Zu den Anfängen der Klassischen Archäologie

Rekonstruktion der berühmten Heyne-Vorlesung

Die Anfänge der Klassischen Archäologie als Universitätsfach liegen im 18. Jahrhundert. Damals hielt der Göttinger Altertumswissenschaftler und Bibliotheksdirektor Christian Gottlob Heyne (1729 bis 1812) die erste archäologische Fachvorlesung an einer Universität. Wissenschaftler der Universität Göttingen rekonstruieren nun den Inhalt der Vorlesung anhand von studentischen Mitschriften aus der damaligen Zeit.

Nachrichten durchblättern
Chr. G. Heyne, Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 1772 (Abb.: Public Domain)
Chr. G. Heyne, Gemälde von Johann Heinrich Wilhelm Tischbein 1772 (Abb.: Public Domain)

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Projekt des Archäologischen Instituts und der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB) zwei Jahre lang mit insgesamt rund 400.000 Euro. Wie entwickelten sich Heynes Vorstellungen von der Klassischen Archäologie? Welche Kunstwerke besprach er, und auf welche Literatur stützte er sich? Diesen und anderen Fragen gehen die Göttinger Forscher seit April 2010 nach.

Heyne ist es zu verdanken, dass sich die zuvor von einzelnen Gelehrten betriebene Beschäftigung mit der materiellen Kultur der Antike im Laufe des 19. Jahrhunderts einen zentralen Platz im Fächerkanon der deutschsprachigen Universitäten erobern konnte. Seit 1767 bot der Altertumswissenschaftler über mehrere Jahrzehnte hinweg die Vorlesung „Die Archäologie oder die Kenntnis der Kunst und der Kunstwerke des Altertums“ an. Sie war bereits 1774 so berühmt, dass sich in Johann Wolfgang Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ ein Student damit brüstete, ein „Manuskript von Heynen über das Studium der Antike“ zu besitzen. „Unser Ziel ist es, anhand der uns bekannten Mitschriften aus 40 Jahren die Vorlesung Heynes zu rekonstruieren. Schon seinen Zeitgenossen galt sie als entscheidender Schritt zur Etablierung der Archäologie als universitäres Fach“, erläutert Dr. Hildegard Wiegel vom Archäologischen Institut. „Heyne führte in seiner Vorlesung die aus umfassender Kenntnis der älteren und der aktuellen altertumskundlichen Literatur gewonnenen Einsichten erstmals zu einem systematischen Ganzen zusammen.“ Zu seinen Hörern gehörten Persönlichkeiten wie Alexander und Wilhelm von Humboldt oder Friedrich und August Wilhelm Schlegel. Lange bevor Handbücher des neuen Fachs erschienen, ermöglichten die bald europaweit zirkulierenden Vorlesungsmitschriften erstmals einen systematischen Zugriff auf die Forschungsliteratur zur antiken Kunst.

Heute sind die Mitschriften im Besitz verschiedener europäischer Bibliotheken und Archive. In Göttingen werden sie nun virtuell zusammengeführt und erschlossen. Hier digitalisieren Mitarbeiter des Projekts die in der Vorlesung zitierten Schriften und Abbildungen und verknüpfen sie mit dem Vorlesungstext. Im Rahmen einer interaktiven Internetedition stellen sie die Materialien der Forschung frei zur Verfügung. Fachlich wird das Projekt vom Archäologischen Institut der Universität Göttingen betreut. Die Transkriptions-, Digitalisierungs- und Programmierarbeiten übernimmt die SUB.

Göttinger Mitschrift der Vorlesung Heynes von Carl Gotthold Lenz, erstellt zwischen 1786 und 1790. (Foto: Uni Göttingen)
Göttinger Mitschrift der Vorlesung Heynes von Carl Gotthold Lenz, erstellt zwischen 1786 und 1790. (Foto: Uni Göttingen)