Franz Alto Bauer/ Norbert Zimmermann (Hrsg.): Epochenwandel?

Kunst und Kultur zwischen Antike und Mittelalter

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Thema und Fragestellung des Sammelbandes

Franz Alto Bauer und Norbert Zimmermann beschreiben in ihrem einführenden Beitrag den Umbruch von der Antike zum Mittelalter als Thema des Buches. Es meldeten sich Autoren zu Wort, "die an verschiedenen Beispielen das Phänomen des Wandels zwischen Antike und Mittelalter anschaulich machen wollen und nach den tieferen Ursachen dafür fragen". Entgegen den im Titel durch das mit einem Fragezeichen versehene Wort "Epochenwandel" vielleicht geweckten Erwartungen soll in dem Werk jedoch nicht vordergründig die Frage thematisiert werden, ob die Spätantike einen Epochenwandel darstellt oder nicht. Die Beiträge begreifen sich nicht als definitive Antwort nach dem Zeitenwechsel. Herausgeber und Autoren wollen vielmehr den Standpunkt des heutigen Betrachters in den Vordergrund gerückt wissen und fragen, warum wir heute einen Wechsel feststellen. Dem Leser soll durch die Betrachtung der spätantiken Beispiele Gelegenheit gegeben werden, seinen eigenen Standpunkt bei der Beschäftigung mit einer historischen Epoche zu entdecken und "Geschichte als Möglichkeit des Nachdenkens über die Gegenwart zu begreifen" (Klappentext).

 

Inhalt

Dem Wandel der spätantiken Bilderwelt und dessen Aussagekraft widmen sich die beiden ersten Aufsätze des Sammelbandes. In "Göttlicher Kaiser und kaiserlicher Gott. Die Imperialisierung des Christentums im Spiegel der Kunst" zeigt JOHANNES G. DECKERS, wie die Darstellungen Christi seit Anfang des 4. Jahrhunderts herrscherlichen Charakter bekommen. Die veränderte Darstellungsweise Christi verbindet Deckers überzeugend mit der Notwendigkeit der ersten christlichen Kaiser, die in der Zeit der Tetrarchen immer enger gewordene Verbindung zwischen kaiserlicher Macht und Gottheiten nun auf Christus zu übertragen. Ein Christus, der auch in der äußeren Erscheinung, Anspruchslosigkeit, Bescheidenheit, Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit demonstriert, eigne sich, so Deckers, kaum dazu, die machtvolle Gottheit eines auf Sieg setzenden römischen Kaisers darzustellen.
Wie prestigeträchtige Prachtentfaltung in der Repräsentation und die Stabilisierung der kaiserlichen Macht zusammenhängen, erklärt RAINER WARLAND in seinem Beitrag "Die neue Symbolik der Macht. Der visuelle Beitrag der spätantiken Kunst zur Neuordnung von Herrschaft und Religion". In der Zeit Diokletians entstand ein ausgefeiltes Sytem kaiserlicher Inszenierung orientalisch-persischen Ursprungs, das sich in den Bildern durch Nimbus, Krone, Edelsteinornat und einem Kuppelbaldachin (Ciborium) über dem Thron ausdrückt. In Wechselwirkung mit der kaiserlichen Repräsentation wuchs innerhalb der spätantiken Oberschicht die Lust an der Zurschaustellung von Reichtum und auszeichnenden Realien, abzulesen an den Raumaustattungen spätantiker Villen oder den reichen Silberschätzen der Spätantike.

 

Den kunsthistorischen-archäologischen Beiträgen Deckers und Warlands folgen zwei historische Aufsätze, die im Gegensatz zu den zuvor dargestellten neu aufkommenden Darstellungsweisen in der Bildkunst eher die Elemente der Kontinuität betonen. STEFAN REBENICH geht in "Wohltäter und Heilige. Von der heidnischen zur christlichen Patronage" auf das Fortbestehen und die Verchristlichung des antiken Patronagesystems ein. Während christliche

patroni weiterhin die althergebrachte Position des Schutzherren für eine Gruppe von Klienten behalten, lediglich erweitert um bestimmte christliche Tugenden wie etwa die Armenfürsorge, tritt nun in der Rolle der Schutzheiligen neben die irdische die himmlische Patronage.

Auf den Umgang mit den antik-heidnischen Kultbildern im spätantik-christlichen Reich geht TANJA S. SCHEER in ihrem Artikel "Heidnische Vergangenheit und christliche Gegenwart. Die Kultbilder der Götter in der Spätantike" ein. So zeigt sie, daß nicht von einer plötzlichen Verdammung aller heidnischen Kulte und Zerstörung aller Kultbilder nach Konstantins Wende zum Christentum ausgegangen werden darf, wie es etwa Eusebius von Caesarea darstellt, sondern daß die heidnischen Kulte in einem bis weit ins 5. Jahrhundert hinein dauernden Prozeß allmählich an Attraktivität verloren und das Christentum in einem langsamen religiösen Wandel über die heidnischen Kultbilder siegte.

