Alte DNA bringt neue Erkenntnisse zur Besiedelung der Karibik

In einer internationalen Zusammenarbeit von Wissenschaftlern aus der Karibik, Europa und Nordamerika fanden die Forscher heraus, dass die karibischen Inseln von mehreren aufeinanderfolgenden Einwanderungen besiedelt wurden, deren Ursprung sich auf dem amerikanischen Festland befindet.

Frühe Entdeckungsreisen in der Karibik
Frühe Entdeckungsreisen in der Karibik. Bild © Tom Björklund

Als eine der letzten Regionen der amerikanischen Kontinente, wurden die karibischen Inseln vor mehreren tausend Jahren vom Menschen besiedelt. Jetzt liefert eine neue, im Fachjournal Science veröffentlichte Studie, neue Erkenntnisse zur Bevölkerungsgeschichte. Durch die Analyse alter DNA fand ein Team aus Archäologen und Genetikern heraus, dass es mindestens drei Einwanderungen in die Region gab. "Die neuen Daten geben uns einen faszinierenden Einblick in die frühe Bevölkerungsgeschichte der Karibik. Wir finden Hinweise auf eine wiederholte Besiedelung der Inseln, mit unterschiedlichen Ursprüngen auf dem amerikanischen Festland", sagt Hannes Schroeder, Professor am Globe Institut der Universität Kopenhagen und einer der Seniorautoren der Studie.

Die Forscher analysierten die DNA-Sequenzen von 93 Individuen die vor 3200 bis 400 Jahren in der Karibik lebten. Die Daten wurden aus den Knochen und Zähnen der Überreste gewonnen, welche die Archäologen in 16 Fundstätten aus der gesamten Region ausgruben.

Durch das heiße und feuchte Klima auf den tropischen Inseln war die DNA in den Proben schlecht erhalten. Nur durch eine Technik zur gezielten Anreicherung menschlicher DNA-Fragmente konnten die Forscher genügend genetische Informationen für die Analysen gewinnen. "Durch diese Methode konnten wir die Anzahl alter Genome aus der Karibik um fast zwei Größenordnungen erhöhen. Mithilfe dieser Daten können wir uns nun ein recht detailliertes Bild der frühen Bevölkerungsgeschichte der Karibik verschaffen", erklärt Johannes Krause, Direktor des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte und ebenfalls Seniorautor der Studie.

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass es mindestens drei Einwanderungen in die Karibik gab: Zwei frühe Einwanderungen in die westliche Karibik, von denen eine Verbindungen zu früheren Bevölkerungsausbreitungen in Nordamerika aufweist. Eine dritte, etwas jüngere Einwanderung, hatte ihren Ursprung im Nordosten Südamerikas.

Obwohl noch immer nicht vollends geklärt ist, wie die ersten Siedler die Inseln erreichten, häufen sich die archäologischen Hinweise darauf, dass die karibische See kein Hindernis, sondern vielmehr eine 'aquatische Schnellstraße' darstelle, welche die Inseln mit dem Festland verband. "Große Wassermassen werden traditionell als Barriere für den Menschen gesehen. Besonders Jäger und Sammler Gemeinschaften sind selten als große Seefahrer bekannt. Unsere Ergebnisse stellen diese Sichtweise mehr und mehr in Frage, da sie Beziehungen zwischen den Inseln und dem Festland nahelegen", so Kathrin Nägele, Doktorandin am Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Erstautorin der Studie.

"Auch in der Archäologie sehen wir, dass die ersten Siedler biologisch und kulturell verschieden waren. Die neuen Daten unterstützen unsere Beobachtungen und liefern mehr Details über diese frühe Epoche unserer Geschichte", erklärt Yadira Chinique de Armas, Professorin für Bioanthropologie an der Universität Winnipeg und Leiterin dreier großer Ausgrabungen in Kuba.

Des Weiteren fanden die Forscher genetische Unterschiede zwischen den frühen Siedlern in der westlichen Karibik und einer später eingewanderten Gruppe aus Südamerika, die archäologischen Erkenntnissen zufolge vor 2800 Jahren die Inseln erreichte. "Obwohl die verschiedenen Gruppen zur selben Zeit die Karibik bewohnten, finden wir erstaunlicher Weise kaum Hinweise auf genetische Vermischung", erläutert Cosimo Posth, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Menscheitsgeschichte, ebenfalls Erstautor der Studie.

"Die Ergebnisse dieser Studie geben weitere Hinweise auf die komplexe Vielfältigkeit der Karibik vor Ankunft der Europäer und zeigen die Verbindungen zum amerikanischen Festland. Dies spiegelt sich in der Archäologie wider, doch es ist faszinierend, dies durch die genetischen Daten bestätigt zu sehen.", erklärt Corinne Hofman, Professorin für Archäologie an der Universität Leiden in den Niederlanden. "Die genetischen Daten geben unseren Erkenntnissen mehr Tiefe", stimmt Mirjana Roksandic, Professorin an der Universität Winnipeg zu.

Die Studie wurde von der Max-Planck-Gesellschaft, sowie dem Europäischen Forschungsrat und dem Social Sciences and Humanities Research Council of Canada (SSHRC) finanziert und im Bezugsrahmen des ERC Synergy Project Nexus1492 und des Projektes "Cuban Population Diversity" des SSHRC  durchgeführt.

Ausgrabungen bei Canimar Abajo
Ausgrabungen bei Canimar Abajo. Foto © Esteban Grau Gonzalez
Canimar Abajo
Canimar Abajo. Foto © Kathrin Nägele
Publikation

Kathrin Nägele, Cosimo Posth, Miren Iraeta Orbegozo, Yadira Chinique de Armas, Silvia Teresita Hernández Godoy, Ulises M. González Herrera, Maria A. Nieves-Colón, Marcela Sandoval-Velasco, Dorothea Mylopotamitaki, Rita Radzeviciute et al.

Genomic insights into the early peopling of the Caribbean

Science. 4.6.2020
DOI: 10.1126/science.aba8697

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