Bevölkerungsgeschichte der Südkaukasus-Region
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Menschen im Südkaukasus von der frühen Bronzezeit (ca. 3500 v. Chr.) bis zur Zeit der Völkerwanderung (ca. 500 n. Chr.) ein weitgehend konstantes Abstammungsprofil beibehielten. "Die Beständigkeit eines tief verwurzelten lokalen Genpools über zahlreiche Veränderungen der materiellen Kultur hinweg ist außergewöhnlich", sagt Harald Ringbauer, Populationsgenetiker am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, dessen Forschungsteam die Studie geleitet hat. "Dies hebt sich deutlich von anderen Regionen in Westeurasien ab, wo solche Veränderungen oft mit erheblichen Bevölkerungsbewegungen verknüpft waren."
Die Untersuchungen ergaben jedoch auch Hinweise auf Migration aus benachbarten Regionen. Insbesondere in den späteren Phasen der Bronzezeit lässt sich ein Teil des genetischen Erbguts der Region auf Menschen aus Anatolien und eurasische Steppenhirten zurückführen. Diese Wanderungen waren ein Vektor für kulturellen Austausch, technologische Innovationen, neue Bestattungspraktiken und die Ausbreitung wirtschaftlicher Systeme wie der nomadischen Viehzucht. Nach dieser Zeit wuchs die Bevölkerungszahl in der Region und genetische Spuren der Vermischung waren oft nur vorübergehend vorhanden oder betrafen nur einzelne Personen.
Die Studie liefert besonders spektakuläre Einsichten über absichtlich deformierte Schädel, praktiziert von frühmittelalterlichen Menschen aus dem Königreich Iberien im heutigen Ostgeorgien. Lange Zeit wurde angenommen, dass diese kulturelle Praxis mit Migrationen von Steppenvölkern Zentralasiens in Verbindung stand. "Wir haben auch tatsächlich einige Individuen mit deformierten Schädeln identifiziert, die genetisch aus Zentralasien stammen, und sogar direkte genealogische Verbindungen zu den Awaren und Hunnen aufwiesen", berichtet Eirini Skourtanioti, Erstautorin der Studie und Genetikerin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie und der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Unsere Analysen ergaben jedoch auch, dass die meisten dieser Individuen Einheimische und keine Migranten waren. Dies ist ein überzeugendes Beispiel für die lokale kulturelle Übernahme einer Praxis, die zuerst von nomadischen Gruppen in die Region gebracht wurde."
Liana Bitadze, Leiterin des Anthropological Research Laboratory in Tiflis in Georgien und Co-Autorin der Studie, bestätigt die Bedeutung dieser Entdeckung: "Bisher haben wir diese Frage anhand vergleichender morphometrischer Analysen untersucht. Dank alter DNA können wir nun jedoch völlig neue Belege präsentieren, die uns dabei helfen, präzisere Antworten zu finden."
Die Studie zeigt außerdem, dass städtische Zentren und frühchristliche Stätten im Osten Georgiens bereits in der Spätantike zu einem Schmelztiegel verschiedener Völker wurden. Dies unterstreicht die seit Langem bestehende Rolle des Kaukasus als dynamische kulturelle und genetische Kontaktzone.
"Historischen Quellen zufolge diente das Kaukasusgebirge in der Spätantike sowohl als Barriere als auch als Migrationskorridor. Unsere Studie zeigt, dass die zunehmende Mobilität der Menschen ein entscheidendes Merkmal der sich entwickelnden urbanen Zentren in der Region war", sagt Xiaowen Jia, Co-Erstautor und Doktorand an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Diese Forschung setzt neue Maßstäbe bei der Erforschung der Bevölkerungsgeschichte solcher Regionen, die von der Archäogenetik bisher weitgehend unbeachtet geblieben sind.
Publikation
The genetic history of the Southern Caucasus from the Bronze age to the Early Middle Ages: 5,000 years of genetic continuity despite high mobility
Cell. 7.8.2025
DOI: 10.1016/j.cell.2025.07.013
RSS-Feeds @ Archäologie Online
- Nachrichten
- Videos
- Podcasts