An zwei konkreten Beispielen werden in der Folge Kontinuität und Wandel in der Spätantike sichtbar gemacht. Als neuer Kunstzweig entsteht in der Spätantike die malerische Ausstattung von prachtvollen Büchern. BARBARA ZIMMERMANN gibt in ihrem Aufsatz "Illustrierte Prachtcodices. Bücherluxus in der Spätantike" einen Überblick über diese neuartige Kunstgattung und verdeutlicht so die innovative Kraft der Spätantike.
Am Beispiel des frühchristlichen Pilgerheiligtums auf dem Hemmaberg in Kärnten, das durch ausführliche und großflächige Ausgrabungen gut erforscht wurde, erläutert SABINE LADSTÄTTER in ihrem Beitrag "Kontinuität trotz Katastrophe", wie auch in den in der Völkerwanderungszeit schwer geprüften römischen Gebieten nördlich der Alpen neben Wandel, Veränderungen und Zerstörungen bis in die slawische Zeit hinein kontinuierliche Elemente stehen.

HANS-RUDOLF MAIER verdeutlicht in seinem Beitrag "Der Begriff des Modernen und das Ende der Antike. Ein neuer Blick auf die materiellen Zeugen des Altertums" anhand der Begriffgeschichte des Wortes modernus, daß man sich zur Zeit der ostgotischen Herrschaft im Italien des 6. Jahrhunderts durchaus des Endes der Antike bewußt war. Neben Trauer über die vergangene glorreiche Zeit stand aber doch das Bemühen, den antik-römischen Vorbildern nachzueifern. Auf einigen Gebieten, wie etwa im orthographisch-grammatischen Bereich, fühlte man sich in der "modernen" Zeit Theoderichs und Cassiodors sogar der Antike gleichwertig. Trauer war demnach nicht Resignation gleichzusetzen.

FRANZ ALTO BAUERs Aufsatz "Beatitudo Temporum. Die Gegenwart der Vergangenheit im Stadtbild des spätantiken Rom" zielt in eine ähnliche Richtung. Im Rom des 4. und 5. Jahrhunderts waren Zerfall und Niedergang zwar omnipräsent. Dennoch bemühte man sich aber, wichtige Bestandteile des antiken Stadtbildes zu erhalten oder zu restaurieren. Indem man wichtige Monumente vergangener Größe der Stadt erhielt, war es möglich, sich glauben zu machen, noch immer in einer glückseligen Zeit zu leben. Ob die Menschen des spätantiken Rom daran glaubten, was die Restaurierungsinschriften verkündeten, kann auch Bauer nicht feststellen. Sicher scheint nur, daß man sich in Rom im 4. und frühen 5. Jahrhundert noch nicht in dem Maße eines Epochenwechsels bewußt war, wie es Maier für das 6. Jahrhundert zeigen konnte.

Auch SUSANNE MUTHs Aufsatz "Eine Kultur zwischen Veränderung und Stagnation. Zum Umgang mit Mythenbildern im spätantiken Haus" zeigt anhand von Bodenmosaiken deutlich die Ambivalenz zwischen Kontinuität und Wandel in der Spätantike. Obwohl auch in christlicher Zeit weiterhin antike Mythenbilder zur Raumaustattung verwendet werden, zeigen sich im Vergleich mit dem vorangehenden 3. Jahrhundert doch auch deutliche Unterschiede in der Auswahl der Motive. Neben alte Mythenbilder vornehmlich erotischen Inhalts, die als Forum der Darstellung von Geschlechterrollen und -beziehungen dienten, traten neue, die - wie die beliebten Jagdszenen - auf die gewandelten Bedürfnisse aristokratischer Selbstdarstellung im Haus reagierten. Man verwendete die Mythenbilder, um in indirekter Weise über sich selber und sein eigenes Leben zu sprechen. Der Umgang mit diesen Bildern blieb demnach als kontinuierliches Element konstant, während sich die darzustellende Wertewelt wandelte.
In dem Beitrag "Beginn und Ende der Katakomben. Die Gesellschaft des spätantiken Rom im Spiegel ihrer Nekropolen" geht NORBERT ZIMMERMANN mit Blick auf die Grabstätten der christlichen Gemeinde Roms auf die Veränderungen in der spätantiken Gesellschaft ein. Während auch hier wiederum Kontinuität und Wandel zu fassen sind, weist Zimmermann abschließend auf eine Tatsache hin, die gleichermaßen für den ganzen Sammelband gelten würde: "Ob man nun in diesen Monumenten [...] die Antike ausklingen oder vielmehr eine neue, christlich geprägte Epoche beginnen lassen will, hängt wohl entschieden mehr vom Standpunkt des Betrachters ab denn von den Monumenten selbst".

