Christine Strube: Die "Toten Städte". Stadt und Land in Nordsyrien während der Spätantike

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Bei den "Toten Städten" handelt es sich eine umfangreiche Gruppe spätantiker und frühmittelalterlicher Siedlungen, die sich in der kargen Landschaft des nordwestsyrischen Kalksteinmassivs in großer Zahl erstaunlich gut erhalten haben. Die Architektur der "Toten Städte" zeichnet sich dadurch aus, dass größere Gebäude zumeist mörtellos aus sorgfältig behauenen Steinquadern aufgeschichtet wurde. Diese Bauweise ist auch der Grund, dass das aufgehende Mauerwerk vielfach bis heute mehrere Meter hoch erhalten ist. Am bekanntesten sind die zahlreichen Kirchenruinen, die auch für Touristen von hohem Reiz sind.

Das Werk von Christine Strube ist jedoch kein Reiseführer zu den schönsten der zahlreichen christlichen Basiliken. Vielmehr bietet es solide Hintergrundinformationen über die historischen und wirtschaftlichen Entwicklungen, die dazu führten, dass sich in einer Landschaft, die auf dem ersten Blick einen recht unwirtlichen Eindruck macht, eine sehr qualitätvolle Architektur entwickeln konnte. Entsprechend steht ein Abriss über die Entwicklung der Landwirtschaft - und insbesondere der Ölbaumkultur, die das Rückgrat der Wirtschaft bildete - am Anfang ihrer Ausführungen. Ein Überblick über die verschiedenen Typen der Profanarchitektur zeigt, dass die Architektur im Gebiet der "Toten Städte" mehr zu bieten hat als nur Kirchenbauten. Die Verfasserin beschreibt detailliert die verschiedenen Bauformen der privaten Wohnhauses, sowie der verschiedenen öffentlichen Gebäude: das in der Regel zweistöckige Andron, das der Siedlung als Gemeinschaftshaus diente, die Thermenanlagen, die man in einer derart wasserarmen Gegend zunächst nicht vermuten würde, sowie Herbergen und Gasthäuser, die vor allem in der Nähe von Wallfahrtsstädten vorhanden waren.

Aus der frühen, vorchristlichen Phase der "Toten Städte" sind darüber hinaus auch einige Grabdenkmäler und Tempel erhalten. Den Höhepunkt der Architektur in den "Toten Städten" bilden aber die zahlreichen Kirchenbauten, die vor allem im 5. und 6. Jahrhundert entstanden sind. Erläutert werden dabei die architektonischen Eigentümlichkeiten der Kirchenbauten, etwa die sogenannte Bema, einem u-förmigen Einbau im Mittelschiff der Kirchen, der spezifischen Eigenheiten der Liturgie des frühen orientalischen Christentums diente. Besonderes Augenmerk schenkt die Autorin der Entwicklung der Bauplastik. Dieses Feld, auf dem sie sicher nicht zu unrecht als beste Kennerin gilt, erforscht die Autorin seit gut zwei Jahrzehnten intensiv. Ein eigenes Kapitel ist dem Kult des Heiligen Simeon, des ersten Säulenheiligen, gewidmet, dessen gut erhaltene Klosteranlage den Höhepunkt der Architektur in den Toten Städten bildet.

Das Buch ist reich und überwiegend farbig bebildert. Auch wenn die Schlaghosen einzelner Personen auf den Photos zeigen, dass die Aufnahmen z.T. schon etwas älter sind, tut dies der Qualität jedoch keinen Abbruch. Insgesamt möchte ich das Buch jedem Reisenden in die Toten Städte - die man im Übrigen bei einer Syrienreise keinesfalls versäumen sollte - dringend ans Herz legen. In anderen Sprachen gibt es im Grunde kein vergleichbares Werk. Aber auch Personen, die sich für frühchristliche Architektur oder ganz allgemein die Kultur der Spätantike interessieren, kann das Buch unbedenklich empfohlen werden. In kaum einer anderen Gegend der antiken Welt lassen sich Wirtschaft und Alltag, Architektur und frühchristliche Religiosität so eindrucksvoll studieren, wie in den "Toten Städten" im Nordwesten Syriens.

Rezension zu

Christine Strube
Die "Toten Städte". Stadt und Land in Nordsyrien während der Spätantike

Mainz: Philipp von Zabern 2000 (2. Aufl.)
ISBN 3-8053-1840-5
Zaberns Bildbände zur Archäologie
Preis: € 23 (D)