Spuren früher Inn-Siedler beleuchten Übergang der Römerzeit ins Mittelalter

Zwei außergewöhnliche Gräber aus Bad Füssing erzählen von Glanz und Gewalt im frühmittelalterlichen Bayern – und von Migration zum Ende der römischen Herrschaftszeit

Frauenbestattung mit Schmuckbeigaben
Die »bajuwarische Prinzessin« in ihrem reich geschmückten Grab in situ bei Bad Füssing. Foto: Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm

Es war eine kleine Sensation: Bei Grabungen in Bad Füssing im Landkreis Passau wurde 2021 ein Gräberfeld mit rund 90 Bestattungen entdeckt. Sie stammen aus dem 6. und 7. Jahrhundert n. Chr., der Zeit der Bajuwaren – so nahm man zunächst an. Besonders ins Auge fiel das reich ausgestattete Grab einer Frau, die bald als "bajuwarische Prinzessin" bekannt wurde. Ihre Grabbeigaben sind inzwischen restauriert und funkeln wieder fast wie vor 1500 Jahren.

Damit hätten die Arbeiten am "Friedhof der Bajuwaren" eigentlich enden können, doch den Archäologinnen und Archäologen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (BLfD) fiel im Fundmaterial aus weiteren Gräbern Ungewöhnliches auf: etwa gläserne Spitzbecher, Keramikschalen und frühe Gewandschließen, die auf eine deutlich frühere Bestattungszeit hinwiesen.

Die daraufhin durchgeführte Radiokarbonanalyse an 16 ausgewählten Gräbern lässt nun aufhorchen: Die Datierungen zeigen, dass der Friedhof bereits zur Mitte des 5. Jahrhunderts genutzt wurde, rund 120 Jahre vor der Bestattung der reichen "Prinzessin". In einer Zeit also, in der die Region am Inn wohl noch unter römischer Verwaltung stand und die Bajuwaren in den Quellen noch nicht erwähnt werden. Was die Ergebnisse also deutlich machen: Zum Ende der Römerzeit fand in der Gegend am Inn bereits Migration statt – noch bevor die Bajuwaren hier siedelten, lebten in der heutigen Grenzregion andere nicht-römische Volksgruppen und bestatteten hier ihre Verstorbenen.

"So spektakulär die Grabbeigaben der Prinzessin, wie Gewandschließen aus Gold, Perlenschmuck und ein Ring aus Elfenbein, auch sind – für die Wissenschaft sind einige der älteren Gräber noch bedeutsamer. Über die Zeit zwischen dem Rückzug der Römer aus der Region und dem Beginn des Mittelalters ist bislang nur wenig bekannt. Nun kommt durch die Archäologie allmählich Licht ins Dunkel und wir verstehen immer besser, wie sich die Siedlungsgeschichte am Inn in dieser Umbruchszeit entwickelte", sagt Prof. Mathias Pfeil, Generalkonservator des BLfD.

Anthropologische Untersuchungen liefern zudem Details, die einen tiefen Einblick in das Leben am Inn zur Zeit des heiligen Severin von Noricum ermöglichen – jener Umbruchsphase um 480 n. Chr., die als sogenannter "Severins-Horizont" das Ende der römischen Ordnung im Ostalpenraum markiert. Die Spuren am Skelett eines Mannes etwa deuten auf eine gewaltsame Auseinandersetzung hin, die wohl zu dessen Tod führte. Im Grab fand sich ein Reitersporn und seine Oberschenkel wiesen Abnutzungsspuren auf, wie sie für Reiter typisch sind, sein rechtes Bein war zudem durch einen Schwerthieb verletzt. Zwei weitere Hiebspuren am Schädel waren bei seiner Bestattung nicht verheilt und dürften den Mann getötet haben. Ein brutales Schicksal liegt daher nah: Vermutlich saß der Reiter zu Pferde, als er einen Schwerthieb in den rechten Oberschenkel erlitt, vom Tier stürzte und anschließend am Boden erschlagen wurde. Funde wie diese liefern damit wertvolle Erkenntnisse zum Leben und Sterben der "ersten Bayern" am Inn vor mehr als 1500 Jahren.

S-Fibel
Restaurierte S-Fibel aus den Grabbeigaben der »bajuwarischen Prinzessin«. Foto: Korolnik Restaurierung
Rosettenfibel
Rosettenfibel aus den Grabbeigaben der »bajuwarischen Prinzessin«. Foto: Korolnik Restaurierung
Bügelfibel
Bügelfibel aus dem Grab der »bajuwarischen Prinzessin« im restaurierten Zustand. Foto: Korolnik Restaurierung
Gläserner Spitzbecher (restauriert)
Restaurierter gläserner Spitzbecher. Foto: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege
Ausgrabung des frühmittelalterlichen Gräberfeldes in Bad Füssing
Das frühmittelalterliche Gräberfeld in Würding, Bad Füssing (Landkreis Passau) im Jahr 2021. Foto: Büro für Archäologie Neupert, Kozik & Simm
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