Laura Trenter: Knochen, Scherben, Grabbeigaben. Archäologie zum Mitmachen

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Kurzbeschreibung: Kinder, Jugendliche und spielfreudige Erwachsene, die schon immer einmal archäologische Funde ausgraben und im Museum ausstellen wollten, haben nun die Möglichkeit, virtuell ihre Träume zu verwirklichen. Dabei machen sie eine Reise durch Skandinaviens Kulturgeschichte von der Steinzeit bis zur Wikingerzeit.

Inhalt: Björn Jensen, schwedischer Professor für Archäologie in gelber Jacke und blauen Gummistiefeln, sucht dringend Hilfe, um Grabungen durchzuführen und die Abteilung für Vor- und Frühgeschichte im Museum einzurichten. Da ist der Spieler gefragt, der - nach einer kurzen Einführung in Grundprinzipien der Stratigraphie am Beispiel eines modernen Mülleimers - per Hubschrauber in das erste von insgesamt zehn archäologisch interessanten Gebieten geflogen wird.

Dort besteht die Aufgabe zunächst darin, anhand der vagen Andeutungen von Professor Jensen die genaue Fundstelle zu identifizieren. Wenn der Bagger die Humusschicht abgezogen hat, kann es losgehen: Markierungsschnur spannen, auf der Fläche Schicht für Schicht hinuntergraben und die Funde freilegen. Dafür stehen dem Spieler verschiedene Geräte zur Verfügung, von der Spitzhacke bis zum Pinsel. Erscheint ein Fund, muss er per Mausklick und entsprechendem Gerät geputzt, mit der Digitalkamera fotografiert und in die Fundkiste gelegt werden. Der Computer aktualisiert beim Fotografieren die "Planskizze" (hier erscheinen die Funde aller Schichten in Aufsicht auf einer Ebene) und zeichnet automatisch das (stratigraphisch differenzierte) Profil für die gesamte Grabungsstelle. Ebenso kann man von der Umgebung ein Luftbild anfertigen und, je nach Fundort, Phosphatanalysen bzw. Georadarprospektionen durchführen lassen.

Mit den Funden geht es per Hubschrauber zurück zum Museum und zu den Experten im Keller: Professor Jensen hilft bei der Bestimmung der Gegenstände, der Restaurator bei der Wiederherstellung ihres Originalzustandes. Knochenfunde kann man zur Osteologin bringen, die sofort eine Zuordnung der knöchernen Überreste von Menschen und Tieren vornimmt. Bei einigen Objekten verrät die Kulturanthropologin etwas über ihren möglichen Verwendungszweck. Je nach Fund kann der Spieler außerdem im Labor eine Radiokarbon-Datierung und verschiedene Analysen (Pollen-, Makrofossilien-, Spurenelemente- oder Holzarten-Analyse) vornehmen. Sämtliche Informationen speichert das digitale "Notizbuch" automatisch; Fachbegriffe können im Archäologie-Handbuch nachgeschlagen werden.

Dann beginnt die Arbeit an der Ausstellung: Texttafel für die Vitrine ausfüllen, einen Film mit der eigenen Theorie zum einstigen Geschehen am Fundort schneiden, die Funde in die Vitrine legen. Der Computer fügt anschließend eine Rekonstruktion von Klima und Vegetation hinzu.
Erst, wenn all diese Aufgaben gelöst sind, kann mit dem Hubschrauber zum nächsten Ausgrabungsort geflogen werden. Am Ende des Spiels eröffnet Professor Jensen feierlich die aus zehn Vitrinen bestehende Ausstellung, bedankt sich beim Spieler für dessen Hilfe und überreicht ihm eine Urkunde.

Pädagogisch-didaktische Beurteilung: Spielerisch, zum Teil kreativ und gleichzeitig unter "fachlicher Anleitung" erarbeiten sich die Spieler selbst den Inhalt der CD-ROM.

Die witzigen Figuren, die comicartigen Filmschnitte sowie die allgemein sehr gelungene graphische Gestaltung sorgen für Spaß und Vergnügen und motivieren zur intensiven Auseinandersetzung mit den Funden. Die Spieler können dabei viel lernen: Die Schritte von der Grabung bis zur Ausstellung bauen aufeinander auf, braucht man doch zahlreiche im Labor oder bei den Experten erarbeitete Informationen, um den Lückentext zur Vitrinenbeschriftung richtig auszufüllen oder einen glaubhaften Film zu schneiden.

