forschung völlig neu und werfen ein neues Licht auf das soziale Verhalten der frühen Seeländer. Verteidigungsanlagen lassen darauf schliessen, dass es auch in diesen Zeiten nicht immer friedlich zu und herging. Weitere Dorfanlagen bei der "Neuen Station" in Sutz-Lattrigen reichen in die Zeit zwischen 2852-2843 v.Chr. und um 2725 v.Chr. zurück. Auf engstem Raum sind damit an einem 200 Meter langen Uferabschnitt über 500 Jahre frühe Geschichte der Region und der ersten bäuerlichen Bevölkerungen konzentriert.

Am Uferabschnitt der Gemeinde Sutz-Lattrigen am Bielersee befinden sich insgesamt sieben prähistorische Pfahlbau-Siedlungsareale aus der Zeit zwischen 4300 und 1600 v. Chr. Der Archäologische Dienst des Kantons Bern untersucht diese Fundstellen seit 1988. In den 1990er Jahren konzentrierten sich die Arbeiten auf die Fundstellen in der Bucht von Lattrigen. Sie wurden im westlichen Teil der Gemeinde 2005 abgeschlossen. Die Rettungsgrabungen der letzten Jahre wurden unumgänglich, weil die massive Erosion des Seebodens in der Flachwasserzone mittelfristig zu einem Totalverlust der Fundstellen führen wird. Hauptverantwortlich dafür sind die Eingriffe in den Bielersee im Rahmen der beiden Juragewässerkorrektionen.

Taucher bei der Arbeit (Foto zvg. Archäologischer Dienst des Kantons Bern)
Taucher bei der Arbeit (Foto zvg. Archäologischer Dienst des Kantons Bern)
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