Moderner Mensch vs. Riesentier

Mega-Pflanzenfresser wurde vom Menschen verdrängt und ersetzt

Senckenberg-Wissenschaftler Hervé Bocherens hat das Aussterben von Mega-Herbivoren – pflanzenfressende Tiere über eine Tonne Gewicht – vor etwa 12.000 Jahren untersucht. Der Tübinger Wissenschaftler kommt zu dem Schluss, dass der moderne Mensch zum einen Aussterbegrund für die riesigen Landtiere war, zum anderen aber auch deren Ökosystemfunktionen zu Teilen übernommen hat.

Ausgestorbener Mega-Pflanzenfresser: das Amerikanische Mammut
Ausgestorbener Mega-Pflanzenfresser: das Amerikanische Mammut. (© Senckenberg)

Heutzutage gibt es nur wenige Tiere, die ein Gewicht von einer Tonne und mehr auf die Waage bringen. Elefanten, Flusspferde und Nashörner gehören zu diesen "Mega-Pflanzenfressern“ und sind trotz ihrer Größe in ihren Beständen gefährdet. "Aus erdgeschichtlicher Sicht ist die geringe Anzahl so weniger großer Tierarten eine Anomalie" erklärt Prof. Dr. Hervé Bocherens vom Senckenberg Center for Human Evolution and Palaeoenvironment an der Universität Tübingen und fährt fort: "Das prominentestes Beispiel für Riesen der Vergangenheit sind natürlich die Dinosaurier.“ Doch auch in der jüngeren Erdgeschichte gab es Kolosse der Tierwelt, wie beispielsweise Riesen-Faultiere, Wollnashörner und Mammute. Warum diese vor etwa 12.000 Jahren ausstarben und welche Folgen dies für die Umwelt hatte, hat der Tübinger Biogeologe nun untersucht.

"Wie heutige Elefanten fungierten die Mega-Pflanzenfresser als 'Ökosystem-Ingenieure'. Sie reduzierten den Baumbewuchs und hielten die Landschaft und für viele Tiere lebenswichtige Wasserlöcher offen. In ihrem Verdauungstrakt wanderten Pflanzensamen über viele Kilometer und wurden so verbreitet", erläutert Bocherens. Er zeigt in seiner aktuellen Studie, dass diese Aufgaben in der Zeit von vor etwa 45.000 bis 12.000 Jahren vom modernen Menschen übernommen wurden. "In dieser Epoche hat sich der moderne Mensch im nördlichen Eurasia, Nord- und Südamerika und Australien ausgebreitet und die riesigen Pflanzenfresser starben nach und nach aus", ergänzt Bocherens.

Mit der "neolithischen Revolution", dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht, der Vorratshaltung und der Sesshaftigkeit, wurden Teile der Funktionen der ausgestorbenen "Ökosystem-Ingenieure" wieder ersetzt. Doch in einigen Gebieten, wie beispielsweise in der für Landwirtschaft ungeeigneten Subarktis – einst Heimat der Mammutsteppe – blieb an der Stelle eine Lücke, die bis heute besteht. Die Lebensweise der Tierriesen beeinflusste die gesamte Vegetation – Bäume wurden klein gehalten und andere Pflanzen hatten genügend Platz und Nährstoffangebot zu wachsen. Die Diversität in der Pflanzenwelt wirkte sich wiederum positiv auf die Vielfalt der Tierwelt aus.

Mit dem Aussterben der pflanzenfressenden Riesen verwaldeten die Steppen zu borealen Nadelwäldern. Die Folge war eine Verringerung des sogenannten "Albedo-Effektes": Statt einer weißen Schneefläche im Winter oder einer gelblichen Landschaft mit trockenen Gräsern im Sommer, reflektiert das dunkle Grün der Wälder die Sonneneinstrahlung weniger und erwärmt so das Klima. Zudem waren die Böden der Mammutsteppe trockener und emittierten weniger des Treibhausgases Methan. Bocherens hierzu: "Die Anwesenheit der pflanzenfressenden Riesen hat demnach nicht nur zu einer höheren Artenvielfalt beigetragen, sondern hatte auch Einfluss auf das globale Klima."

Ein besseres Verständnis der Unterschiede, aber auch der Ähnlichkeiten zwischen den Auswirkungen der ausgestorbenen Mega-Pflanzenfresser und der menschlichen Landwirtschaft auf die Ökosysteme, kann laut der Studie dabei helfen die Zukunft terrestrischer Ökosysteme besser vorherzusagen. "In einigen Gebieten unserer Erde könnte es sogar sinnvoll sein wieder solche Mega-Pflanzenfresser anzusiedeln, um so die Biodiversität zu erhöhen und die Klimaerwärmung zu vermeiden", resümiert Bocherens.

Publikation

Bocherens, H

The Rise of the Anthroposphere since 50,000 Years: An Ecological Replacement of Megaherbivores by Humans in Terrestrial Ecosystems?

Front. Ecol. Evol. 6:3. 2018
DOI: 10.3389/fevo.2018.00003

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