Unbekannte Kirche mit besonderem Grundriss in Erwitte entdeckt

Archäologinnen und Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) haben bei Erwitte-Eikeloh (Kreis Soest) die Überreste einer ehemaligen Kirche aus dem 10. Jahrhundert entdeckt. Der 30 Meter lange Steinbau hat einen Grundriss, der in Westfalen bisher unbekannt war.

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Freilegung der Kirchenfundamente
Im Zuge der Grabungskampagne im Frühjahr 2023 konnten überraschend die Fundamente eines Anbaus im Süden der Kirche freigelegt werden. Foto: LWL

Im Jahr 2021 hatte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter die LWL-Fachleute auf eine Konzentration von Bruchstücken aus Kalkstein in einer Bachaue östlich von Erwitte aufmerksam gemacht. Noch im selben Jahr kamen bei der Überprüfung der Struktur, der irgendwann die Zerstörung durch den Pflug gedroht hätte, überraschend Fundamente eines Steinbaus zutage. Nach weiteren Grabungen 2022 und 2023 ist klar: es handelt sich um die letzten Überreste einer Kirche mit einem bislang einzigartigen Grundriss für Westfalen.

Unerwartet ist der Befund vor allem, da schriftliche Quellen zu einer Kirche völlig fehlen. Die frühesten Berichte, die sich auf eine Besiedlung um die Bachaue beziehen dürften, stammen aus dem 11. Jahrhundert. Diese erwähnen jedoch lediglich den Weiler "Osthem", aber keine Kirche. "Wir konnten nachweisen, dass die Kirche nach dem Abbruch einer wesentlich älteren Hofstelle hier neu errichtet wurde", berichtet Grabungsleiterin Dr. Eva Cichy von der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie. "Wir haben Baugruben von Pfostenbauten um die Kirche und unterhalb der Fundamente, die auf eine Besiedlung an diesem Ort schon seit der Römischen Kaiserzeit verweisen", so Cichy weiter.

"Für die nähere Einordnung und Datierung des Kirchenbaus sind wir neben aussagekräftigen Funden auch auf naturwissenschaftliche Ergebnisse angewiesen" erläutert der Leiter der Außenstelle Olpe, Prof. Dr. Michael Baales. Keramische Funde, erste 14C-Datierungen und Vergleiche mit anderen Grundrissen deuteten aktuell eine Datierung des Baus um 900 n. Chr. an.

Ein vollständig erfasster Grundriss dieser Zeit ist nicht nur in Westfalen außergewöhnlich. Üblicherweise wurden neue Kirchen auf ihren Vorgängerbauten errichtet. Aus diesem Grund sind die älteren Grundrisse häufig weitgehend zerstört oder bei Grabungen nur ausschnittweise fassbar. Der Grundriss in Eikeloh ist wesentlich komplexer aufgebaut und entspricht nicht dem üblichen Schema aus Saal und Chor.

Die neuentdeckte Kirche besteht aus einem 8,40 Meter breiten Saal, an den im Osten ein rechteckiger Chor anschließt. Ungewöhnlich ist ein zusätzlicher Raum östlich des Chors, ein sogenannter Chorscheitelbau. Dieser Raum könnte als Kapelle oder Grablege geplant worden sein. "Ein solcher Grundriss ist für Westfalen bislang einzigartig, vergleichbare Kirchenbauten sind jedoch bekannt, beispielsweise von den Stiftskirchen in Bonn-Vilich und vom Niedermünster in Regensburg," berichtet LWL-Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind.

Die Kirche in Eikeloh wurde wohl fertig gestellt, wie Reste von Putz und ein späterer zusätzlicher Anbau im Süden nahelegen. Vermutlich wurde sie jedoch bereits nach kurzer Zeit aufgegeben und noch vor dem 12. Jahrhundert planmäßig abgebrochen. Warum, das ist eines der Rätsel, denen die Archäologinnen und Archäologen im Rahmen der Auswertung der Grabungsergebnisse in den nächsten Jahren auf den Grund gehen wollen.

Grundriss der freigelegten Kirche
Endlich komplett: der letzte Abschnitt, der Westabschluss der Kirche konnte in der letzten Kampagne in diesem Spätsommer noch freigelegt und mit Fotogrammetriefotos dokumentiert werden. Plan: LWL/L. Cramer/E. Cichy
Luftbild der Ausgrabung
Blick über die Grabungsfläche nach Süden, Richtung Hellweg (B1 in ca. 200 m), am rechten Bildrand der Bach Pöppelsche. Foto: LWL/L. Cramer
Frühmittelalterliche Keramikfunde
Erste keramische Funde aus den ersten Kampagnen sind bereits gezeichnet worden: Randscherben und verzierte Wandscherben von kaiserzeitlichen Gefäßen (Fd. 198 und 114), Randscherben von frühmittelalterlichen Wölbwandtöpfen (Fde. 171 und 180) und frühmittelalterliche Importware aus dem Rheinland (sogenannte Badorfer und Hunneschansware) aus der Zeit um 900 (Fd. 10 und 104). Zeichnung: LWL/A. Müller