Gewisse Spielregeln erziehen darüber hinaus zur Genauigkeit: Zerstört man einen Fund, weil man mit zu grobem Gerät gegraben hat, mahnt Professor Jensen zur Vorsicht. Er sorgt auch dafür, das man regelmäßig den Aushub durchsiebt. Bevor nicht alle Funde bestimmt wurden und in der Vitrine liegen, und bevor der anspruchsvolle Lückentext für die Vitrinenbeschriftung nicht vollständig und richtig ausgefüllt ist, gelangt man im Spiel nicht zur nächsten Station.

Dadurch wird das Spielen jedoch auch mühsam, zumal nicht immer offensichtlich ist, warum an bestimmten Stellen kein Vorankommen möglich ist - vieles erschließt sich nur durch Ausprobieren. So besteht die Gefahr, dass frustrierte Spieler weitere Grabungsstellen gar nicht erst kennen lernen. Eine Spielanleitung und die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Grabungsstellen zu springen, wären sicherlich sinnvoll gewesen.

Beurteilung aus archäologischer Sicht: Das Spiel überzeugt durch ein hohes Maß an Informationsdichte und sachlicher Richtigkeit. Ihm ist die Mitarbeit von Archäologen an vielen Stellen abzulesen, von der Ausgrabung selbst bis zum sehr informativen und fachlich korrekten "Handbuch", das zahlreiche Angaben zu den behandelten Epochen und Erläuterungen zu Fachtermini enthält.

Leider jedoch wurde die schwedische Produktion nur rein sprachlich ins Deutsche übertragen. Die Auswahl der (größtenteils real existierenden) Funde, die chronologische Einteilung der Epochen und deren Benennung beschränken sich auf Skandinavien. Der starke Bezug zu diesem Raum ist zwar für schwedische Benutzer aufgrund der besseren Identifikation mit der eigenen Kulturgeschichte sinnvoll und wünschenswert, führt aber in der deutschen Spielversion eben durch den ausschließlich regionalen Bezug zu nicht ganz korrekten und unvollständigen Bildern - dem Spieler wird an keiner Stelle erläutert, dass das vermittelte Chronologiesystem für Mitteleuropa nicht stimmt und in seinem eigenen Heimatraum je nach Wohnort beispielsweise keine Funde der "Grubenkeramischen Zeit" vorkommen, oder dass hier keine Wikinger lebten.

Archäologen bietet die CD-ROM einiges zum Schmunzeln: So können wir nur davon träumen, mit dem Hubschrauber zur Ausgrabung geflogen zu werden oder über die computergestützen technischen Möglichkeiten vor Ort zu verfügen. Per Mausklick geht alles wesentlich schneller und müheloser als in der Realität ... . Wenig realistisch, aber wohl kindgerecht, gestaltet sich auch die Arbeit des Restaurators, der mal eben den Zauberstab zückt, "Hokus pokus" spricht, und die Funde funkeln wie neu. Die stark vereinfachten Apparaturen im Labor sowie deren Bedienung sind zwar lustig, führen jedoch zu falschen Vorstellungen: Für eine Radiokarbon-Datierung beispielsweise (die hier selbst bei wikingerzeitlichen Funden jahrgenaue Ergebnisse bringt!) wird einfach der ganze Fundgegenstand auf dem Holzbrett zerhackt.

Das Museum gleicht ein wenig einer alten, verstaubten Burg (selbst die Türen quietschen), und Ausstellungsräume sowie Vitrinen sind alles andere als modern und einladend gestaltet. Professor Jensen gibt keine Ruhe, bis jeder einzelne Fund einer Ausgrabung auf dem rosafarbenen Samtbezug in der Vitrine gelandet ist - ob die Objekte optisch ansprechend oder didaktisch sinnvoll angeordnet sind, ist ihm aber gleichgültig. Ist dies das Bild von Museum, das die Archäologie auch heute noch der Öffentlichkeit vermittelt?

Insgesamt ist die Tatsache zu begrüßen, dass eine fachlich weitestgehend fundierte, interaktive CD-ROM für Kinder und Jugendliche zum Thema Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie auf dem Markt ist. Bezüglich der Gestaltung ist der schwedischen Produktion einiges abzuschauen, doch wäre für den deutschen Sprachraum eine entsprechende Version zu Funden, Fundorten und den archäologischen Epochen Mitteleuropas wünschenswert.

Rezension zu

Knochen, Scherben, Grabbeigaben. Archäologie zum Mitmachen
Laura Trenter

München: Terzio Verlag 2000 (Gammafon Multimedia AG 1999).
ISBN 3-932992-76-8
CD-ROM für Kinder und Jugendliche von 10 bis 14 Jahren.
Preis: 49,95 DM