Eindruck

Titel und einführender Artikel des Sammelbandes stellen eine Reihe von Fragen, die der Leser auch im Band erörtert zu finden erwartet. Leider werden jedoch die eingangs gestellten Fragen in den einzelnen Beiträgen eher stiefmütterlich behandelt. Der Leser muß sich die in den verschiedenen Aufsätzen deutlich gemachten Elemente von Kontinuität und Wandel selbst zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Dank der Qualität der Beiträge ist dies zweifellos möglich. Das Fehlen eines abschließenden und zusammenfassenden Schlußwortes macht sich trotzdem schmerzlich bemerkbar. Titel und Fragestellung des Bandes bleiben lediglich eine Klammer, die unterschiedlichen Beiträge zur Spätantike unter einem Dach zu vereinen. Obwohl sich der Leser nach der Lektüre aller Beiträge durchaus ein differenziertes Bild von Kontinuität und Wandel in der Spätantike machen kann, ist zu bedauern, daß nur wenige Einzelartikel die Fragestellung des gesamten Bandes noch einmal explizit aufgreifen und Stellung beziehen. Hier ist vor allem SUSANNE MUTH positiv hervorzuheben, die der Fragegestellung des Bandes in Bezug auf ihr Thema der Mythenbilder einen eigenen Epilog widmet. Gutgetan hätte dem Gesamteindruck des Bandes auch der eine oder andere zusätzliche Querverweis. Der allgemeine Charakter des Untertitels "Kunst und Kultur zwischen Antike und Mittelalter" erfüllt nicht die vielleicht gehegten Erwartungen. Der Band bietet klar eine schöne Auswahl von sicher wichtigen Beispielen spätantiker Kunst, keinesfalls jedoch einen allgemeinen Überblick. Wünschenswert wäre bei dem Titel "Epochenwandel?" auch eine Information zum Stand der Diskussion um den Zäsurcharakter der Spätantike zwischen Antike und frühem Mittelalter gewesen, die ja keine neue wissenschaftliche Frage darstellt, sondern schon seit dem Erscheinen der Arbeiten von A. Dopsch und H. Pirenne in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg intensiv dikutiert wird.

Dennoch ist der Band jedem, der sich für die Spätantike interessiert, ans Herz zu legen. Die einzelnen Beiträge sind alle wertvoll und zeigen die wichtigsten Entwicklungen und Phänomene auf. Ein ausführlicher Anmerkunsapparat im Anhang erleichtert den Einstieg in weitere Arbeiten erheblich, folgt jedoch keinem einheitlichen System. Hinzu tritt mit 156 farbigen und 50 Schwarzweißabbildungen eine großartige Sammlung von Aufnahmen wichtiger spätantiker Kunstwerke, die für sich schon eine Anschaffung des Bandes lohnt. In der Qualität von Druck und Layout steht der Band seinen Vorgängern in der Reihe von "Zaberns Bildbänden zur Archäologie" in nichts nach. Als besonders positiv ist mit Ladstätters Beitrag zum Hemmaberg auch die Aufnahme eines feldarchäologischen Themas in ein Sammelwerk zu spätantiker Kunst und Kultur zu würdigen. Der Bereich der spätantik-christlichen Archäologie wird ansonsten noch immer stark von einer kunsthistorischen Ausrichtung dominiert, in der grabungsarchäologische Funde und Befunde sowie artes minores häufig noch nicht den Stellenwert einnehmen, der ihnen zustehen würde. In einem an die breitere Öffentlichkeit gerichteten Buch hätte zudem mancher der Autoren auf eine bessere Verständlichkeit achten können.

Fazit

Obwohl die Fragestellung des Sammelbandes nicht mehr als eine Klammer für die Sammlung verschiedener Artikel darstellt, lohnen sich wegen der Qualität der einzelnen Beiträge und der Abbildungen Anschaffung und Lektüre des Bandes.

Rezension zu

Franz Alto Bauer/ Norbert Zimmermann (Hrsg.)
Epochenwandel? Kunst und Kultur zwischen Antike und Mittelalter

Mainz: Philipp von Zabern 2001
ISBN 3-8053-2703-X
Zaberns Bildbände zur Archäologie. Sonderband der Antiken Welt, 140 Seiten
Preis: DM 68,--

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